Mikro-Panne von Putin und Xi: Organ-Diskussion mit großen Folgen

Mikrofon-Panne von Putin und Xi:Ewig leben? Organ-Gerede mit bedenklichen Folgen

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von Nils Metzger
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Die Autokraten Putin und Xi plaudern über ewiges Leben durch Organtransplantationen. Das ist Munition für Chinas Opposition und gefährdet die Bereitschaft zur Organspende weltweit.

Wladimir Putin und Xi Jinping bei der Militärparade in Peking

Am Rande der chinesischen Militärparade philosophierten Russlands Präsident Putin und Chinas Staatsoberhaupt Xi über das Thema Unsterblichkeit.

04.09.2025 | 0:46 min

Wenn Staatschefs bei Terminen Vertrauliches über versehentlich angeschaltete Mikros ausplaudern, wird es schnell heikel. Nun traf es Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping.

In der Übertragung chinesischer Staatsmedien von der großen Militärparade am Mittwoch wurde ein Gespräch der beiden über ewiges Leben durch Organtransplantationen übertragen. Ihre Sätze wurden während der TV-Übertragung live von Dolmetschern ins Chinesische übersetzt.

Menschliche Organe können wiederholt transplantiert werden, sodass man trotz seines Alters jünger und jünger wird und vielleicht sogar das Altern auf unbestimmte Zeit hinauszögern kann.

Wladimir Putin laut dem chinesischen Dolmetscher

Xi antwortete daraufhin: "Es wird prognostiziert, dass es in diesem Jahrhundert möglich sein könnte, 150 Jahre alt zu werden."

Russlands Präsident Wladimir Putin (L-R) mit Chinas Präsident Xi Jinping und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un vor einer Militärparade asm 03.09.3025

Chinas Staatschef Xi Jinping demonstriert seine Macht und seine Pläne für eine neue Weltordnung. Dafür zeigt er sich mit Russlands Präsident Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.

03.09.2025 | 4:37 min

Ist das Gespräch echt und nicht manipuliert?

Es gibt aktuell keine Hinweise, dass Teile des Gesprächs manipuliert wurden.

Wladimir Putin bestätigte den Wortwechsel im Anschluss in einer Pressekonferenz. "Das war, glaube ich, als wir zu der Parade gingen, da hat der Vorsitzende [Xi] darüber gesprochen", sagte Putin auf die Frage einer Journalistin. "Moderne Mittel - sowohl Gesundheitsvorsorge, medizinische Maßnahmen als auch chirurgische Eingriffe, einschließlich Organersatz - erlauben der Menschheit, darauf zu hoffen, (…) dass die Lebensdauer deutlich verlängert wird."

Wie die autokratischen Staatschefs auf dieses Thema kamen, ist dabei unklar. Von chinesischer Seite gibt es bislang keinen offiziellen Kommentar zu der unbeabsichtigten Übertragung.

Putin, Xi und Kim bei der Militärparade in China.

China demonstriert bei einer Militärparade die enge Freundschaft mit Russland und Nordkorea. Wie stark das Dreier-Bündnis ist, analysiert ZDFheute live.

03.09.2025 | 39:17 min

Experten fürchten sinkende Bereitschaft zu Organspenden

Die eingefangenen Sätze können handfeste negative Folgen haben: etwa für die Bereitschaft zur Organspende. Dass sich Reiche und Mächtige ein ewiges Leben auf Kosten anderer verschaffen, ist ein zentraler Punkt vieler Verschwörungserzählungen wie QAnon.

Zwar bieten die knappen Sätze Putins oder Xis keinerlei Anhaltspunkte für eine große Verschwörung, aber Anhänger solcher Weltbilder könnten sich davon bestätigt fühlen. Ähnlich wie bei anderen, häufig aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von Vertretern der "globalen Eliten" von Bill Gates bis zum World Economic Forum könnte auch der Smalltalk von Putin und Xi noch in einigen Jahren Verschwörungsgläubigen als Beleg dienen. Das Vertrauen, dass mit gespendeten Organen verantwortungsvoll umgegangen wird, könnte weltweit sinken.

Thomas Müller, Co-Vorsitzender der internationalen Expertengruppe für die Einhaltung der Istanbul-Erklärung zu Organhandel und Transplantationstourismus, sieht die Aussagen und die darum entstandene Debatte mit Sorge: "Es verstärkt das völlig falsche Bild zur Organtransplantation - vom Menschen als Ersatzteillager, welches benutzt wird um denen, die es sich leisten können, Organe zu verpflanzen", sagt Müller ZDFheute.

Es ist ein Gespräch zwischen alten Herrschern, die sich allmächtig fühlen und ewig herrschen möchten und überzeugt sind, dass sie auch noch Altern und Tod beeinflussen können.

Thomas Müller, Custodian Group der Istanbul-Erklärung

"Nährboden für Verschwörungstheorien"

"Solche unbedachten und inhaltlich falschen Äußerungen sind ein idealer Nährboden für Verschwörungstheorien", betont Müller, emeritierter Professor des Universitätsspitals Zürich. Das Gefährliche sei die Vermischung von teilweise korrekten Informationen über lebensrettende Transplantationen und enorme Fortschritte der Biotechnologie mit falschen Informationen über Gesunde, die so 150 Jahre alt werden könnten. Das "führt zu Ängsten bei Menschen, die denken Organe werden entnommen und transplantiert".

Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) kritisiert die Diskussion gegenüber ZDFheute "in aller Schärfe". Sie beruhe auf Gesprächsfragmenten und es sei ethisch inakzeptabel, Organspenden in Kontext mit Verjüngung oder Unsterblichkeit zu stellen. Felix Braun, Oberarzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und DTG-Vorstandsmitglied, betont:

Die Äußerungen spiegeln unrealistische Fantasien wider, die nichts mit der Realität zu tun haben und im Bereich von Science-Fiction anzusiedeln sind.

Felix Braun, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

"Das Ziel der Organtransplantation ist Patienten mit Organversagen vor dem Tod zu bewahren und die Lebensqualität zu verbessern", so Braun weiter. "Gegenwärtig ist es nicht möglich, das Altern zu stoppen und somit den Tod im Alter abzuwenden."

Elmar Theveßen und Miriam Steimer im Schaltgespräch mit heute

Bei der chinesischen Militärparade steht Xi Jinping Seite an Seite mit Putin und Kim Jong Un: ein Zeichen Richtung Westen. Elmar Theveßen und Miriam Steimer schätzen ein.

03.09.2025 | 2:15 min

Organhandel in China seit Langem kritisches Thema

Während es in Ländern wie Deutschland sehr strenge Regeln für Organtransplantationen gibt und Handel damit gänzlich verboten ist, blüht in anderen Weltregionen ein oft auf Ausbeutung basierender Markt für menschliche Organe. "Die ethischen Grundsätze und Rechtsvorschriften der Transplantationsmedizin in China und Russland entsprechen nicht den deutschen Standards", sagt Oberarzt Braun.

Gegen China und Russland werden immer wieder Vorwürfe von Organraub geäußert. Die Beweislage hierbei ist jedoch teils schwierig und vor allem Peking wehrt sich seit Jahren gegen entsprechende Vorwürfe.

Experte Müller verfolgt mit seinen Fachkollegen die internationalen Entwicklungen genau. "Gerade China hat im Bereich der ethischen Transplantationsmedizin und ihrer Gesetzgebung wesentliche Fortschritte gemacht. Dies ist auch international sehr positiv aufgenommen worden", erklärt Müller. "Demgegenüber gibt es immer wieder Nachrichten über Organentnahmen bei politisch verfolgten Bevölkerungsgruppen - inwieweit dies wirklich korrekt ist und die Quellen vertrauenswürdig, kann ich nicht richtig abschätzen. Das Problem, bei China wie auch bei Russland, ist die Zensur der Berichterstattung und die fehlende Transparenz."

Organhandel

Es wirkt seriös und sei angeblich völlig legal: Im Internet bietet die Firma Medlead an, Organtransplantationen im Ausland zu vermitteln. Unter ihren Kunden sind auch deutsche Patienten.

15.04.2025 | 23:16 min

Chinesische Oppositionsgruppe und US-Politiker greifen Thema auf

Chinesische Exilgruppen aus dem Umfeld der umstrittenen Falun-Gong-Bewegung nutzen den Mikro-Vorfall nun für sich. Kritik an mutmaßlichem Organhandel ist seit Jahren eines der Themen, mit denen sie etwa an Infoständen in deutschen Fußgängerzonen für sich werben.

Das der Bewegung nahestehende Onlinemedium "Epoch Times" machte seine Seite am Donnerstag groß mit dem Xi-Putin-Gespräch und weiteren Berichten rund um Organtransplantationen in China auf.

Für China-Kritiker wie den Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sind die Aussagen eine Bestätigung. Dem "Epoch-Times"-Schwestermedium "NTD" sagte er:

Ich muss Ihnen sagen, wir haben einige schreckliche Geschichten über die Organtransplantationen und all das in China gehört. (...) Die Tatsache, dass sie durch ein offenes Mikrofon erwischt wurden, spricht Bände.

Mike Johnson, Sprecher des US-Repräsentantenhauses

Für Gegner der kommunistischen Partei Chinas ist der Mikro-Vorfall ein Jackpot.

Putins persönliches Umfeld arbeitet zu "Anti-Aging-Technologien"

Wladimir Putin scheint die Frage nach ewigem Leben schon länger umzutreiben. Immer wieder attestierten ihm Journalisten eine Phobie vor Bakterien. Das russische Investigativmedium "Meduza" veröffentlichte 2021 und 2024 Recherchen über staatliche Forschungsbemühungen rund um "Anti-Aging-Technologien".

Dem Bericht zufolge arbeite Putins älteste Tochter für ein staatliches Genetik-Programm mit ähnlichem Fokus. Michail Kovalchuk, ein enger Vertrauter Putins, soll laut "Meduza" etwa Medizin-Startups fördern, die sich mit der künstlichen Erzeugung von Organen befassen.

Tag der Organspende
:Neue Niere nach zehn Jahren

Es gibt zu wenig Organspender in Deutschland - im internationalen Vergleich hinkt das Land hinterher. Patienten müssen teilweise Jahre warten. Dabei ginge es auch anders.
von Luisa Holzkamp
Organspende und Transport Typical
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