Skandal um US-Sexualstraftäter:Auch deutsche Frauen im Visier von Epstein
von Sophia Baumann, Gunnar Krüger, Bastian Obermayer
Zum ersten Mal berichten zwei Deutsche über ihre Begegnung mit dem Sexualstraftäter Epstein. Die Schwestern sind seinen Rekrutierungsversuchen wohl nur knapp entgangen.
Mit geleakten E-Mails lässt sich erstmals belegen, wie Jeffrey Epstein auch versuchte, Frauen aus dem deutschsprachigen Raum anzuwerben. Eine von ihnen hat mit dem ZDF gesprochen.
19.12.2025 | 2:50 minAuch heute noch erinnern sich die zwei Hamburger Schwestern an den Tag, als sie vor dem New Yorker Townhouse des Finanziers Jeffrey Epstein standen. Es war im Juli 2006. Sie erinnern sich an die steinerne Fassade des beeindruckenden siebenstöckigen Hauses in Manhattan und an die Initialen "J E" an der Haustür - das erzählt Lea Hellingsen im Gespräch mit ZDF frontal.
Sie war damals 16 und ging noch zur Schule. Lea und ihre zwei Jahre ältere Schwester, Sophie, heißen eigentlich anders. ZDF frontal konnte ihre Identität prüfen - ein Interview war allerdings nur unter der Zusicherung der Anonymität möglich.
Jeffrey Epstein gilt damals als wichtiges Mitglied der New Yorker Elite, als Finanzmogul mit besten Kontakten - vom ehemaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton bis zum britischen Ex-Prinzen Andrew. Heute weiß man: Epstein leitete einen Missbrauchsring - und an diesem Tag im Sommer 2006 hat er mutmaßlich die beiden Schwestern aus Deutschland im Visier.
Trotz Spekulationen um den Epstein-Skandal wird es gegen Prinz Andrew keine strafrechtlichen Ermittlungen geben. Die Londoner Polizei sieht keine Hinweise auf strafbares Verhalten.
14.12.2025 | 0:32 minLeak mit ungeschwärzten E-Mails von Epstein
Die Hamburger Schwestern machten nach dem Treffen noch Fotos von sich - leicht bekleidet: in Shorts und Tanktop. Denn er soll ihnen eine Modelkarriere angeboten haben. Sie schickten sie per E-Mail als "Bewerbungsbilder". Die Fotos gingen an eine mutmaßliche Assistentin von Epstein, die wiederum einige davon an ihn selbst weiterleitete. Diese E-Mail ist in einem Leak zu finden, das ZDF frontal vorliegt.
Es handelt sich um 20.000 ungeschwärzte E-Mails von 2002 bis 2019, sowie Anhänge und digitale Dokumente aus dem persönlichen Postfach des Sexualstraftäters. Das Leak stammt von der Whistleblowerorganisation Distributed Denial of Secrets (DDoSecrets), das Data and Research Center (DARC) hat sie für ZDF frontal und den SPIEGEL durchsuchbar gemacht.
Mithilfe der E-Mails lässt sich zeigen, wie Jeffrey Epstein seinen Missbrauchsring aufbaute, sowie erstmals, wie er auch versuchte, Mädchen und Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzuwerben. Zudem belegt das Leak, wie weit der Manager sein Netz an Beziehungen auswarf und pflegte.
In der Affäre um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein haben US-Kongressabgeordnete Bilder veröffentlicht, auf denen unter anderem Donald Trump mit leicht bekleideten Frauen zu sehen ist.
12.12.2025 | 0:40 minModel-Versprechen und Visitenkarte
Einige Tage vor ihrem Besuch bei Epstein, erzählen die beiden Hamburgerinnen, sprach sie eine Frau beim Frühstück in Manhattan an. Sie lobte den "europäischen Look" der Schwestern und überreichte ihnen eine Visitenkarte von Jeffrey Epstein. Er könne sie, so das Versprechen, zu erfolgreichen Models bei der Unterwäschemarke Victoria’s Secret machen, erzählt Lea Hellingsen heute.
"Das ist so eine Szene, die kennt man ja eigentlich nur entweder vom Hörensagen oder aus dem Fernsehen", sagt sie im Gespräch mit ZDF frontal.
Dass ein Booker vorbeikommt, eine Visitenkarte in die Hand drückt und sagt: Schau doch mal vorbei, du würdest extrem gut passen.
