Gas-Einkäufe aus Russland:Import-Verbot für Gas: Europa lässt die Muskeln spielen
von Julia Rech, Ulf Röller
Europa sitzt nicht am Verhandlungstisch, wenn es um das Schicksal der Ukraine geht, und versucht, sich als stark zu präsentieren. Etwa durch ein Import-Verbot von russischem Gas.
ZDF-Korrespondent Ulf Röller zu den Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg und dem Vorgehen der EU gegen Russland
03.12.2025 | 9:14 minEs ist ein Tag in Brüssel, der Licht und Schatten hat, ein Tag, der sinnbildlich für die Schwächen und Stärken Europas steht. Im Mittelpunkt: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Russisches Gas: von der Leyen spricht von neuer Ära
Es ist gerade mal kurz nach 9 Uhr morgens und von der Leyen erlebt bereits "Historisches", wie sie sagt.
Eine Ära beginnt: Europa wird unabhängig von russischer Energie.
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin
Das stimmt zumindest für Gasimporte aus Russland ab 2027. Darauf hat sich die Europäische Union geeinigt und Ungarn, das gegen die Entscheidung Widerstand leistete, überstimmt. Ein Aus für Ölimporte blockiert Ungarn weiter.
Von 12 Milliarden auf 1,5 Milliarden für Energie aus Russland
Europa brauchte lange, um zu handeln. Nur langsam gelingt es, Russlands fossile Geldquellen versiegen zu lassen, aber es gelingt.
Aktuell kommen nur noch vergleichsweise kleine Mengen aus Russland: Die Lieferungen sind seit 2022 stark eingebrochen und laufen 2025 fast ausschließlich über die südliche Pipeline-Route TurkStream sowie in Form von LNG-Exporten. Insgesamt macht russisches Gas nur noch einen Anteil im niedrigen bis mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich an den EU-Gasimporten aus. Konkrete Volumina variieren je nach Quelle und Monat, sind aber deutlich niedriger als vor 2022.
Politisch ist der Ausstieg beschlossen, beziehungsweise, er ist in der finalen Abstimmung. Die EU hat Ende 2025 eine phasenweise Abschaltung von russischem LNG (Ende 2026) und Pipelinegas (Ende 2027) vereinbart. Fachleute halten das Ziel für grundsätzlich machbar, weil Europa LNG-Kapazitäten ausgeweitet, Speicher aufgefüllt und den Gasverbrauch durch Effizienz/Einsparungen gesenkt hat.
Gleichzeitig warnen Expertinnen und Experten vor Preis- und Verfügbarkeitsrisiken. Das Institut für Sicherheits- und Politikstudien (SWP) warnt etwa, dass durch den Verzicht auf Russland die Versorgungsrisiken keineswegs eliminiert, sondern nur verschoben würden - etwa hin zu einer höheren Abhängigkeit von LNG aus den USA.
Der Ersatz für den Gas-Bedarf erfolgt durch drei Hebel:
- deutlich mehr LNG-Importe, vor allem aus den USA, aber auch aus Katar
- höhere Pipeline-Zufuhren aus anderen Lieferländern (Norwegen, Algerien, Aserbaidschan)
- niedrigere Nachfrage durch Effizienz, Brennstoffwechsel (Wärmepumpen, Elektrifizierung) sowie den Ausbau erneuerbarer Energien.
Viele Staaten treiben diesen Mix aktiv voran - das politische Ziel eines russlandfreien Bezugs wird von einer Mehrheit der EU-Regierungen gewollt, für einige stärker abhängige Länder sind aber Übergangsregelungen und zusätzliche Unterstützung vorgesehen.
Eine Zahl hat von der Leyen mitgebracht. "Wir haben zu Beginn des Krieges jeden Monat für 12 Milliarden fossile Energie von Russland eingekauft. Diese Summe haben wir verringert auf jetzt 1,5 Milliarden. Das ist immer noch zu viel, wir wollen auf 0 Prozent runter."
