Neue Therapieansätze:Mit Vagusnerv-Stimulation gegen Überlastung?
Das autonome Nervensystem reguliert, wie Körper und Psyche auf Situationen reagieren. Dabei spielt der Vagusnerv eine zentrale Rolle. Neue Therapieansätze machen sich dies zunutze.
Das autonome Nervensystem reguliert, wie Körper und Psyche auf Situationen reagieren. Dabei spielt der Vagusnerv eine zentrale Rolle. Neue Therapieansätze machen sich dies zunutze.
14.10.2025 | 6:10 minWer dauerhaft gestresst ist, merkt es schnell: Der Körper steht unter Strom, Entspannung fällt schwer. Dahinter steckt ein Ungleichgewicht im autonomen Nervensystem - dem Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Vagusnerv. Er verläuft vom Gehirn bis in die Eingeweide und steuert Herzschlag, Verdauung und sogar unsere Gefühlslage. Gerät er aus dem Gleichgewicht, kann das zu psychischen Problemen führen - etwa bei Depressionen.
Wenn die Verbindung zwischen Kopf und Körper abreißt
Robert Vogelsang kennt dieses Gefühl gut. Seit fünf Jahren lebt der Medizinstudent mit Depressionen.
"Man fühlt sich wie ein Beobachter, der bei einem Unfall zuschaut und nichts machen kann", sagt er. Appetitlosigkeit und Erschöpfung gehören zu seinen täglichen Begleitern - Mögliche Anzeichen, dass der Vagusnerv seine regulierende Funktion verloren hat.
"Bei Menschen, die dauerhaft unter Stress stehen, ist der Sympathikus ständig aktiv", erklärt Neurowissenschaftlerin Sharmili Edwin Thanarajah vom Uniklinikum Frankfurt. "Der Parasympathikus - und damit der Vagusnerv - kommt kaum noch zum Zug. Das Herunterfahren gelingt dann nicht mehr."
Was bringt die Psyche aus dem Gleichgewicht? Wie entstehen Depressionen und was kann man dagegen tun? Experten aus Medizin, Psychologie und Neurowissenschaften eröffnen neue Wege zur Behandlung.
06.10.2025 | 28:43 minEin Nerv, der Körper und Psyche verbindet
Der Vagusnerv ist die wichtigste Kommunikationsleitung zwischen Körper und Gehirn. "Wenn wir hungrig sind, sendet er Signale ans Gehirn", sagt Nils Kroemer, Psychologe am Universitätsklinikum Bonn. "Dadurch reagieren wir stärker auf Essensreize - etwa den Geruch von frischem Brot."
Dieses Zusammenspiel funktioniert bei psychischen Erkrankungen offenbar nicht mehr richtig. Forschende vermuten, dass eine geschwächte Vagusaktivität depressive Symptome verstärken kann - Körper und Geist sprechen buchstäblich nicht mehr miteinander.
Emotionales Essen: Wir alle kennen Süßes als Belohnung oder bei Stress. Jasmina lernt mit Tanja Marfo, die eine Essstörung überwunden hat, wie viel Psyche in unserem Hunger steckt.
07.10.2024 | 27:00 minSanfter Strom fürs Gehirn
Kroemer erforscht, ob sich der Vagus gezielt stimulieren lässt, um Depressionen zu lindern. Die Methode heißt transkutane Vagusnerv-Stimulation (tVNS). Dabei wird eine kleine Elektrode am Ohr angebracht, die sanfte elektrische Impulse abgibt. Diese reizen den Nerv, der Signale an den Hirnstamm und weiter in Regionen sendet, die Stimmung und Motivation steuern.
"Unsere Hypothese ist, dass wir über die Beeinflussung der körpereigenen Signale auch die Stimmung verbessern können", erklärt Kroemer. Im MRT zeigt sich: Sobald der Stromimpuls startet, wird der Hirnstamm messbar aktiver. Wie stark diese Veränderungen langfristig wirken, wird noch erforscht.
Das Gehirn ist die komplexeste im Universum bekannte Struktur: Eine etwa 1,3 Kilogramm schwere Masse aus rund 86 Milliarden Nervenzellen, die den Menschen zu dem macht, was er ist.
19.03.2023 | 43:24 minEin Nerv mit großem Potenzial
Für Patientinnen und Patienten wie Robert Vogelsang ist die Forschung ein Hoffnungsschimmer. "Wenn ich durch die Stimulation wieder mehr Hunger bekomme oder mich wacher fühle, ist das ein gutes Zeichen", sagt er.
Bis zur breiten Anwendung wird es noch dauern - doch die Idee ist vielversprechend: Der Vagusnerv ist weit mehr als nur eine biologische Leitung. Er ist die Brücke zwischen Körper und Psyche - und könnte helfen, sie wieder miteinander zu verbinden.
Der Vagusnerv hat das Potenzial, die Medizin zu revolutionieren. Er ist essenziell für die Regeneration und bei der Behandlung von Erkrankungen wie Long COVID, Depressionen und Parkinson.
16.10.2025 | 43:31 minSie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
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