KI entschlüsselt Kommunikation: Wie Oktopusse sprechen können

KI entschlüsselt Kommunikation:Wie Forscher mit Oktopussen sprechen können

|

Ein Team der TU Graz erforscht mithilfe künstlicher Intelligenz die Kommunikationsfähigkeit von Oktopussen - und geht dabei neue Wege in der Tierforschung.

Standbild: Der Krake und die Knolle
Forschende lehren Moschuskraken auf Fragen zu antworten. KI entschlüsselt ihre Sprache durch Gestik, Blickkontakt und Farbmuster der Haut.23.04.2025 | 6:20 min
Oktopusse gelten als Meister der Tarnung, doch ihr Talent geht weit über das Äußere hinaus. Sie können komplexe Probleme lösen, Werkzeuge nutzen und zeigen ein Verhalten, das auf Vorausplanung schließen lässt. Also Fähigkeiten, die man bislang vor allem höheren Säugetieren zuschrieb.
Doch wie intelligent sind Oktopusse wirklich? Und sind sie womöglich sogar in der Lage, mit uns Menschen zu kommunizieren? Ein Forschungsprojekt der Technischen Universität Graz versucht, diese Fragen zu beantworten. Mit Methoden, die so unkonventionell sind, wie die Tiere selbst.

Wohnzimmer als Versuchslabor

Informatiker und KI-Experte Wolfgang Slany hat sich für sein Forschungsprojekt ein ungewöhnliches Arbeitsumfeld geschaffen: Seit fast zwei Jahren lebt er mit drei Moschuskraken - Hirschi, Speeri und Thori - in einem speziell umgebauten Meereslabor in den eigenen vier Wänden.
Die Tiere verfügen über ein zentrales und acht peripher verteilte Gehirne sowie drei Herzen. Ziel der Forschung ist es, herauszufinden, ob Oktopusse mit Menschen kommunizieren können. Da ihnen Gehör und Stimme weitgehend fehlen, setzt Slany auf andere Kanäle: Gesten, Blickkontakt und vor allem die Fähigkeit der Tiere, über Farbveränderungen auf ihrer Haut Botschaften zu vermitteln.
Springender Wal
Biologen sind sich einig, dass Tiere miteinander kommunizieren. Doch welche Bedeutung haben die Laute und akustischen Signale der Wale - ähneln sie der menschlichen Sprache?01.04.2021 | 43:48 min

Kommunikation über "Menükarten"

Kern des Versuchsaufbaus sind sogenannte "Menükarten" - einfache Bildtafeln, auf denen unterschiedliche Futtertiere zu sehen sind. Wenn ein Oktopus mit einem seiner Arme gezielt ein Bild antippt, erhält er das abgebildete Futter.
Diese Interaktionen werden unter kontrollierten Bedingungen vielfach wiederholt und ausgewertet. Ziel ist es, zwischen zufälligem Verhalten und gezielter Auswahl zu unterscheiden - und Hinweise darauf zu finden, ob die Tiere tatsächlich in der Lage sind, Vorlieben bewusst zu äußern. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es mehr als nur Konditionierung sein könnte.

Künstliche Intelligenz trifft Tiefseeforschung

Um solche Verhaltensmuster zuverlässig analysieren zu können, setzt das Projektteam auf modernste Technik. Zehn Kameras zeichnen rund um die Uhr jede Bewegung der Tiere auf.
Die Auswertung übernimmt ein System mit künstlicher Intelligenz, das an der TU Graz speziell für diese Aufgabe trainiert wird. Es soll nicht nur einzelne Kraken voneinander unterscheiden können, sondern auch deren Bewegungen, Blickrichtungen und Hautmuster analysieren.
Langfristig verfolgt das Team das Ziel, bestimmte Verhaltensmuster in eine für Menschen verständliche "Übersetzung" zu bringen - also einen Kommunikationskanal zwischen Mensch und Oktopus zu schaffen, der in beide Richtungen funktioniert.
Harald Lesch inmitten vieler Hunde und Katzen (Montage)
Ist Haustierhaltung Tierquälerei? Rund 10 Millionen Hunde und 15 Millionen Katzen leben in Deutschland. Manche Tierschützer stellen das Prinzip Haustier grundsätzlich in Frage. Betreiben wir Tierquälerei aus Tierliebe?13.05.2025 | 29:21 min

Forschungs mit freilebenden Kraken in Kroatien

Parallel zur Forschung im heimischen Labor entsteht vor der Küste der kroatischen Insel Krk ein weiteres Projekt mit internationaler Strahlkraft: In Zusammenarbeit mit der österreichischen Meeresschutzorganisation MareMundi wird dort ein künstliches Oktopus-Dorf errichtet. Versenkte Höhlen sollen nicht nur Schutz und Rückzugsort bieten, sondern auch die Möglichkeit, das Verhalten freilebender Tiere unter kontrollierten Bedingungen zu beobachten. Geplant ist sogar ein "Unterwasserkino", bei dem Bewegtbilder gezielt eingesetzt werden sollen, um herauszufinden, ob die Tiere voneinander lernen oder auf bestimmte visuelle Reize reagieren.
Dirk Steffens mit drei weißen Kakadus auf Schultern und Kopf.
Sie gebrauchen Werkzeuge, lösen knifflige Probleme und schmieden Pläne: Viele Tiere sind tierisch schlau. Dirk Steffens auf einer Reise zu den „Intelligenzbestien“ der Welt.25.09.2022 | 43:36 min

Was Oktopusse über Intelligenz und Bewusstsein verraten könnten

Die Forschung steht noch am Anfang, doch schon jetzt eröffnen sich neue Perspektiven auf das Wesen der Oktopusse. Wenn es gelingt, eine Form der Kommunikation mit diesen Tieren zu etablieren, könnten sich daraus weitreichende Erkenntnisse über ihre Wahrnehmung, ihr Bewusstsein und ihre sozialen Fähigkeiten ergeben.
Für Wolfgang Slany ist das mehr als nur wissenschaftliche Neugier. Ein besseres Verständnis für die kognitiven Fähigkeiten der Tiere könne auch dazu beitragen, ihren Schutz zu verbessern - und unser Verhältnis zu nicht-menschlichen Intelligenzen grundlegend zu überdenken. Denn wer Oktopusse nicht nur als rätselhafte Meeresbewohner, sondern als denkende, fühlende Wesen begreift, wird sie mit anderen Augen sehen.

Icon von whatsapp
Quelle: dpa

Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

Quelle: ZDF

Mehr zum Thema Tiere