Zwischen Spaß und Desinformation:AI-Slop: Wie Künstliche Intelligenz das Internet verändert
von Leon Müller
KI-generierte Videos fluten seit Monaten das Internet. Was harmlos beginnt, wird zur Herausforderung für Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Orientierung im Netz.
Künstliche Intelligenz ist da und wird auch bleiben. Wie damit umgehen in Zeiten von Desinformation?
27.12.2025 | 3:02 minMehrere Kaninchen hüpfen nachts auf einem Trampolin. Gefilmt von einer Überwachungskamera, unscharf und körnig. Das Video wurde millionenfach geklickt und tausendfach geteilt. Doch echt ist daran nichts: Es wurde mit Künstlicher Intelligenz erzeugt.
Das Video ist kein Einzelfall. In sozialen Medien kursieren sprechende Tassen, Elefanten auf Sprungtürmen oder der Papst auf einem Motorrad. Unter dem Schlagwort "AI-Slop" - zu Deutsch etwa KI-Schrott - wird solch synthetischer Content zusammengefasst: meist inhaltsarm und belanglos, oft absurd und gerade gut genug, um Aufmerksamkeit zu binden, Klicks zu sammeln und Reichweite zu erzeugen.
KI ist längst Alltag im Internet
Möglich wird das durch frei verfügbare KI-Werkzeuge wie OpenAIs Videomodell Sora oder Googles Nano Banana. Innerhalb weniger Sekunden lassen sich realistisch wirkende Videos erstellen - auch ohne technisches Vorwissen. "Wir leben in einer Art Reallabor im Moment", sagt Tim Polzehl vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Generative KI entwickle sich extrem schnell weiter und werde gleichzeitig von Millionen Menschen weltweit genutzt.
Erste Studien deuten darauf hin, dass KI-Inhalte längst einen relevanten Anteil im Internet ausmachen. Laut einer Analyse von AI Forensics ist unter den Top-Suchergebnissen bei TikTok rund jedes vierte Video KI-generiert. Bei Texten ist die Entwicklung noch weiter fortgeschritten: Forschende der Charles Sturt University kommen zu dem Ergebnis, dass bereits 30 bis 40 Prozent der Texte aller aktiven Websites mithilfe generativer KI entstanden sind. Andere Schätzungen gehen sogar von mehr als der Hälfte aus. Sicher ist: KI prägt das Internet bereits heute - oft, ohne dass Nutzer es bemerken.
Eine KI-Sängerin stürmt in den USA an die Spitze der R&B Digital Song Sales Charts. Aus der Musikbranche gibt es Kritik.
08.12.2025 | 1:09 minWenn KI-Videos wie Nachrichten aussehen
Neben harmlosen oder humorvollen KI-Clips tauchen zunehmend Inhalte auf, die Realität und Fiktion vermischen. Videos zeigen Reporterinnen vor einem angeblich brennenden Eiffelturm oder mitten in Flutkatastrophen, die nie stattgefunden haben. Scheinbare Breaking-News, produziert für Klicks - oder gezielte Desinformation.
Noch lassen sich viele dieser Videos als künstlich erzeugt erkennen. Doch das dürfte sich ändern. Wir müssten uns daran gewöhnen, dass sich die Art, wie wir auf Wissen zugreifen, in den nächsten Jahren sehr deutlich verändern werde, sagt Rainer Mühlhoff, Professor für Ethik der Künstlichen Intelligenz.
Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass Bilder, Texte oder Videos objektiv die Realität abbilden.
Rainer Mühlhoff, Professor für Ethik der Künstlichen Intelligenz
Auf einer Konferenz am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam diskutieren Wissenschaftler, Unternehmer und Politiker, wo Handlungsbedarf im Zukunftsfeld KI besteht.
02.12.2025 | 1:45 minKI gegen KI
Am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz wird deshalb an Gegenmitteln gearbeitet. Ziel seien Systeme, die KI-generierte Inhalte erkennen und die Echtheit von Videos und Bildern überprüfbar machen.
KI kann ja nicht bloß gegen uns, sondern auch für uns arbeiten.
Tim Polzehl, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
In Zeiten von Wahlen sei es besonders wichtig, Fakten klar zu kennzeichnen und kritisches Hinterfragen zu fördern.
Als erster US-Bundesstaat will New York eine Kennzeichnungspflicht für Künstliche Intelligenz: Wird KI in Werbespots genutzt, muss darauf hingewiesen werden – sonst drohen Strafen.
12.12.2025 | 0:26 minWie verändert sich das Netz?
Doch auch solche Systeme werden die grundsätzliche Entwicklung nicht stoppen. Verändert und vermüllt generative KI das Netz dauerhaft? Erleben wir gerade, was manche bereits den "Tod des Internets" nennen? "Ich glaube, das ist ein Stück weit richtig", sagt Polzehl. Zugleich verweist er auf die Entwicklung der E-Mail.
Als die ersten großen Spam-Wellen auftraten, hieß es ebenfalls, die E-Mail würde untergehen und man könne echte Nachrichten nicht mehr von Spam unterscheiden. "Wir alle sind ein Stück schlauer geworden", sagt Polzehl. "Wir wissen, wie wir mit Spam-E-Mails umzugehen haben." Eine ähnliche Lernkurve sei nun auch im Umgang mit KI-generierten Inhalten nötig.
Leon Müller ist Redakteur und Reporter im heute journal.
Mehr zu Künstlicher Intelligenz
- Grafiken
Rückblick auf die Nennungen seit 1927:"Time Magazine" erklärt KI-Architekten zur Person des Jahres
von Luisa Billmayermit Video0:32 - Interview
KI in Europa:Forscherin: "Was verlieren wir an Kompetenzen?"
mit Video1:45 Industriedaten als Wettbewerbsvorteil:Datenschatz: Deutschlands Chance im KI-Wettlauf
von Frank Bethmannmit Video0:37Künstliche Intelligenz statt Arztbesuch:Können KI-Chatbots den Gang zum Arzt ersetzen?
von Anja Braunwarthmit Video4:55