Branche im Umbruch:KI im Verlagswesen - Zwischen Leselust und Logarithmus
von Michael Kniess
KI als neuer Ghostwriter? Die Verlagsbranche ringt um Originalität, Urheberrecht und Vertrauen. Ein Blick auf Chancen und Risiken der digitalen Muse für die Buchwelt.
TikTok und Co. lässt junge Leute das Lesen neu entdecken. Das belebt den kriselnden Buchmarkt. Verlage richten ihren Fokus mehr auf ein junges, leseinteressiertes Publikum.
15.10.2025 | 2:36 minNicht nur neue Verlagsprogramme werden auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse im Mittelpunkt stehen, sondern sicherlich auch eine Diskussion, die das Verlagswesen in seinen Grundfesten betrifft: Was bedeutet Künstliche Intelligenz (KI) für die Branche? Wird sie zum kreativen Partner, der Ideen beflügelt, oder zur Bedrohung für Urheberrecht, Originalität und Qualität?
Die Verlage stehen an einem Scheideweg
Für Professorin Svenja Hagenhoff steht fest, dass die Verlage an einem Scheideweg stehen: Werden sie zur Produktionsstraße für maschinell generierte Inhalte, billig und schnell, oder zu Bastionen handwerklicher Qualität, die digitale Werkzeuge klug einsetzt? Die Antwort liegt aus Sicht der Buchwissenschaftlerin von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nicht allein in der Technik, sondern in den Entscheidungen, die dringend getroffen werden müssen.
"Die Holländerinnen" von Dorothee Elmiger ist der beste Roman des Jahres 2025 - der Schweizer Autorin wurde in Frankfurt am Main der Deutsche Buchpreis verliehen.
14.10.2025 | 2:16 min"Die Verlagsbranche muss sich einerseits fragen, was ihr Selbstverständnis ist und welchen Wert sie der schöpferischen Arbeit eines Autors beimisst", betont Svenja Hagenhoff.
Gleichzeitig müssen wir uns als Gesellschaft aber auch entsprechend positionieren.
Svenja Hagenhoff, Buchwissenschaftlerin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Aus ihrer Sicht braucht es möglichst schnell einen entsprechenden brancheneigenen Verhaltenskodex, der genau das klar regelt. Nicht etwa, weil Bücher aus Menschenhand besser sind.
KI als Gefahr für Qualität und Vertrauen
Denn gerade für den Bereich der Belletristik sieht Svenja Hagenhoff rein handwerklich keine zwingend geltenden Sachargumente pro menschliche Intelligenz. Ihre Analyse: "Ganz nüchtern betrachtet stellt sich schon die Frage, worin der Unterschied zwischen einer fiktionalen Geschichte besteht, die sich ein Autor ausgedacht hat und einer, die eine KI auf Basis von sprachstatistischen Wahrscheinlichkeiten durch entsprechend gutes Prompting generiert hat."
Auch Bibliotheken kämpfen ums Überleben - und gehen deshalb neue Wege.
04.04.2025 | 2:00 minErschreckend ist in ihren Augen dagegen die Entwicklung, dass manche Verlage bereits seit Längerem im Bereich Sach- und Wissenschaftsbuch mit KI-Entwürfen experimentieren. "Wenn Ratgeberbücher oder gar wissenschaftlich anmutende Publikationen nicht auf dem prüfenden Sachverstand von Experten, Wissenschaftlern und Lektoren basieren, ist das eine extrem gefährliche Schwelle, die man seriös nicht überschreiten dürfte", so Svenja Hagenhoff.
Vorwurf des Raubbaus am geistigen Eigentum
Eine ähnliche Kritik kommt von Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Immer häufiger kämen KI-Bücher auf den Markt, die den üblichen Verlagsprozess zur Qualitätssicherung nicht durchlaufen haben. Wenn KI Millionen Texte analysiert und daraus neue Inhalte generiert, bestehe zudem die Gefahr einer stilistischen Gleichförmigkeit. Originalität könnte verloren gehen, Vielfalt verkümmern. Statt neuer Stimmen würde die Literatur aus vertrauten Mustern gespeist.
Das richtige Geburtstagsgeschenk finden, E-Mails schreiben lassen, aus dem Kühlschrankinhalt ein Kochrezept generieren: Künstliche Intelligenz kommt immer mehr im Alltag an.
15.07.2025 | 3:03 minIns Wanken gerät zudem das Urheberrecht, bislang klar an die "persönliche geistige Schöpfung" eines Menschen gebunden. Rein KI-generierte Texte sind nach geltendem Recht nicht schützbar, weil sie eben kein menschlicher Schöpfungsakt sind. Zudem entsteht Streit darüber, ob das Training von Sprachmodellen auf urheberrechtlich geschützten Texten zulässig ist. Viele Autoren und Verlage sehen darin einen Raubbau am geistigen Eigentum.
Kosten senken, Spielräume erweitern: Die KI und ihre Chancen
"Die Politik steht in der Verantwortung, für klare und faire Spielregeln zu sorgen. Nur so kann das Zusammenspiel von generativer KI und Urheber für beide Seiten nachhaltig werden und KI Menschen und Gesellschaft echten Mehrwert bringen", unterstreicht Peter Kraus vom Cleff. Denn gleichzeitig eröffnen sich durch die KI neue Chancen für Verlage. Wer diese klug einsetzt, kann Arbeitsprozesse beschleunigen, Kosten senken und kreative Spielräume erweitern.
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19.10.2023 | 1:58 minAutomatisierte Übersetzungen können Bücher global zugänglich machen. KI-gestützte Analysen helfen, Trends zu erkennen, Zielgruppen zu verstehen und Marketingstrategien zu verfeinern. Vor allem kleinere Verlage oder Self-Publisher könnten profitieren, indem sie Ressourcen effizienter einsetzen und neue Märkte erschließen. Eines ist für Peter Kraus vom Cleff klar:
Kern der verlegerischen Tätigkeit ist und bleibt es, qualitativ hochwertige und fundierte Inhalte zugänglich zu machen.
Peter Kraus vom Cleff, Börsenverein Deutscher Buchhandel
Gleichzeitig wird sich die Buchbranche dabei mit dem Wandel auseinandersetzen müssen. KI wird bleiben - und ein Arbeiten ohne sie schon bald kaum mehr vorstellbar sein.
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