Sardinien: Warum dort so viele alte Menschen leben

Das Geheimnis des langen Lebens:Warum auf Sardinien so viele hundert werden

Barbara Lueg, ZDF-Korrespondentin in Rom
von Barbara Lueg, Rom
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Auf der Insel Sardinien leben die meisten ältesten Menschen der Erde. Wissenschaftler forschen zu den genetischen Gründen, doch auch die Einstellung zum Leben spielt eine Rolle.

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Auf Sardinien trotzen die Senioren ihrem Alter mit Gemeinschaft, Bewegung und gutem Essen. Die Insel im Mittelmeer ist eine "Blue Zone" des langen Lebens.02.07.2025 | 6:43 min
Sie ist hoch konzentriert und versucht es immer wieder. Francesca Deserra, 101 Jahre alt, sitzt an ihrer Nähmaschine und will den Faden durch das winzige Loch der Nadel ziehen. Ohne Brille. Nach etlichen Anläufen schafft sie es tatsächlich und lächelt siegessicher. "Man muss immer dran bleiben", sagt sie.

Der Herr gab mir Gesundheit. Und jetzt - sehen Sie das? Über 100 Jahre sind vergangen und ich bin immer noch gesund.

Francesca Deserra

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Nun werden auch Großeltern zu Influencern. Als sogenannte Granfluencer reden sie online über Mode, Bücher oder ihre Stadt. Auch die 90-jährige Rosi aus Mainz folgt diesem Trend und berichtet über ihre Heimatregion.02.01.2025 | 1:54 min

Wissenschaftler suchen nach Gründen für langes Leben

Francesca ist eine von vielen hochbetagten, robusten alten Menschen, die hier in den Dörfern der Bergregionen Sardiniens leben. Im Süden der Insel erforscht Roberto Pili mit anderen Wissenschaftlern aus ganz Europa seit Jahrzehnten die Gründe dafür. "Wir sprechen hier von einer Region mit den meisten Hundertjährigen und einem der ursprünglichsten und isoliertesten genetischen Erbgüter."

Es ist sehr resilient - und die Menschen sind in der Lage, mit ihrer Umwelt und ihrer Gemeinschaft sehr positiv umzugehen.

Roberto Pili, Altersforscher

Gute Gene. Gute Psyche. Gemeinschaft. In Perdasdefogo macht Carolina Serdinu zu Hause mit Freunden sardische Ravioli für das Altersheim. Mit 92 Jahren gilt sie hier selbst noch als jung. "Wenn ich etwas Gutes getan habe, bin ich einfach glücklich, weil ich mit diesem oder jenem Jemanden erfreut habe. Basta. Geben? Ja. Nehmen? Nein", sagt sie.
Eine Frau mit grauen Haaren hält in der einen Hand ein Tablet und trinkt aus einem Glas Saft in einer Küche.
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Wenig ist gut genug

Sardinien war immer isoliert. Im Inneren der Insel entfaltet sich eine Landschaft - so sanft und in sich ruhend, wie die Menschen, die in ihr alt werden. Was sie alle eint: gutes Klima; heimische, gesunde Ernährung; viel Bewegung und die tiefe Überzeugung, dass wenig gut genug ist.
In Nuoro sitzt Sebastiano Maccioni morgens in seiner Stammbar. Punkt 8 Uhr. Wie immer. Der 106-Jährige ist umringt von Freunden, trinkt seinen Kaffee und unterhält sich angeregt. Alle hier kennen den lebensfrohen, klugen Ingenieur und hören ihm gerne zu. "Der Sinn des Lebens sind Beziehungen", sagt er.

Die Frau, Kinder, Verwandte, die Mutter. Und Freundschaft ist fundamental. Ohne sie gibt es kein Leben.

Sebastiano Maccioni

In seinem Haus hängen viele Fotos an der Wand, die aus seinem langen Leben erzählen. Sebastianos Frau starb vor fast 20 Jahren. Seine Kinder, Enkel, Urenkel sind im Land verstreut. Aber er macht weiter, liest, denkt, fragt, trifft Menschen.

Das Gehirn darf nicht stillstehen. Wehe, wenn es stillsteht - es rostet ein, wenn wir nicht denken.

Sebastiano Maccioni

Talk mit Andreas Michalsen
Länger leben durch gesunde Ernährung: Ernährungsmediziner Andreas Michalsen im Gespräch.20.06.2024 | 31:31 min
Das spiegelt sich überall. Die Menschen hier sind gealtert, aber ihr Blick auf das Leben hat sich nicht verändert. Sie leben in der Gemeinschaft, bewegen sich viel und blicken positiv auf die Welt.

Wenn all diese Elemente ineinandergreifen, wird die genetische Struktur gestärkt, um die besten Gene zum Vorschein zu bringen, die ein langes, gesundes Leben ermöglichen.

Roberto Pili, Altersforscher

Ein paar Dörfer weiter sitzen die Schwestern Gesuina, 97 Jahre, und Sebastiana, 101 Jahre, auf ihrem Sofa mit einem Gläschen Wein. "Auf das Leben", sagt Gesuina. "Auf dass alle hundert Jahre werden", sagt Sebastiana. Prost.
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