Epstein-Überlebende gewinnen, Donald Trump verliert

Analyse

Kommen jetzt alle Akten ans Licht?:Epstein-Überlebende gewinnen, Donald Trump verliert

von Beatrice Steineke, Washington, D.C.

|

Die Abstimmung im Kongress, die der US-Präsident lange verhindern wollte, ist ein Erfolg für Epstein-Überlebende. Er zeigt: Trump kann die Reihen hinter sich nicht schließen.

Epstein-Betroffene halten Pressekonferenz vor dem US-Kongress

"Das bin ich, als ich Jeffrey Epstein traf" - die Überlebende Haley Robson hält ein Foto von sich hoch, wie sie war, bevor sie Jeffrey Epstein traf.

Quelle: AFP

Sie waren 14, 16 oder 17 Jahre alt. "Das bin ich, als ich Jeffrey Epstein traf" - in einem Video halten erwachsene Frauen Fotos von sich hoch. Zu sehen: lachende und fröhliche junge Mädchen, bevor sie in eine Welt hineingezogen wurden, in der sie jahrelang missbraucht wurden. Sie sehen sich nicht als Opfer, sie sind Überlebende.

Manche der über tausend Betroffenen kämpfen seit den 90er Jahren um Aufklärung. Sie wollen Gerechtigkeit für ihr Leid und Strafen für die Verantwortlichen im Umfeld des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein und seiner Komplizin Ghislaine Maxwell.

Einige von ihnen geben offen zu, sie hätten Donald Trump 2024 aus einem Grund gewählt: Er hatte im Wahlkampf angekündigt, dass er sich eine Veröffentlichung der Epstein-Akten vorstellen kann. Im Amt blockte er immer wieder ab, spielte es als demokratischen "Schwindel" herunter - bis die gestrige Abstimmung im US-Kongress ihn in seine eigene Falle tappen ließ.

House To Vote On Release Of Epstein Files

Das US-Repräsentantenhaus und der Senat haben für die Freigabe der Epstein-Files gestimmt. Wie gefährlich wird die Freigabe der Akten am Ende für den US-Präsidenten?

19.11.2025 | 2:21 min

US-Kongress macht Weg frei für Veröffentlichung

Während im US-Repräsentantenhaus die Abgeordneten nach und nach ihre Stimme abgeben, schauen Überlebende von den Besucherrängen aus zu. Minute für Minute werden es mehr Ja-Stimmen. 427 Republikaner und Demokraten stimmen am Ende für den Gesetzentwurf - eine so überwältigende Mehrheit. Später gibt es auch grünes Licht aus der zweiten Kammer, dem Senat.

Nun steht fest: Das Epstein-Akten-Transparenz-Gesetz (Epstein Files Transparency Act) wird auf dem Schreibtisch des US-Präsidenten landen.

Laut Gesetzestext soll Justizministerin Pam Bondi "nicht später als 30 Tage nach Verabschiedung" des Gesetzes "alle nicht als geheim eingestuften Aufzeichnungen, Dokumente, Mitteilungen und Ermittlungsmaterialien, die sich im Besitz des Justizministeriums befinden" veröffentlichen. Dies gilt ebenfalls für Unterlagen der Bundespolizei FBI und der Staatsanwälte.

Das umfasst Dokumente zu dem verurteilten Sexualstraftäter Epstein, der bis zu seinem Tod in einer New Yorker Gefängniszelle 2019 jahrelang Mädchen und junge Frauen missbraucht und an Prominente vermittelt haben soll.

Zudem sollen Akten über seine Komplizin Ghislaine Maxwell öffentlich gemacht werden, die seit ihrer Verurteilung 2022 eine 20-jährige Haftstrafe absitzt. Maxwell hatte im Prozess detailliert über Epsteins Beziehungen zu Größen aus Politik und Gesellschaft berichtet. Vermutet wird allerdings, dass die Akten eine noch größere Verstrickung Prominenter zeigen, womöglich auch von Präsident Trump.

Nicht veröffentlichen muss Justizministerin Bondi laut dem Gesetzestext Informationen, die die Privatsphäre der Missbrauchsopfer einschränken, oder aber Bilder und Videos von Missbrauch. Die Namen und andere Angaben zu den Opfern dürften demnach geschwärzt werden, wie es bisher bereits bei veröffentlichten Dokumenten der Fall war. Ausnehmen kann Bondi zudem Material, das "eine aktive Bundesuntersuchung oder laufende Strafverfolgung gefährden würde".

Quelle: AFP


Verliert Trump den Rückhalt seiner Partei?

Das hatte Trump so nicht geplant. Immer wieder wollte er eine Mehrheit für diese Abstimmung verhindern. So rief er republikanische Abgeordnete, die vorab ihre Zustimmung bekannt gaben, zu sich ins Weiße Haus - bis der Druck so groß wurde, dass er keine Wahl mehr hatte und seine Partei schließlich aufforderte, dafür zu stimmen.

Es ist das erste Mal, dass es einen Widerstand von Republikanern gegen Donald Trump in der zweiten Amtszeit gibt, erklärt Politikanalystin Laura Rodriguez. Sie hält es für möglich, dass sich nun mehr Republikaner gegen ihn stellen könnten - auch bei anderen politisch schwierigen Themen.

Wir werden vielleicht nicht viele solcher Fälle sehen, aber ich denke, dies zeigt, dass er nicht unbedingt so mächtig ist, wie viele Leute dachten.

