Huotari im ZDF: Warum China und Indien keine neue Weltachse sind

Interview

China-Experte Huotari im ZDF:Warum China und Indien keine neue Weltachse sind

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China und Indien demonstrieren Einigkeit. Das sei taktische Annäherung, so China-Experte Huotari. Auf dem Peking-Gipfel zeige sich eine "Interessengemeinschaft der Autokraten".

Schaltgespräch Slomka Huotari

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02.09.2025 | 4:46 min

Chinas Präsident Xi Jinping, Russlands Präsident Wladimir Putin, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Indiens Präsident Narendra Modi haben sich in einem demonstrativen Schulterschluss in Peking getroffen. Das Treffen gilt als Zeichen der Solidarität mit den Ländern, die vom Westen wegen ihrer Rolle im seit dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine international isoliert werden.

Indien und China nähern sich derzeit wieder an. Ein bemerkenswerter Wandel, wenn man bedenkt, dass das Verhältnis der beiden Länder lange Zeit von tiefem Misstrauen und ernsten Konflikten geprägt war. Mikko Huotari, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien, betont im Interview mit dem ZDF heute journal, dass dies keine neue geopolitische Achse sei, sondern vielmehr eine vorsichtige Normalisierung:

Das sind Akteure, die sich wieder annähern. Das ist eine Normalisierung der Beziehung. In der Tat seit vielen Jahren [herrschte] eigentlich fast eine Eiszeit zwischen den Ländern […]. Das ist eine taktische Annäherung.

Mikko Huotari, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien

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Im Interview mit dem ZDF betont Huotari, dass ...

... Indien ein "Multi-Alignment-Spiel" spielt

Er verweist auf strategisches Misstrauen und sicherheitspolitische Spannungen, die nach wie vor bestünden, und fügt hinzu, dass der Druck aus den USA zwar eine Rolle spiele, der indische Premierminister Modi aber auch ohne diesen Einfluss am Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit teilgenommen hätte.

Manche Beobachter führen die Annäherung auf Trumps Zollpolitik zurück, doch laut Huotari verfolge Indien grundsätzlich einen pragmatischen Ansatz: "Indien spielt da ein sogenanntes Multi-Alignment-Spiel. Die wollen mit allen gut können, überall pragmatische, interessegeleitete Beziehungen haben."

Dabei habe das Land ernsthafte Konflikte mit China zwar beiseitegeschoben, aber keineswegs gelöst.

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... es sich um eine Interessensgemeinschaft der Autokraten handelt

Laut Huotari handelt es sich in erster Linie um eine "Interessensgemeinschaft der Autokraten. Vielleicht mit der Ausnahme Modi." Das Verhalten des indischen Premiers sei sorgfältig abgestimmt: "Heute auf dem Gipfel ist er präsent, spricht, lacht, auf der Bühne, aber morgen bei der Parade, wo es um das Ende des Zweiten Weltkriegs geht […] da ist dann Modi nicht mehr präsent und schließt sich auch nicht der chinesischen Seidenstraßen-Initiative an."

Modi agiere strategisch und pragmatisch. "Das ist sehr gut kalibriert, da wo man gemeinsame Interessen in der Region hat, wo es den Interessensausgleich braucht, wo man China auch braucht, spielt man zusammen." Zugleich mache Indien aber auch klar, dass es Chinas Weltordnung nicht übernimmt:

Modi würde sich nicht der Vision der Weltordnung eines Pekinger Machthabers dort anschließen.

Mikko Huotari, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien

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... die Parade als Drohkulisse diene

Die für Mittwoch geplante Militärparade auf der Straße des Himmlischen Friedens sei weit mehr als nur ein symbolischer Akt. Es handle sich dabei um eine bewusste Machtdemonstration gegenüber dem Westen. Aus seiner Sicht werde dabei Geschichte gezielt instrumentalisiert. "Man will sich da nach innen natürlich Loyalität beschaffen. Beide haben wirklich tiefe Leidensgeschichten, die sie da aufarbeiten, auch Legimität nach außen."

Mit einer groß angelegten Militärparade will China am 3. September an den 80. Jahrestag des Sieges über Japan im Zweiten Weltkrieg erinnern. Die Volksbefreiungsarmee wird neue Waffensysteme präsentieren - eine Machtdemonstration von Peking, das im Südchinesischen Meer oder in der Taiwanstraße immer aggressiver auftritt. Insgesamt erwartet China Staats- und Regierungschefs aus 26 Ländern, unter anderem den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Aus Europa sollen nach chinesischen Angaben unter anderem Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico anreisen.


Darüber hinaus diene die Parade als Drohkulisse, vor allem gegenüber Washington, Tokio, Taipeh und den angrenzenden Staaten. Es gehe darum, Chinas militärische Stärke unmissverständlich zur Schau zu stellen. "Und dann ist es schon 'ne Bühne für Blockbildung", erklärt er weiter.

Besonders die gemeinsame Präsenz von Putin, Xi und Kim Jong-Un auf dem Tiananmen-Platz werte er als eindeutiges Zeichen:

Das ist ein deutliches Zeichen an den Westen, dass hier wirklich wieder mit Macht auch zu rechnen ist, aus dem Osten.

Mikko Huotari, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien

Das Interview führte Marietta Slomka, zusammenfasst hat es Katharina Schuster.

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