Klimawandel und Küstenschutz :Warum Strandhafer ein Held der Küste ist
von Eva Hoffmann Villena
Das Wetter spielt immer häufiger verrückt. Sturmfluten bedrohen zunehmend unsere Küsten, vor allem im Herbst. Doch natürliche Schutzmaßnahmen können dem Einhalt gebieten.
Wetterextreme nehmen zu. Welche Strategien gegen Sturmfluten, Starkregen oder Hochwasser gibt es? Und wie können wir mit zu viel Wasser leben lernen?
13.11.2025 | 43:29 minAngesichts steigender Meeresspiegel müssen Deutschlands Küsten besser geschützt werden. Doch wie kann die Natur selbst dabei helfen?
Küsteningenieur Oliver Lojek von der Technischen Universität Braunschweig beschäftigt sich seit langem damit, wie naturbasierte Küstenschutzsysteme in Zukunft funktionieren können. Ein Beispiel ist Strandhafer - ein Gras, das die Widerstandskraft von Küstendünen dank seiner Wurzeln nachhaltig stärkt.
... ist seit 2020 an der TU Braunschweig am Leichtweiß-Institut für Wasserbau in Forschung und Lehre in der Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau tätig. Er entwickelt nachhaltige Küstenschutzlösungen, die natürliche Dünen, Vegetation und technische Maßnahmen verbinden, um Küsten wirksam gegen Klimawandel und Erosion zu schützen.
ZDFheute: Wie spüren Sie die Auswirkungen des Klimawandels an den Küsten?
Oliver Lojek: Durch verschiedene Forschungsprojekte hat man in den letzten zehn Jahren realisiert, dass die Küstenschutzanlagen ausgebaut werden müssen. Der Meeresspiegel steigt und damit die Herausforderungen während der Sturmflutsaison.
Der nordfriesischen Insel Pellworm droht der Untergang. 37 Grad begleitet Bewohnerinnen und Bewohner der Insel, die sich für den Erhalt ihrer Heimat einsetzen.
14.02.2023 | 28:40 minZDFheute: Welche neuen Strategien halten Sie für besonders vielversprechend?
Lojek: Küstenschutzanlagen wurden traditionell auf Lebenszeiten von 50 bis 100 Jahre ausgelegt. Da sich allerdings nun die Anforderungen stärker verändern als in den letzten 200 Jahren, muss von einem statischen Konzept eher hin zu einem anpassungsfähigen Konzept umgedacht werden.
Neben der Weiterentwicklung von Baukonzepten sehe ich ein bisher noch nicht ausgeschöpftes Potenzial bei natürlichen Küsten wie Stränden, Dünen, Salzwiesen oder Muschelriffen.
Oliver Lojek, Küsteningenieur
ZDFheute: Was verstehen Sie unter "nachhaltigem Küstenschutz"?
Lojek: In erster Instanz sollte man darauf achten, dass die Konstruktionen aus natürlichen Baustoffen wie Erde, Lehm, Sand oder Steinen bestehen. Damit werden direkte chemische Auswirkungen auf die Umwelt vermieden. Weitere Aspekte betreffen Natur und Landschaftsbild.
Im Norden Deutschlands gibt es seit jeher Deiche zum Schutz, aber der Klimawandel zwingt, anders zu bauen. Weil der Meeresspiegel steigt, werden sogenannte Klimadeiche errichtet.
09.11.2025 | 2:59 minZDFheute: Warum ist Strandhafer so bemerkenswert?
Lojek: Mich interessiert besonders, wie die Wurzeln den Sand festhalten. Sie ragen mehrere Meter tief in die Düne und bilden regelrechte Teppiche, wenn Wellen dagegen rauschen und den Sand abtragen wollen.
