Streit ums Wasser aus dem Nil:Äthiopien eröffnet Afrikas größten Staudamm
Äthiopien will mit seinem Riesen-Staudamm wirtschaftlich vorankommen. Der Sudan und Ägypten sehen in dem Projekt keinen Grund zum Feiern. Beide brauchen das Wasser aus dem Nil.
Der "Grand Ethiopian Renaissance Dam" ist mehr als ein Prestigeprojekt. Er soll Strom für Millionen Menschen liefern, sorgt aber auch für Streit mit Nachbarstaaten Äthiopiens.
09.09.2025 | 2:33 minSchon sein Name ist Programm: Der GERD - der Great Ethiopian Renaissance Dam - ist ein Projekt, hinter dem sich ganz Äthiopien vereint. Die Nation wird "wiedergeboren" heißt es - nach jahrelangen innen- und außenpolitischen Konflikten und Kriegen sind Äthiopierinnen und Äthiopier stolz auf das, was da im Norden ihres Landes geschaffen wurde. Ein Staudamm der Superlative: 145 Meter hoch, 1,8 Kilometer lang und ein Reservoir von rund 74 Milliarden Kubikmeter Wasser.
Keine internationale Unterstützung
Äthiopiens Bevölkerung hat den Damm weitestgehend selbst finanziert. Beamte verzichteten auf ganze Monatsgehälter, Andere kauften Staatsanleihen, die als Zertifikate stolz in ihren Wohnzimmern hängen. Wegen der sensiblen Beziehungen zum Sudan und Ägypten gab es keine internationale Unterstützung - etwa durch die Weltbank. So baute Äthiopien den Damm überwiegend aus eigenen Mitteln.
16 Turbinen sollen bis zu 6000 Megawatt Leistung erzielen. Das Wasserkraftwerk GERD liegt in Äthiopien und staut das Wasser des Blauen Nils. Mitri Sirin erklärt am 3D-Modell im Nachrichtenstudio
09.09.2025 | 0:39 minÄgypten und der Sudan beanspruchen Nilstrom
Doch dieser Kraftakt war jahrelang begleitet von Streit und einer Frage: Wem gehört das Wasser des mächtigen Nilstroms? Über Jahrzehnte wurde es in Verträgen vor allem Ägypten und dem Sudan zugesprochen, Äthiopien ging leer aus. Dabei entspringt dort der wasserreiche Blaue Nil, der sich später mit dem Weißen Nil vereint und durch Ägypten ins Mittelmeer fließt.
Die Dürremonate nehmen zu, in manchen Großstädten herrscht bereits Wasserknappheit, ganze Regionen trocknen aus, wenn Nachbarstaaten Dämme bauen.
03.08.2023 | 29:40 minTatsächlich ist das Land der Pharaonen zu mehr als 90 Prozent bei der Wasserversorgung von dem Riesenstrom abhängig. "Ägypten ist der Nil, und der Nil ist Ägypten": dieser Satz fast aller Präsidenten Ägyptens muss für Äthiopien wie Hohn klingen, denn der Anrainerstaat am Oberlauf des Nils trägt mit seiner Quelle wesentlich zu dieser Wasserversorgung bei.
Streit um Nilwasser schwelt schon lange
2011 hatte Äthiopiens damaliger Premierminister Meles Zenawi mit dem Bau von GERD begonnen und damit einen jahrelangen Streit entfacht. Ägypten und der Sudan tobten, die Vereinten Nationen wurden eingeschaltet - und Äthiopien baute unverdrossen weiter. Nun ist das Megaprojekt fertig, und Äthiopiens jetziger Präsident Abiy Ahmed kann damit stolz von innen- und außenpolitischen Problemen ablenken.
Immer wieder formulierte Ägyptens Präsident al-Sisi die Ängste, Äthiopien könne seinem Land buchstäblich "den Hahn abdrehen" und kein Wasser mehr fließen lassen.
"Die regionalpolitische Dimension des Konflikts ist real und berührt überlebenswichtige Interessen beider Länder, deren Gewicht mit dem Klimawandel und steigendem Bevölkerungsdruck nur noch zunehmen wird," sagt Ulf Terlinden, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung für das Horn von Afrika.
Die Kontrolle des Nilwassers und des Suezkanals sind die wichtigsten ägyptischen Interessen. Da wird langfristig gedacht und jede politische Bedrohung sehr ernst genommen.
Ulf Terlinden, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung für das Horn von Afrika
Ohne Nil kein Ägypten: er ermöglicht Landwirtschaft, Bevölkerungswachstum, Wohlstand. Doch der Klimawandel verschärft die Wasserknappheit und ein Streit mit Äthiopien kocht hoch.
29.08.2023 | 16:55 minNoch hat der Nil genug Wasser, die Regenfälle sind ausreichend. Doch was, wenn es zu Dürreperioden kommt? "Es ist durchaus möglich, dass es zu einer mehrjährigen Dürre kommen könnte, und das könnte dann in Ägypten für Probleme sorgen", sagt Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Dann nämlich, wenn Äthiopien Strom erzeugen möchte und möglicherweise deutlich weniger Wasser durch den Staudamm fließen sollte, und das dann eben auch Ägypten erreicht.
Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik
Folgen für Ökosystem, Gewinn für äthiopischen Tourismus?
Ein Szenario mit vielen "Wenns". Umweltexperten aber sind sich in Einem einig: Der Staudamm wird in jedem Fall das Ökosystem verändern. Aus dem Nil, einem Fließgewässer, wird ein stehendes Gewässer - das hat Auswirkungen auf Pflanzen- und Tierwelt. Äthiopiens Präsident Abiy Ahmed träumt dagegen schon von einem Touristen Hotspot. Kleine exklusive Inseln im riesigen Staudamm-See. An seiner Infrastruktur muss das Land am Horn von Afrika allerdings noch arbeiten. Nur ausgewählte Gäste dürfen zur Eröffnung anreisen. Offizielle Begründung: Es gebe zu wenig Unterbringungsmöglichkeiten.
Susann von Lojewski ist Leiterin des ZDF-Studios Nairobi.
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