KI im Schwimmbad: Wie Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden
Kind vorm Ertrinken gerettet:Wie KI Schwimmen sicherer macht
von Peter Böhmer
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Am Karfreitag schlägt die Smartwatch von Schwimmmeister Kock Alarm. Im Display der Umriss des Beckens und ein roter Punkt. Nun zählen Sekunden. Dank KI hat Kock einen Vorsprung.
Mittels KI konnte ein Mädchen im Vitusbad in Everswinkel vor dem Ertrinken gerettet werden.15.05.2025 | 2:02 min
Vitusbad in Everswinkel bei Münster: Ein vierjähriges Mädchen liegt bewegungslos am Beckenboden. Linus Kock, Schwimmmeister in dem Bad , springt ins Wasser, und holt das Kind zusammen mit einem anderen Badegast, der das Drama ebenfalls bemerkt hatte, an die Oberfläche. "Das Kind war schon blau angelaufen", sagt Kock:
Aber nach 20 Sekunden hat es gehustet und auch die Augen wieder aufgemacht, glücklicherweise.
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Schwimmmeister Linus Kock
Nach seiner Rettung am Karfreitag wurde das Mädchen im Krankenhaus untersucht, und ohne äußerliche Folgen entlassen. Die Eltern - Touristen aus Frankreich - hatten mit zwei weiteren Kindern und einem Onkel im Babybecken nur fünf Meter entfernt gesessen und gar nicht mitbekommen, dass ihre Tochter verschwunden war. Die Mutter, sagt Kock, sei in Tränen ausgebrochen und kaum zu beruhigen gewesen.
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Künstliche Intelligenz erkennt Ertrinkende
Dass es ein Drama mit Happy End war, ist 14 Kameras zu verdanken, die an verschiedenen Punkten im Schwimmbad hängen - und Künstlicher Intelligenz. Sie wertet die Bilder der Kameras aus: Immer zwei nebeneinander - so kann der Körper aus unterschiedlichen Perspektiven erfasst werden. Etwa fünf Prozent der Hallenbäder sind laut Bäderverband erst mit der Technik ausgestattet.
Das System kommt aus Israel, die Software-Firma Lynxight hat es entwickelt. "Sobald eine Person ins Wasser geht, wird sie von den Kameras erfasst und ihr Bewegungsablauf bewertet", sagt Florian Grojer, der die Firma in Deutschland vertritt.
"Das System analysiert auf Basis der Körperumrisse den Bewegungsablauf. Es erkennt, in welcher Haltung sich der Körper befindet, welche Körperteile sich im Wasser befinden, ob etwa der Kopf unter Wasser ist und wie lange." Das könnte ein Anzeichen sein für drohendes Ertrinken, genauso wie Bewegungslosigkeit.
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Im Notfall liefert KI genauen Standort
Die Künstliche Intelligenz ist auf diese Parameter trainiert, legt mehrere Ebenen von Algorithmen übereinander und entscheidet dann: Alarm! Ein Signal geht raus an die Smartwatches des Badpersonals, die sehen auf den Displays genau den Ort des Geschehens.
Wenn etwas passiert, zählt jede Sekunde: Ertrinken ist Ersticken im Wasser - das Gehirn wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt, das kann irreversible Folgen haben. Und Ertrinken ist ein stiller Tod, von dem man von außen oft nichts bemerkt:
"Wer sich im Wasser im Überlebenskampf befindet, ist in einer senkrechten Position und kämpft darum, Kopf und Nase über Wasser zu halten und ist damit voll ausgelastet. Da ist überhaupt keine Kraft und keine Konzentration dafür da noch um Hilfe zu rufen", sagt Martin Holzhause von der DLRG.
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DLRG: Mehr als 100 Tote seit 2017 in deutschen Hallenbädern
Seit 2017, sagt er, habe es in deutschen Hallenbädern 104 Tote gegeben, 41 davon waren Kinder. Ein Problem dabei:
Eltern sollten ihre Verantwortung nicht an der Kasse abgeben. Das ärgert viele von uns!
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Martin Holzhause, DLRG
Das KI-System haben sie in Everswinkel erst seit Anfang des Jahres. 80.000 Euro hat es gekostet. "Im Rahmen einer Tagung haben wir mitbekommen, dass es dieses System gibt, und gesagt: Das wäre doch auch was für uns", sagt Dietrich Meendermann, Geschäftsführer der Gemeindewerke Everswinkel. "Seit ein paar Wochen läuft es, und wir haben jetzt gesehen, mit welchem Erfolg, da ist man natürlich überglücklich, dass dieses Kind gerettet wurde."
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Fehlalarme im Schwimmbad kommen vor
Schwimmmeister Kock ist froh, dass es die KI gibt: "Wir haben einen großen Nachteil: Wir können nicht überall sein, wir können immer nur in eine Richtung schauen, wir haben nur zwei Augen. Das ist der Punkt, den die KI ausgleicht." Mit einem Blinzeln sagt er: "Solange die KI die Leute nicht mit einem Greifarm aus dem Wasser holt und ein Roboterdoktor am Rand steht und die Leute versorgt, sind wir dringend notwendig."
Und die Fehlalarme? Es kommt vor, dass etwa ein führungsloses Schwimmbrett auf dem Wasser treibt und sein Umriss von der KI als Gefahrensituation interpretiert wird - ähnlich einer regungslosen Person im Wasser. Dann klingelt die Smartwatch. "Aber lieber zehnmal zu oft als einmal zu wenig", sagt Kock.
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