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Analyse
Ausschluss vom Staatsdienst?:AfD rät ihren Mitgliedern zur Mäßigung
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Mehrere Bundesländer wollen Lehrer oder Polizisten mit AfD-Parteibuch vom Staatsdienst fernhalten. Die Partei gibt ihren Mitgliedern einen Rat - und will sich auch sonst mäßigen.
Die AfD will an die Macht, hat sich aber in eine womöglich ausweglose Lage manövriert. Das zeigen mehrere Papiere, die ZDFheute vorliegen.
Quelle: dpa/Sebastian Gollnow
"Alice ins Kanzleramt" - das ist das erklärte Ziel der AfD und genau so steht es auf der letzten von insgesamt 55 Folien einer Präsentation mit dem Titel "Einleitung des Strategieprozesses", die am vergangenen Wochenende auf der Klausur der AfD-Bundestagsfraktion präsentiert wurde und die ZDFheute vorliegt.
Allerdings gilt es, noch einige nicht ganz niedrige Hürden zu überwinden. Zum Beispiel die Brandmauer: Die anderen Parteien weigern sich, mit der AfD zu koalieren, weil die Partei vom Bundesverfassungsschutz - eine weitere Hürde - als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird.
Seit der gerichtlich noch nicht bestätigten Hochstufung zur gesichert rechtsextremistischen Partei läuft die Debatte um ein mögliches Parteiverbot wieder hoch. Hürde Nummer drei.
Rheinland-Pfalz: Keine AfD-Mitglieder mehr im Staatsdienst
Das setzt die AfD massiv unter Druck. Die Sorge ist groß, dass zum Beispiel Beamte die Partei nun aus Angst um ihren Job verlassen. Rheinland-Pfalz etwa stellt künftig keine AfD-Mitglieder mehr als Beamte ein. Bewerber müssen künftig bereits im Einstellungsverfahren erklären, dass sie keiner extremistischen Organisation angehören. Dazu gehöre auch die AfD.
Auch andere Länder planen eine derartige Regel, wie der "Spiegel" berichtet. Erst diese Woche erhielten alle Parteimitglieder eine Mail mit einer "Handreichung für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst zu den Folgen einer Einstufung der AfD als 'gesichert rechtsextremistisch'". Darin findet sich unter anderem dieser Ratschlag:
Differenzieren Sie in Ihrer Wortwahl und bleiben Sie mit Ihren Äußerungen im verfassungskonformen Bereich.
Handreichung aus AfD-Mail, die ZDFheute vorliegt
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Nicht nur für Beamte.
AfD will "an die Fleischtöpfe"
Auch im schon erwähnten Strategieprozess nehmen die Hochstufung und ein drohendes Verbot Raum ein. Durch die Hochstufung, so ist auf Folie Nummer acht zu lesen, sei die Zustimmung in der Bevölkerung für ein Verbot gewachsen. Als Beleg dienen Balkendiagramme, erstellt aus Umfragen.
"Wie gelangen wir an die Fleischtöpfe?" Diese Frage wird nüchtern, analytisch und fein strukturiert durchdekliniert. Wie begeistert man etwa die Bevölkerungsgruppen, die die AfD derzeit nicht wählen? Laut Präsentation sind das die über 60-Jährigen, Frauen, Akademiker, Großstädter und konfessionelle Christen, vor allem im Osten.
Wie die AfD Schwarz-Rot spalten will
Eine Strategie lautet: die Brandmauer stürzen, indem man "Schwarz-Rot spalte". Erstens, indem man stark auf Polarisierung zur Linkspartei setze und damit SPD und Grüne nach links zwinge. Zweitens müsse man die Gegensätze zwischen Union und SPD unüberbrückbar und drittens, "der Union den Markenkern Soziale Marktwirtschaft streitig" machen. Und außerdem ganz generell die Wählergruppen der Union ansprechen.
Dazu passt ein weiteres Papier, das auf der Fraktionsklausur verabschiedet wurde. Überschrift: "Verhaltenskodex der AfD-Fraktion". Es ruft unter anderem zu einem "gemäßigten Auftreten im Parlament" auf. Zwischenrufe aber, heißt es in einem weiteren auf der Klausur behandelten Papier, gehörten zum demokratischen Streit im Plenum und seien sogar ausdrücklich erwünscht.
Bisher keine Mäßigung im Parlament
In der vergangenen Legislaturperiode führte die AfD die Liste der im Bundestag erhaltenen Ordnungsrufe an. Nicht ganz uninteressant: Das Papier mit der Überschrift "Verhaltenskodex im Parlament" hat Parteivize Stephan Brandner erarbeitet. Auf Brandners Konto gehen nach der Statistik des Bundestagspräsidiums die meisten Ordnungsrufe zurück.
Angesprochen auf diese Diskrepanz, greift der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, auf das in seiner Partei gängige Hilfsmittel zurück, sich als Opfer von Verschwörungen zu inszenieren: Er gehe davon aus und glaube, es sei auch belegbar, "dass es bei uns nicht mehr Übertretung gibt, faktisch, als bei anderen". Und weiter:
Ich weigere mich, diese offiziellen Statistiken anzuerkennen, die dieses Präsidium in Hinterzimmern fertigt.
Bernd Baumann, AfD
Weidel gibt sich gedämpft im Bundestag
Auf der einen Seite will die AfD also seriös beziehungsweise seriöser erscheinen, verordnet sich einen strategischen Prozess, behauptet aber auf der anderen Seite, es bereits zu sein, und verknüpft diese Behauptung mit einer Verschwörungserzählung.
In diese offensichtliche Orientierungslosigkeit zwischen Sein und Wollen passt auch der Auftritt von AfD-Chefin Alice Weidel in der Generaldebatte im Bundestag.
Als Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion durfte sie als Erste reden. Auffällig langsam und gedämpft trug sie ihre Rede vor, sich des Gebots der Mäßigung also anscheinend gewahr.
Klöckner droht Weidel mit Rauswurf
Allerdings hielt sie dies inhaltlich nicht lange durch. Ihre Bezeichnung von Friedrich Merz als "Lügenkanzler" machte ebenso Schlagzeilen wie die spätere Drohung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Weidel des Saales zu verweisen.
Weidel hatte Unionsfraktions-Chef Jens Spahn mehrfach unterbrochen - mit Zwischenrufen. Ob man so an die Unionswähler, die man im bürgerlichen Lager verortet, herankommt und dem Kanzleramt, der Macht, dadurch näher? Eher fraglich.
Nicole Diekmann leitet das Ressort AfD im ZDF-Hauptstadtstudio.
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