Lea Hellingsen
Auch die Schwestern erfuhren erst Jahre später, dass Jeffrey Epstein zahlreiche junge, teils noch minderjährige Mädchen systematisch missbraucht hatte. 2008 musste er wegen Prostitution Minderjähriger eine 13-monatige Haftstrafe absitzen. Selbst danach war er jedoch gesellschaftlich nicht geächtet und der Missbrauch ging weiter. Im Sommer 2019 wurde er erneut verhaftet. Wenige Tage später, noch vor Prozessbeginn, beging er in einer New Yorker Gefängniszelle Suizid.
Seitdem forderten Politiker, Ermittlungsakten und Protokolle zu dem Fall für die Öffentlichkeit freizugeben. Das US-Justizministerium veröffentlichte am Freitag einen Teil der Unterlagen.
Die Veröffentlichung der Epstein-Akten könnte zeigen, welche Rolle US-Präsident Trump in dem Missbrauchsskandal gespielt hat. Trump versuchte die Freigabe monatelang zu verhindern.
19.11.2025 | 1:41 minEpstein lud eine der Deutschen nach Südamerika ein
Die Schwestern - so erzählen sie heute - riefen die Nummer auf der Visitenkarte an und einige Tage später folgten sie der Einladung des Multimillionärs. Epstein empfing sie an jenem Sommertag 2006 in seinem Büro im mittlerweile berüchtigten Townhouse, erzählt Lea.
Jeffrey Epstein habe ihnen dort, nach einem rund zweistündigen Gespräch und einem kurzen "Model-Walk" zwischen Schrank und Sesseln, eine mögliche Karriere als Models versprochen. Unter anderem habe er behauptet, er könne sie bei Victoria’s Secret "platzieren", schildert Lea im Interview.
Victoria’s Secret betonte 2019 gegenüber der "New York Times", Epstein sei ihrer Kenntnis nach nie bei dem Unternehmen angestellt gewesen - und sei nie autorisiert gewesen, die Firma zu vertreten. Auf eine ZDF-Anfrage reagierte der Konzern nicht.
Die ältere Schwester erzählt, Jeffrey Epstein habe ihr im Nachgang des Treffens angeboten, mit ihm für eine "Fashion Week" nach Südamerika zu fliegen. Dieses vermeintlich erste Jobangebot, das sie von Epstein erhielt, habe sie abgesagt.
Neu veröffentlichte Aufnahmen geben Einblicke in die karibische Privatinsel von Jeffrey Epstein, wo dieser seine Opfer missbraucht haben soll.
04.12.2025 | 1:02 minDeutsche über Epstein: "Hätte ganz anders ausgehen können"
"Ich kann mir schon vorstellen, wenn man in einer prekären Lage ist oder nicht gerade weiß, wohin, dann wird man mit so einem Angebot gelockt", sagt Lea Hellingsen.
Der große Erfolg, der Ruhm und das Geld - man denkt dann sicherlich mehr drüber nach, alles liegenzulassen und sein Ziel oder seinen Traum zu verfolgen.
Lea Hellingsen
Beide Hamburgerinnen betonen, dass Epstein sich ihnen gegenüber nicht anstößig verhalten hätte - weder durch Blicke, Bemerkungen oder die Bitte, sich auszuziehen oder ihn zu massieren. "Was uns allerdings bewusst geworden ist, dass es ganz anders hätte ausgehen können," erzählt die jüngere Schwester im Interview mit ZDF frontal. "Und wir sind auch froh darüber, dass es nie so weit kam."
Von einer Österreicherin forderte Epstein Nacktfotos
Von einer jungen Österreicherin forderte Epstein dagegen laut den ZDF frontal vorliegenden E-Mails Nacktbilder, ebenfalls im Sommer 2006. Einer weiteren jungen Europäerin zahlte er teure Studiengebühren für eine Tanzausbildung. Im Gegenzug wurde sie immer wieder in die USA eingeflogen, wo es mutmaßlich zu sexuellen Kontakten zwischen Epstein und ihr kam. Das legen die vorliegenden E-Mails zumindest nahe. Beide Frauen reagierten auf Anfragen von ZDF frontal nicht.
Insgesamt sind laut FBI und US-Justizministerium mehr als 1.000 Frauen zu Epsteins Opfer geworden. Die meisten mächtigen Freunde, Wegbegleiter und Bekannte Epsteins wollen von diesem systematischen Missbrauch nichts mitbekommen haben.
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