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Tag der Organspende:Neue Niere nach zehn Jahren
von Luisa Holzkamp
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Es gibt zu wenig Organspender in Deutschland - im internationalen Vergleich hinkt das Land hinterher. Patienten müssen teilweise Jahre warten. Dabei ginge es auch anders.
Susanne Schneider wirkt fröhlich und gelassen, als sie durch den Park der Uni-Klinik Dresden spaziert. Dabei spielte sich auf einem Krankenhausgelände das wohl dramatischste Erlebnis ihres Lebens ab.
Die studierte Therapeutin war Ende 20 und kerngesund, als es bei der Geburt ihrer Zwillinge zu Komplikationen kam. Plötzlich hörten ihre Nieren auf zu arbeiten. Die Ursache kennt sie bis heute nicht, Anzeichen gab es keine.
Zehn Jahre Warten auf Spenderniere
Nur knapp überlebte sie, war aber von nun an auf das Dialyse-Gerät angewiesen, das ihr Blut reinigt. Mehrmals pro Woche musste sie für mehr als fünf Stunden an die Maschine angeschlossen werden.
Da muss man erstmal mit zurechtkommen: Dass man an der Dialyse hängt, dass das Leben von einer Maschine abhängig ist, dass das Leben, das man vorher hatte, praktisch vorbei ist.
Susanne Schneider, ehemalige Dialyse-Patientin
Sie lässt sich sofort auf die Warteliste für eine Spenderniere setzen. Doch erst als ihre Zwillinge zehn Jahre alt sind, erhält sie den ersehnten Anruf und fährt zur Uniklinik Dresden.
Zahl der Organspender deutlich zu gering
Ein ganzes Jahrzehnt hat sie also auf das lebensrettende Organ gewartet - damit ist sie nicht allein. Im Dezember vergangenen Jahres standen über 8.000 Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane - Spender gab es nur 953. Die Zahl der Organspender stagniert hierzulande seit Jahren. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland weit zurück.
Während es hierzulande nur 11,7 Spender pro eine Million Einwohner gibt, sind es in Spanien knapp 50 und in Portugal und Belgien etwa 37, sagt Dr. Anne Trabitzsch, Transplantationsbeauftragte im Universitätsklinikum Dresden.
Mehr Spendebereitschaft als Einwilligungen
Der häufigste Grund für das Scheitern einer Organspende sei die fehlende Entscheidung der Patienten, so Trabitzsch.
Dass Patienten einen Organspende-Ausweis haben, ganz egal, ob da Ja oder Nein angekreuzt ist, ist wirklich selten.
Anne Trabitzsch, Transplantationsbeauftragte Universitätsklinikum Dresden
Dabei steht die tatsächliche Zustimmungsrate im deutlichen Widerspruch zu Umfrageergebnissen aus der Bevölkerung.
Laut einer Studie des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit stünden 85 Prozent der Befragten einer Organ- und Gewebespende positiv gegenüber. Ein schriftlicher Wille lag aber nur in etwa 15 Prozent der gemeldeten Fälle vor. Aus Unsicherheit würden Angehörige sich dann häufig gegen eine Spende entscheiden, meint Trabitzsch.
Erneute Diskussion um einfache Widerspruchsregelung
Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde im Dezember vergangenen Jahres erneut eine Widerspruchsregelung im Bundestag diskutiert. Nach dem Gesetzentwurf sollten nicht nur Personen als Spender infrage kommen, die in eine Organ- oder Gewebeentnahme eingewilligt haben, sondern auch Personen, die ihr nicht ausdrücklich widersprochen haben.
Eine Entscheidung darüber steht aus. Laut eines Sprechers des Bundesgesundheitsministeriums sei abzuwarten, ob eine weitere Initiative aus der Mitte des Bundestags gestartet wird.
Erfolgreicher durch Hirntod-Analyse
Trabitzsch setzt große Hoffnungen in eine solche Regelung:
Ich bin ganz großer Befürworter der Widerspruchslösung.
Anne Trabitzsch, Transplantationsbeauftragte Universitätsklinikum Dresden
Schon heute jedoch zeigt das Universitätsklinikum Dresden, wie Organspende auch über andere Wege erfolgreicher funktionieren kann. Vergangenes Jahr wurden dort bundesweit die meisten Organtransplantationen durchgeführt.
Diesen Erfolg führt Trabitzsch unter anderem auf das System DETECT zurück, das in der Klinik genutzt wird. Ziel der Software sei es, durch Auswertung der medizinischen Daten alle Personen zu identifizieren, bei denen möglicherweise der Hirntod droht. Im Vergleich eines Jahren ohne und mit Einsatz von DETECT hätten sie ohne das Tool 13 Patienten übersehen, die einen Hirnschaden erlitten hatten. Mit dem frühzeitigen Hinweis durch das Tool nur einen.
So besteht die Möglichkeit, frühzeitiger eine potenzielle Organspende abzuklären.
Dem Spender lebenslange Dankbarkeit
Auch die gute Struktur des Uniklinikums hätte dazu beigetragen, dass die 21 Organspenden im vergangenen Jahr realisiert werden konnten. Dazu zählt Trabitzsch unter anderem die eingespielten Abläufe sowie die personelle Ausstattung einer großen Klinik.
Davon profitierte auch Susanne Schneider. Seit der Transplantation hat sich das Leben der 40-Jährigen grundlegend geändert: Sie kann wieder mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, kann in Ruhe Kaffee trinken und arbeiten, statt an die Dialyse gebunden zu sein.
Dem Spender ist Schneider ewig dankbar, dass ein Teil von ihm ihrer jungen Familie wieder zu einem normalen Leben verholfen hat.
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