Regierungskrise in Frankreich: Welche Optionen hat Macron?

Analyse

Regierungschaos in Frankreich:Findet Macron noch einen Ausweg?

Luis Jachmann
von Luis Jachmann, Paris
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Der Blitz-Rücktritt seines Premiers Lecornu hat den französischen Präsidenten schwer beschädigt. Findet Emmanuel Macron noch einen Ausweg aus dieser historischen Krise?

Emmanuel Macron und Sebastien Lecornu

Sebastien Lecornu ist gestern als Premier Frankreichs zurückgetreten. Nun will Macron, dass er trotz Rücktritt eine Lösung für die Regierungskrise findet. Die Kritik an Präsident Macron wächst.

07.10.2025 | 1:13 min

In Paris überschlagen sich in diesen Tagen die Ereignisse. Da den Überblick zu bewahren - das fällt selbst den erprobten politischen Beobachterinnen und Beobachtern schwer. Sonntagabend gibt der neue Premierminister Sébastien Lecornu sein Kabinett bekannt. Montagmorgen tritt er überraschend zurück. Montagnachmittag meldet der Nachrichtensender France Info, dass Lecornu von Präsident Macron erneut zum Premier ernannt wird. Wenige Minuten später rudert der Sender zurück. Eine Falschmeldung im überhitzten Politikbetrieb.

Es bleibt beim Rücktritt. Und damit auch bei einer schweren Niederlage für Emmanuel Macron. Doch ganz von der politischen Bühne verschwunden ist sein scheidender Premier nicht. Noch nicht. Frankreich erlebt eine Krise historischen Ausmaßes.

Macron gewinnt mit Ultimatum Zeit

Macron beauftragt Lecornu in den folgenden 48 Stunden, erneut Gespräche mit der Opposition zu suchen, deren Kompromissbereitschaft auszuloten. Es ist ein Himmelfahrtskommando für den gescheiterten Regierungschef ohne eigene Mehrheit. Ein Ultimatum ohne Erfolgsaussichten. Warum sollte der Durchbruch nun gelingen, nachdem sich alle Parteien quergestellt haben?

Schaltgespräch zwischen Moderatorin Anne Gellinek und dem Korrespondenten Walde in Paris

"Niemand hat die Ereignisse der letzten 24 Stunden vorhersehen können." Genauso unklar sei auch, wie Frankreich diese Regierungskrise löst, so ZDF-Korrespondent Walde in Paris.

06.10.2025 | 2:09 min

Gewiss gewinnt Macron mit seinem Ultimatum zumindest noch einmal ein wenig Zeit. Im Falle eines Scheiterns wolle Macron "die Verantwortung übernehmen", verkündet der Elysée-Palast. Aber was bedeutet das? Frankreichs Präsident hält sich bedeckt.

Macron hat drei Optionen in der Krise

In dieser vertrackten Lage bietet die französische Verfassung Macron im Wesentlichen drei Optionen. Aber keine Option ist für ihn besonders gesichtswahrend.

Er könnte einen neuen Premierminister ernennen. Jedoch drängt sich kein Kandidat auf, der über die tiefen Parteigräben hinweg auf einen breiten Rückhalt für sich und seine politischen Ideen bauen kann, um dem hochverschuldeten Land eine Perspektive zu geben.

Die zweite Option heißt Neuwahlen: Macron könnte die Assemblée Nationale erneut auflösen. So wie 2024 nach der Schlappe bei den Europawahlen. Hélène Miard-Delacroix, Politikwissenschaftlerin an der Sorbonne in Paris, hält die damalige Auflösung des Parlaments für einen großen Fehler:

Wir haben im Parlament drei Lager, die sich gegenseitig blockieren. Den Preis zahlen wir in Frankreich und Macron wahrscheinlich bis ans Ende seines politischen Lebens.

Hélène Miard-Delacroix, Politologin

Wirtschaftsgespräch mit der Moderatorin Anne Gellinek und dem Börsenexperten Frank Bethmann

Was die Regierungskrise in Frankreich für Europa und die deutsch-französischen Handelsbeziehungen bedeutet, ordnet ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann ein.

06.10.2025 | 1:50 min

Was bringen erneute Parlamentswahlen?

Erneute Parlamentswahlen würden an der Blockade nicht viel ändern, prognostiziert Miard-Delacroix. Auch weil das französische Wahlsystem nicht auf Kompromisse und Koalitionen ausgerichtet ist:

Die Parteienlandschaft ist inzwischen so zersplittert, dass es extrem schwierig ist, zu Mehrheiten zu kommen.

Hélène Miard-Delacroix, Politologin

So werde der Handlungsspielraum für Macron gerade innenpolitisch immer enger. Mittlerweile wenden sich auch langjährige Vertraute von ihm ab. Gabriel Attal, 2024 unter ihm Premierminister, "versteht die Entscheidungen Macrons nicht".

Unterstützung für Macron schwindet

Und ein anderer ehemaliger Premier geht noch einen Schritt weiter: "Nach Verabschiedung des Haushaltes halte ich vorgezogene Präsidentschaftswahlen für richtig", sagt Edouard Philippe am Dienstag. Es ist die dritte Option und aktuell noch unwahrscheinlich: ein Rücktritt Macrons, der noch bis 2027 im Amt ist.

Prof. Hélène Miard-Delacroix von der Sorbonne Université im Interview im Videocall vor einem gefüllten Buchregal.

Nur einen Monat nach seiner Ernennung ist Frankreichs Premierminister Lecornu zurückgetreten. Was das für Präsident Macron bedeutet – Analyse bei ZDFheute live.

06.10.2025 | 14:57 min

Die politischen Ränder in Frankreich drängen auf einen Urnengang. Sie wittern Morgenluft, versprechen sich viel von Neuwahlen. Die extreme Rechte von Marine Le Pen lehnt Gespräche mit Lecornu ab. Und auch die Konservativen, die bisherigen Mehrheitsbeschaffer der Regierung, gehen nun offen auf Distanz.

Die Linke wiederum ist zerstritten und kommt mit Macrons Parteienbündnis inhaltlich nicht auf einen Nenner. Frankreich wirkt politisch gelähmt und sein Präsident immer isolierter. Politische Stabilität ist weit und breit nicht in Sicht.

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  4. Der scheidende französische Premierminister Sebastien Lecornu, der heute Morgen dem französischen Präsidenten den Rücktritt seiner Regierung eingereicht hat, gibt am 6. Oktober 2025 im Hotel Matignon in Paris eine Erklärung ab.