Wildtiere in der Stadt: Mehr Sichtungen in Deutschland?

Nach angeblicher Puma-Sichtung:Warum die Menschen immer mehr Wildtiere sehen

von Christoph Gocke
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Mit Drohnen wurde in Sachsen-Anhalt nach einem Puma gesucht, es war aber wohl nur eine große Katze. Gibt es mehr Wildtiersichtungen, vor allem im Sommer? Eine Expertin klärt auf.

Interview mit Wildtierökologin Dr. Sophia Kimmig
Dr. Sophia Kimmig ist Wildtierökologin. Sie erklärt, wie es zu Verwechslungen von Wildtieren mit Haustieren kommen kann, wie bei der angeblichen Puma-Sichtung in Sachsen-Anhalt.18.06.2025 | 8:47 min
Immer öfter kursieren Videos von Wildtieren, oft in oder am Rande von Ortschaften: Waschbären auf Balkonen, Füchse auf Schulhöfen, Rehe am Supermarktparkplatz. Sind das Einzelfälle, mediale Übertreibung - oder steckt mehr dahinter?

Puma-Sichtung war eine Verwechslung

Dr. Sophia Kimmig, Wildtierökologin im Forschungsverbund Berlin, erklärt, es gebe tatsächlich Tiere, die öfter gesehen werden, weil sie mehr geworden seien, wie Wildschweine. "Oder wir sehen Tiere, die bei uns früher kaum vorkamen, wie zum Beispiel Waschbären."
Es komme aber auch vermehrt zu Irrtümern und Verwechslungen wie jetzt im südlichen Sachsen-Anhalt, als ein vermeintlicher Puma wohl nur eine größere Katze war.
Wie kann es zu solch einer Verwechslung kommen? Menschen würden zwar Wildtiere wie Pumas zum Beispiel aus Kinderbüchern kennen. Sie seien aber oft nicht in der Lage, die Tiere bei einer Sichtung richtig zu identifizieren.
Screenshot: Puma bei Braunsbedra (Sachsen-Anhalt)
In Sachsen-Anhalt wurden Anwohner per Warnapp vor einer Raubkatze gewarnt. Die Polizei suchte nach dem Tier. Es handelte sich aber wohl um eine große Katze und nicht um einen Puma.17.06.2025 | 2:52 min
Situationen, wie die in Braunsbedra in Sachsen-Anhalt, kenne die Biologin auch aus ihrer Forschungsarbeit: "Die häufigste Verwechslung war in einem wissenschaftlichen Projekt in Berlin Hauskatze und Fuchs."

Viele hielten bei dem Projekt ihre eigene Katze auf Wildkamerabildern für einen Fuchs.

Dr. Sophia Kimmig, Wildtierbiologin

Wildtierbiologin Dr. Sophia Kimmig im Portrait.
Quelle: Marco Papajewski

... ist Wildtierökologin im Forschungsverbund Berlin. Die Biologin forscht zu Ökologie und Verhalten von Wildtieren, Stadtnatur und Mensch-Natur-Beziehung.

Mehr Meldungen von Tieren

Doch sehen wir wirklich mehr Wildtiere - oder achten wir einfach mehr darauf? Laut Kimmig beides: Vorher hätten viele Menschen einfach parallel zu den Wildtieren in der Stadt gelebt, ohne sie wahrzunehmen, "Jetzt wissen sie, dass die Tiere da sind."
Hinzu kämen die gestiegene Mobilität der Menschen, auch in der Natur, und die allgegenwärtige Handykamera. Sichtungen landeten direkt im Netz, sagt Kimmig.

Wenn früher jemand einen Fuchs gesehen hat, wussten es drei Leute. Heute sehen es tausende auf Instagram.

Dr. Sophia Kimmig, Wildtierbiologin

Es gebe immer noch dieses Bild von der Stadt als Betonwüste und dem Land als grünem Idyll - aber das entspräche nicht der Realität, erklärt die Wildtierbiologin. In der Stadt gebe es Parks, Friedhöfe, Gestrüpp - das alles seien Lebensräume für Tiere.
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Die Stadt wird zur Bühne für Wildtiere

Die Gründe für zunehmende Nähe zwischen Mensch und Tier seien vielfältig. Der Sommer spiele eine besondere Rolle: Wasserquellen für die Tiere versiegen, Nahrung werde knapp - Mülltonnen, Kompost und Haustierfutter hingegen locken. Und die Menschen seien häufiger und länger draußen.
Außerdem habe sich die Landwirtschaft in Deutschland verändert. "Durch die Agrarindustrialisierung wurden große Monokulturflächen geschaffen und damit weniger Heckensäume. Früher war die Kulturlandschaft strukturreicher und damit auch artenreicher", sagt Kimmig. Dazu komme: Manche Tiere hätten die Stadt längst als neuen Lebensraum entdeckt.
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Entwarnung beim "Puma-Alarm"

Größere Aufregung bleibt nicht aus. So bei der angeblichen Puma-Sichtung in Sachsen-Anhalt.
Sabine Werner, Raubtierpflegerin im Tierpark Dessau, beruhigt: "Ein Raubtier, das ausgebüxt wäre, würde wahrscheinlich nicht so offen durch die Landschaft spazieren, sondern wäre erst mal auf Deckung aus." Wer im Sommer einem Wildtier begegne, solle Ruhe bewahren. Die allermeisten Tiere seien weder gefährlich noch ziellos unterwegs.

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Quelle: dpa

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