Der gewöhnliche Strandhafer (Ammophila arenaria) ist der natürliche Baumeister der Küstendünen. Er geht auf Sandfang, indem seine steifen Halme den Wind ausbremsen. Der mitgeführte Sand fällt zu Boden, die Düne beginnt zu wachsen. Je höher sie wächst, desto besser geht es dem Strandhafer. Er bahnt sich seinen Weg durch den Sand nach oben und gleichzeitig bildet er tief und breit reichende Wurzeln. Das dichte Wurzelgeflecht stabilisiert die Düne, indem er den Sand festhält. So verhindert er, dass die Düne von Wind und Wasser zerstört wird.
ZDFheute: Gibt es ein Umdenken innerhalb der "Küstenschutz-Branche"?
Lojek: Ja. Sehr zur Freude aller wird in den Behörden bereits stark Hand in Hand gearbeitet. Da, wo vor 30 Jahren noch der Ingenieur alleine sein Bauwerk geplant und gebaut hat, wird heute im Verbund zwischen Küstenschutz, Umweltschutz, Landschaftsplanung, Tourismus und anderen Betroffenen gesprochen bzw. geplant.
Die Küste ist wie eine Festung mit mehreren Verteidigungslinien aufgebaut
1. Das Watt und der Meeresboden sind die vorgelagerten Pufferzonen. Schon Seegraswiesen und angrenzende Wattflächen beginnen, Wellen abzubremsen. So wird die Energie der Wellen gedämpft, bevor sie den Strand erreichen.
2. Der lange und flache Strand von St. Peter-Ording ist eine sogenannte Dissipationszone oder auch Brandungszone. Die ankommenden Wellen können auslaufen, wobei sie ihre Energie durch Reibung und das Umlagern von Sand verlieren.
3. Die Hauptbarriere im Kampf gegen das Wasser sind Vordünen und Dünen. Die kleineren Vordünen werden von robusten Pflanzen wie dem Strandhafer aufgebaut und stabilisiert. Sie gelten als "Opferdeiche", da sie zwar abgetragen (erodiert) werden, so aber verhindern, dass das Wasser das Hinterland überschwemmt. Die dahinterliegenden höheren Dünen (Weiß- und Graudünen) bilden die stabile Hauptschutzlinie, die den Durchbruch des Wassers verhindert.
4. Das Hinterland mit seinen Salzmarschen oder dem Küstenwald bieten einen zusätzlichen Schutz.
ZDFheute: Woran arbeiten Sie derzeit konkret?
Lojek: Aktuell arbeite ich im EU-Projekt DuneFront, in dem Forschende europaweit Dünen sowie mögliche Verstärkungs- und Unterhaltungsmethoden erforschen. Ziel ist es, europaweit natürlichen Küstenschutz im Verbund mit Biodiversität zu denken. Dabei wird erforscht, welche Dünenformen und Pflanzen hier besonders wirksam sind.
Oliver Lojek, Experte für naturbasierte Küstenschutzsysteme in St. Peter Ording (Nordsee)
Quelle: Jan MüllerZDFheute: Mit Blick auf die COP30 - welche Beschlüsse wünschen Sie sich?
Lojek: Im Küstenschutz und Seebau gibt es in Deutschland sehr viel Wissen und Firmen, die bei der Umsetzung von Windenergieparks auf dem Meer aktiv mitwirken, um die Ziele der COP30 zu erreichen. Gleiches gilt für Pilotprojekte, bei denen Wasserstoffproduktion zur See oder Gezeitenkraftwerke erprobt werden.
ZDFheute: Welche Vision leitet Sie persönlich bei Ihrer Arbeit?
Lojek: Mich persönlich treibt meine Begeisterung und kindliche Neugier an, mit der ich Prozesse in der Natur detailliert beobachte und studiere, um deren Prinzipien in Forschung und Technologie zu übertragen.
Küstenschutz besteht nicht mehr nur aus Beton und Wasserbausteinen, sondern setzt auch viel auf Natur und natürliche Prozesse.
Oliver Lojek
Die Forschung leistet ihren Beitrag dazu und zeigt immer wieder, wie wir von der Natur lernen können.
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