Laura Rodriguez, Center for American Progress



Breite Basis für die Veröffentlichung der Akten

Dass eine Mehrheit mehr Informationen, mehr Unterlagen, mehr Transparenz im Fall Epstein befürwortet, nutzte Trump im Wahlkampf noch für sich. Seit Amtsantritt kocht das Thema jedoch immer wieder hoch. Zuletzt gaben 70 Prozent der befragten US-Bürger in einer Reuters/Ipsos-Umfrage an, die Regierung halte Informationen über Epsteins "Kunden" zurück.

SGS Bates-Leifert

Der Druck auf Trump aus der eigenen Partei ist mittlerweile zu groß im Fall Epstein – bemerkenswert, da die Republikaner ihm sonst blind folgen, so Claudia Bates in Washington.

19.11.2025 | 1:49 min

Der republikanische Abgeordnete Thomas Massie war einer der ersten, der die Abstimmung im US-Kongress befürwortete und die Vorlage mit einem Demokraten ausarbeitete. Am Tag der Abstimmung kritisierte er Trump und den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson:

Sie erkannten, dass dies die Mehrheit gefährden könnte, wenn sie sich buchstäblich auf die Seite von Pädophilen und Vergewaltigern stellen würden.

Thomas Massie, rep. Abgeordneter im Repräsentantenhaus

Massie und seine Parteikollegin Marjorie Taylor Greene sprachen bereits am Dienstagmorgen (Ortszeit) auf der Pressekonferenz der Epstein-Überlebenden. Die radikale MAGA-Anhängerin Greene - die Trump zuletzt als "Verräterin" bezeichnete - nutzte ihren Auftritt erneut, um öffentlich den Bruch zum US-Präsidenten zu zelebrieren.

Für MAGA-Anhänger sei es besonders schmerzlich zu sehen, wie sich die Causa um die Epstein-Akten zu einem Kampf entwickelt habe, der drohe, die Bewegung auseinanderzureißen. Trumps Kritik an ihr entgegnete sie:

Ein Verräter ist ein Amerikaner, der fremden Ländern und sich selbst dient. Ein Patriot ist ein Amerikaner, der den Vereinigten Staaten von Amerika und den Amerikanern dient, wie die Frauen, die hinter mir stehen.

Marjorie Taylor Greene, rep. Abgeordnete im Repräsentantenhaus

david-sauer

"Trump ist es nicht gelungen, die Partei auf Linie zu bringen", sagte ZDF-Korrespondent David Sauer vor der Abstimmung.

18.11.2025 | 2:28 min

Werden jetzt alle Akten veröffentlicht?

Sobald Donald Trump den Gesetzentwurf unterschrieben hat, hat das Justizministerium 30 Tage Zeit, um "alle nicht als geheim eingestuften Aufzeichnungen, Dokumente, Mitteilungen und Ermittlungsmaterialien, die sich im Besitz des Justizministeriums befinden" zu veröffentlichen.

Eine Taktik könnte jedoch alles verzögern. Bei laufenden Ermittlungen kann das Justizministerium Akten unter Verschluss halten. Bereits am Freitag hatte Trump zu Ermittlungen etwa gegen Ex-Präsident Bill Clinton aufgerufen. Davon geht Julie K. Brown, die seit Jahren zum Fall Epstein recherchiert, aus.

Jetzt werden sie die Karte 'laufende Ermittlungen' ausspielen, um wahrscheinlich Material zurückzuhalten.

Julie K. Brown im CNN-Interview

Seit Jahren bestreitet Donald Trump, dass er nichts mit den Machenschaften von Epsteins Missbrauchsring und mit Menschenhandel zu tun hatte. Er sei zwar mit Epstein befreundet gewesen, habe aber nie Sex mit Minderjährigen gehabt. Bereits vor der Abstimmung kündigte er an, dass er den Gesetzentwurf unterschreiben würde - und nicht von seinem Veto-Recht Gebrauch machen werde. Hält er sein Wort?

Es gibt Wege, die Veröffentlichung der Akten noch Monate hinauszuzögern. Trump könnte sie nutzen.

Doch sein größter Verlust ist, dass offen sichtbar wurde: Nicht mehr alle Republikaner stehen bei jedem Thema hinter ihrem Präsidenten. Geschlossene Reihen in der republikanischen Partei sehen anders aus.

Einige Epstein-Überlebende gaben Trump einst ihre Stimme. Ihre Unterstützung hat jetzt nicht mehr er, sondern die Republikaner, die sich gegen den Präsidenten gestellt haben.

Beatrice Steineke ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington, D.C.

Quelle: mit Material der AFP

Mehr zur Epstein-Affäre

  1. US-Präsident Trump bei McDonald's Impact Summit

    Wachsende Unzufriedenheit in den USA:Trumps Zustimmungswerte sinken

    mit Video

  2. Das Gebäude des Kapitols in der Nacht
    FAQ

    Trump muss noch unterzeichnen:US-Kongress billigt Freigabe von Epstein-Akten

    Katharina Schuster, Washington D.C.
    mit Video

  3. Republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene spricht auf einer Pressekonferenz mit Demokraten und Betroffenen zu Epstein-Akten.

    Von der Vertrauten zur "Verräterin":Diese Republikanerin fordert Trump heraus

    Beatrice Steineke, Washington, D.C.

  4. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton spricht während der Clinton Global Initiative in New York

    Justiz leitet Ermittlungen ein:Epstein-Affäre: Donald Trump lenkt Fokus auf Bill Clinton

    mit Video

  5. Trump und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein auf dem Turm des Schlosses Windsor - eine von mehreren Protestaktionen gegen den Staatsbesuch.

    Epstein-Affäre:Neue E-Mails belasten Donald Trump: Was wir wissen

    von Jan Schneider
    mit Video