Vor Misstrauensanträgen im Parlament:Regierungskrise in Frankreich: Lecornu kauft sich Zeit
von Elisa Kautzky und Carolin Auen
Frankreich steckt in einer politischen Dauerkrise. Sébastien Lecornus zweiter Versuch der Regierungsbildung zeigt sich bereits in den ersten Tagen alles andere als stabil.
Frankreichs Premier Lecornu soll das Land aus der Krise führen.
Quelle: dpaIn der Werkshalle des Schweißunternehmens CTM Laser im südlich von Paris gelegenen Igny herrscht am Mittwochmorgen Hochbetrieb. Von den politischen Turbulenzen in der Hauptstadt ist hier wenig zu spüren - zumindest auf den ersten Blick.
Für Joël Tanguy, den Geschäftsführer des mittelständischen Betriebs, läuft es gut. Seit 2017 konnte er seinen Umsatz verdoppeln, erst kürzlich hat er in zwei neue Maschinen investiert und neues Personal eingestellt.
Unternehmen im Stand-by-Modus
Doch als Zulieferunternehmen für größere Firmen bereitet ihm die politische Instabilität Sorgen. "Schon in den letzten Monaten gab es einen erheblichen Rückgang der Bestellungen, da unsere Auftraggeber abwarten, wie sich die politische Lage entwickelt", sagt Tanguy. Auch sein Unternehmen brauche Planungsstabilität, um zu wissen, ob es Subventionen für neue Maschinen oder Ausbildungsplätze gibt. "Solange befinden uns gewissermaßen in einem Stand-by-Modus."
Denn Frankreich steckt - seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 - in einer politischen Dauerkrise. Es stehen sich drei politische Lager im Parlament gegenüber, die sich gegenseitig blockieren. Und die wechselnden Premierminister herausfordern. Zuletzt Sébastien Lecornu, erst Anfang September ernannt. Lecornu trat am 6. Oktober unvermittelt ab, um nur vier Tage später wieder von Präsident Macron eingesetzt zu werden.
Präsident Macron hat Lecornu wieder zum Premierminister ernannt. Bei wichtigen Schlüssel-Positionen hielt Premierminister Lecornu an bisherigen Kandidaten fest.
13.10.2025 | 0:23 minEine Mischung aus bekannten und neuen Gesichtern
In seinem zweiten Anlauf zur Regierungsbildung stellt Lecornu sich noch breiter auf, bindet bekannte Gesichter wie Außenminister Jean-Noël Barrot und Justizminister Gérald Darmanin ein, aber auch regierungsfremde aus der freien Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Unverändert bleibt das politische Gleichgewicht: eine Mitte-Rechts Regierung wie auch unter seinen Vorgängern seit September 2024.
Hinter der weder die Rechtspopulisten des Rassemblement National noch die extremen Linken (LFI) stehen möchten. Beide reichten noch vor der ersten Rede des Premierministers Misstrauensanträge ein, über die am Donnerstag abgestimmt wird.
Aussetzen der Rentenreform bis zur Wahl 2028
Derweil kündigt Lecornu an, die umstrittene Rentenreform von 2023 auf Eis zu legen: "Von jetzt an bis Januar 2028 wird es keine Anhebung des Rentenalters geben." Damit könnte er sich und seine Regierung vor dem Misstrauensvotum gerettet haben. Vorerst.
Anstatt ebenfalls ein Misstrauensvotum einzureichen, ruft Parteichef Olivier Faure nun die sozialistischen Abgeordneten zur Geduld auf, man bleibe in der Opposition, sei aber bereit für Debatten.
Sébastien Lecornu ist der alte und neue französische Premierminister. Was hinter der erneuten Ernennung durch Präsident Macron steckt, erklärt ZDF-Korrespondentin Anna Warsberg.
11.10.2025 | 1:10 minNeue Regierung mit Mission Sparhaushalt
Und es wartet eine wichtige Debatte: Frankreich ist hoch verschuldet. Deshalb muss bis Ende des Jahres ein Sparhaushalt verabschiedet werden. Wie dieser genau aussehen soll, werden die Abgeordneten in den kommenden Wochen diskutieren. Ein erster Entwurf, liegt nun der Nationalversammlung vor.
In der Werkshalle in Igny spürt Schweißtechniker Jonas Templier bisher keine direkten Auswirkungen des politischen Tauziehens, doch ihm fehlt die Perspektive: "Wir sehen kein Ende und wissen nicht, wohin das alles führt." Auch die Worte des Premierministers machen ihm kaum Hoffnung.
"In letzter Zeit haben wir viele solcher Reden gehört und nie ist es gut ausgegangen." Templier hofft, dass sich die politischen Lager einigen können und einen gemeinsamen Weg aus der Krise finden.
Können wir unseren Politikern überhaupt noch glauben?
Jonas Templier, Schweißtechniker
Ob die Abgeordneten in der Nationalversammlung dazu bereit sind, entscheidet sich am Donnerstagvormittag. 273 von ihnen gehören Parteien an, die dem Misstrauensantrag zustimmen wollen. Kommen nur 15 weitere dazu, würde die neue, zweite Regierung von Sébastien Lecornu ebenfalls scheitern.
Elisa Kautzky und Carolin Auen arbeiten im ZDF-Auslandsstudio Paris.
Frankreichs Regierung steckt in der Krise.
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