Seit 2022 dürfen ukrainische Agrarprodukte zollfrei in die EU – ein Solidaritätsakt mit Folgen. Europäische Bauern klagen über Billigimporte, im Juni 2025 läuft die Regelung aus. Ob sie verlängert wird, sorgt nun für politischen Zündstoff.06.06.2025 | 2:06 min
Die
Europäische Union hat Handelsvorteile für die
Ukraine auslaufen lassen, mit denen das von Russland angegriffene Land drei Jahre lang unterstützt wurde.
Um Mitternacht deutscher Zeit traten nach Angaben der EU-Kommission Übergangsregeln in Kraft, die gelten sollen, bis Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen abgeschlossen sind.
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Welche Erleichterungen fallen nun weg?
Die EU hatte rund 100 Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 ukrainische Waren von Einfuhrzöllen ausgenommen. Damit sollte die Wirtschaft des Landes gestärkt werden, denn im Zentrum der Maßnahmen stehen landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Das osteuropäische Land hat einen vergleichsweise großen Agrarsektor, der 2023 mehr als sieben Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte. Zum Vergleich: In Deutschland ist es nicht einmal ein Prozent.
Vergangenes Jahr wurden die Handelserleichterungen noch verlängert, aber gleichzeitig strengere Vorgaben für bestimmte Lebensmittelimporte in die EU eingeführt. Dabei ging es um Geflügel, Eier, Zucker, Hafer, Mais, Grobgrieß und Honig.
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Was bedeutet das für die Ukraine?
Nach Angaben ukrainischer Agrarorganisationen deuten vorläufige Schätzungen darauf hin, dass die Änderungen der Ukraine einen Milliardenverlust bescheren könnten. Sie befürchten einen Wegfall von Deviseneinnahmen von bis zu 3,3 Milliarden Euro und einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um rund 2,5 Prozent in diesem Jahr.
Auf die Frage, ob die EU die Ukraine nun mit mehr Finanzhilfen unterstützen müsse, sagte ein Sprecher der EU-Kommission jüngst, für eine Antwort darauf sei es noch zu früh. "Das sind genau die Fragen, denen wir in unseren Gesprächen mit unseren ukrainischen Partnern auf den Grund gehen müssen", so der Sprecher.
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Warum sind die Erleichterungen umstritten?
Die Unterstützung der Ukrainer durch Zollbefreiung war vielen europäischen Bauern ein Dorn im Auge, vor allem in östlichen Nachbarländern wie
Polen und
Ungarn. Sie beklagten unverhältnismäßige Konkurrenz durch günstige Agrarimporte aus der Ukraine. Auch aus Frankreich kamen Rufe nach strengeren Zollregeln. Nationale Interessen im Agrarbereich spielten nach Angaben aus EU-Diplomatenkreisen auch in der aktuellen Debatte zum Auslaufen der Handelserleichterungen eine Rolle.
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), bezeichnete es als "unsäglich", dass es nicht gelungen sei, vor dem Auslaufen der Handelserleichterungen eine einvernehmliche Lösung zu finden. Er wertete den Wegfall der Zollbefreiung als unangemessene Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten in Polen.
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Welche Regeln gelten nun?
Seit Mitternacht gelten nach Angaben der EU-Kommission wieder die Zollkontingente eines seit 2016 angewendeten Abkommens. Da fast die Hälfte des Jahres schon vorbei ist, stehen bis Ende 2025 demnach sieben Zwölftel der Jahresmengen aus dem alten Handelsabkommen zur Verfügung.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Kommission teilte mit, sie arbeite zügig auf ein neues Abkommen hin. Dabei gehe man auch auf die von europäischen Landwirten und einigen EU-Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken ein.
Unterhändler der EU und der Ukraine sind im Gespräch über ein dauerhaftes neues Abkommen. Der Druck auf die Ukraine, möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen, ist mit dem Auslaufen der bisherigen Erleichterungen gestiegen. Wie lange die Gespräche dauern werden, ist noch unklar. Handelspolitiker Lange hofft darauf, "jetzt zügig ein Ergebnis zu erzielen".
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von Katrin Eigendorf
Quelle: dpa