August Diehl über die Herausforderung, Josef Mengele zu spielen

Kinofilm: Josef Mengele im Exil:Wie spielt man das absolut Böse, August Diehl?

von Sebastian Gorski, Berlin

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Im neuen Film "Das Verschwinden des Josef Mengele" versucht der Schauspieler August Diehl sich dem absolut Bösen zu nähern: dem "Todesengel von Auschwitz".

August Diehl steht in der Rolle des Josef Mengele vor einem Spiegel.

Blick in das Gesicht des Bösen: Für seine Rolle als NS-Verbrecher Josef Mengele versetzte sich Charakterschauspieler August Diehl in die Gedankenwelt eines Fanatikers (Filmszene).

Quelle: dpa

Es gibt Rollen, die einen Schauspieler fordern, widerspenstig sind, auf den ersten Blick wenig Strahlkraft besitzen. Für August Diehl war Josef Mengele eine solche Rolle - eine, die man nicht sucht, sondern die einen findet, und die man am liebsten ablehnen möchte.

Am Anfang habe ich gesagt, das interessiert mich nicht.

August Diehl, Schauspieler

Eine Nahaufnahme von Mengele, im Hintergrund eingefärbt Mengele in einer „lustigen“ Runde unter Offizieren, rechts hinten ein spätes Portrait.

Josef Mengele gehörte zu den grausamsten Tätern der Nazidiktatur: Der berüchtigte SS-Arzt benutzte Kinder für Menschenversuche und schickte 40.000 unschuldige Opfer ins Gas.

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Josef Mengele galt als "Engel des Todes"

Der Schauspieler, bekannt für seine präzisen, oft still glühenden Charakterzeichnungen, wollte sich nicht mit dem Mann auseinandersetzen, der als "Engel des Todes" im KZ-Auschwitz grausame medizinische Experimente an Häftlingen durchführte.

Doch die Buchvorlage "Das Verschwinden des Josef Mengele" und die Vision des Regisseurs Kirill Serebrennikov ließen ihn nicht los.

"Ja, am Anfang habe ich gedacht, bitte nicht, ich möchte mich nicht mit so jemandem beschäftigen", sagt Diehl im Interview mit dem ZDF.

Man kann ja auch als Schauspieler nicht jemanden spielen, wenn man ihn nicht verstehen will.

August Diehl, Schauspieler

Dieser Satz beschreibt den zentralen Konflikt seiner Arbeit: Wie nähert man sich einer Figur, die für das Unvorstellbare steht, ohne sie zu rechtfertigen?

Diehl schaut in die menschlichen Abgründe von Auschwitz

Diehl entschied sich, die Herausforderung anzunehmen - behutsam, tastend, aber absolut.

In dem Moment, in dem ich die Entscheidung getroffen habe, dass ich das mache, habe ich angefangen mich reinzudenken, wie es möglich wird, dass jemand wie Josef Mengele so etwas Grausames tut.

August Diehl, Schauspieler

Dieser gedankliche Prozess - von der Abscheu hin zum Versuch des Verstehens - ist das Herzstück seiner Darstellung. Diehl spielt keinen Dämon, keine Karikatur des Bösen, sondern jemanden, der sich selbst als rational denkenden, vernünftigen Menschen sieht. Genau darin liegt der Schrecken.

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Für Diehl war klar: Nur wer die menschlichen Abgründe nicht scheut, kann zeigen, wie das Böse tatsächlich funktioniert.

Das ist auch ein bisschen der Überbau für unsere Geschichte geworden, dass man Mengele auch als Mensch sieht, als jemanden, der Schwäche zeigt.

August Diehl, Schauspieler

Im neuen Film "Das Verschwinden des Josef Mengele" versucht der Schauspieler August Diehl sich dem absolut Bösen zu nähern: dem "Todesengel von Auschwitz".

Und das ist genau das, was einem so schwer fällt zu verstehen. Und zwar nicht nur für mich als Schauspieler, sondern auch für uns Menschen überhaupt. Es ist schwer, das zu akzeptieren.

August Diehl, Schauspieler

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Den Blick davon abzuwenden und zu sagen, ich will das nicht verstehen, verhindert nicht, dass es solche Menschen immer wieder gibt. Und die gibt es bis heute.

August Diehl, Schauspieler

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Für ihn ist das Spiel mit dem Unfassbaren ein moralischer Drahtseilakt. Es geht nicht darum, das Böse zu ästhetisieren - im Gegenteil.

Auch während der Arbeit war das für mich das Wichtigste, zu zeigen, dass auch das Böse etwas Menschliches ist, aber keinen Glamour hat.

August Diehl, Schauspieler

Diese Haltung durchzieht seine gesamte Interpretation der Figur Josef Mengele: Kein Pathos, keine Pose, sondern das stille, bedrückende Gesicht eines Mannes, der sich selbst in Lügen verstrickt.

... war von 1943 bis 1945 ein Lagerarzt in den Konzentrationslagern Auschwitz und Groß-Rosen (beide heutiges Polen) und Mitglied der SS. Dort führte Mengele medizinische und anthropologische Untersuchungen durch, vor allem an Juden sowie an Anghörigen der Sinti und Roma.

Er wählte unter ihnen "geeignetes medizinisches Forschungsmaterial" aus, um seine Vererbungstheorien zu testen. Sein Hauptinteresse galt dem Studium von Menschen mit körperlichen Abnormitäten sowie der Zwillingsforschung. Die Experimente endeten meist mit dem Tod seiner Opfer. Mengele selektierte wie alle SS-Ärzte in Auschwitz sowohl Neuankömmlinge an der Rampe als auch Häftlinge im Lager. Es lag in seinem Ermessen, Kinder, Kranke und Greise als nicht arbeitsfähig auszumustern und für den Tod in der Gaskammer zu bestimmen. Mengele wird häufig als "Todesengel von Auschwitz" bezeichnet.

Mit Kriegsende tauchte Mengele unter, bis er 1949 nach Südamerika floh. Wegen Kriegsverbechen wurde 1959 ein erster Haftbefehl gegen ihn erlassen, gefasst wurde er nie. Josef Mengele starb 1979 in Brasilien.

Quelle: Deutsches Historisches Museum


Serebrennikov und Diehl zeigen Mengele als das Gesicht des Bösen

Diehl spricht mit Respekt über die Zusammenarbeit mit Regisseur Kirill Serebrennikov, der für seine unkonventionellen, künstlerisch kompromisslosen Filme bekannt ist. "Und das war auch etwas, was mir ganz großen Spaß gemacht hat, einem Filmemacher zu folgen, der diese Vision hat und den Film auf eine gewisse Weise zeigen will. Das war für mich ein schönes, ein großartiges Erlebnis mit Kirill." Gemeinsam haben sie eine Figur geschaffen, die sich der einfachen Einordnung entzieht.

Katharina Teutsch

Die Buchvorlage zum Film ist "Das Verschwinden des Josef Mengele" von Oliver Guez.

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Diehl warnt davor - bei aller geschichtlichen Genauigkeit - den Film als dokumentarisches Werk zu sehen. "Vieles bleibt ein Rätsel, trotz allem, bis heute. Man kann sich so stark annähern an das Thema, wie man will, man wird nie wirklich wissen. Man kann nur versuchen zu verstehen und versuchen, dass man solche Menschen früher erkennt."

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Das ist vielleicht die wichtigste Einsicht, die dieser Film bietet: Das Böse trägt ein menschliches Gesicht - und gerade deshalb darf man es nicht vergessen.

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