Das Ziel ist, den wirtschaftlichen Überlebensnerv der Russen abzutrennen. Und insofern ist das heute ein guter Tag für Europa und ein Signal an Russland. Präsident Wladimir Putin soll verstehen, dass die Europäer nicht lockerlassen, dauerhaft seine Wirtschaft zu schwächen.
Gift der Sanktionen gegen Russland wirkt langsam
Es gibt bereits 19 Sanktionspakete der Europäer. Man kann das belächeln: 19 Sanktionspakete und noch immer tobt der Krieg in der Ukraine und Putin wird immer aggressiver.
Die EU will bis 2027 kein Gas mehr aus Russland beziehen. Brüssel will damit unabhängig werden. Aber es gibt Ausnahmen. ZDFheute live analysiert die Folgen der EU-Entscheidung.
03.12.2025 | 17:21 minDas Gift der Sanktionen wirkt zwar nur langsam, aber es wirkt. Die russische Wirtschaft schwächelt. Putin muss seiner Bevölkerung immer mehr zumuten, um die Kriegsmaschine am Laufen zu halten.
Vertreter der EU-Regierungen und des Europaparlaments haben sich darauf geeinigt, auf russisches Gas zu verzichten. Bis spätestens Ende 2027 soll kein russisches Gas mehr fließen.
03.12.2025 | 1:01 minAuch US-Präsident Donald Trump hat Brüssel aufgefordert, schneller dafür zu sorgen, dass keine europäischen Gelder mehr nach Russland fließen, dass die Europäer bereit sind, ihre Geschäftsbeziehungen zu kappen, auch wenn es wehtut. Der Ruf nach amerikanischer Hilfe wirkt glaubwürdiger, wenn Europa bereit ist, auch Opfer zu bringen.
Was tun mit eingefrorenem russischem Vermögen?
Das führt zum zweiten Ereignis in Brüssel an diesem Tag. Es geht um das in der EU eingefrorene, russische Vermögen. Das lagert in Belgien. Rund 140 Milliarden will die EU davon nehmen, um den Krieg und den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Ohne das Geld müsste die Ukraine sich wohl den Russen ergeben.
Um 13:30 Uhr ging von der Leyen noch einmal vor die Presse:
Wir senden ein sehr starkes Signal an die Ukrainer. Wir werden Euch dauerhaft unterstützen.
Ursula von der Leyen
Belgien fürchtet Strafen Russlands
Allerdings ist der Plan der EU-Kommission hoch umstritten. Das Geld liegt in Brüssel beim Finanzinstitut Euroclear. Die belgische Regierung protestiert gegen die Verwendung des russischen Vermögens, fürchtet, dass Moskau Belgien für die Freigabe abstraft.
Auch die Zusage der Kommissionspräsidentin und einiger anderer EU-Mitgliedstaaten, Belgien nicht alleine zu lassen, beruhigt sie nicht.
Jeder wie auch immer geartete Frieden würde die Möglichkeit eröffnen, dass Russland und die USA wieder miteinander Geschäfte machen, so USA-Korrespondent David Sauer.
03.12.2025 | 1:26 minSeit Wochen sucht die Kommission einen Kompromiss, aber auch der heutige Vorschlag wird den Streit nicht lösen. Bevor von der Leyen ihn vorstellte, lehnte ihn die belgische Regierung schon ab. In dieser Schicksalsfrage für die Ukraine wirkt Europa schwach.
Auf dem EU-Gipfel Ende des Monats müssen die Regierungschefs entscheiden, was mit dem russischen Vermögen passiert. Die Mehrheit könnte in dieser entscheidenden Frage Belgien überstimmen. Es wäre ein tiefer Einschnitt und würde die Zusammenarbeit in der Union belasten. Der Preis für die Unterstützung der Ukraine ist hoch.