Wie E-Autos unser Stromnetz flexibilisieren | Terra-X-Kolumne

Kolumne

Terra X - die Wissens-Kolumne:Wie clevere Energiesysteme Milliarden sparen

von Gregor Steinbrenner
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10.000 Kilometer umsonst mit dem E-Auto fahren. In Frankreich geht das seit diesem Jahr. Und die Dänen heizen ihre Häuser mit Meerwasser, unschlagbar günstig. Können wir das auch?

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Gregor Steinbrenner

Ganz ehrlich - als ich das zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich, das ist mal wieder typisch Werbung: Auto laden für umsonst und Geld verdienen fürs Nichtstun. Großes Versprechen - nichts dahinter! Dachte ich.

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Nachdem ich mit einigen Wissenschaftlern gesprochen habe, ziehe ich meinen Hut. Die Idee ist wirklich genial. Denn sie macht das Fahren mit einem E-Auto für jeden einzelnen billiger. Und: Sie spart dem Staat Milliarden.

Wie bidirektionales Laden entscheidend weiter geht

Die Zauberformel lautet "Vehicle to Grid" - vom Auto ins Netz. "Vehicle to Home" ist vielen bereits bekannt. Es ermöglicht das E-Auto über eine Wallbox zu verbinden und den Strom aus dem Auto im Haus zu nutzen.
Bidirektionales Laden nennt sich das, also Laden in zwei Richtungen: ins Auto und ins Haus. Das können inzwischen einige E-Autos (mit der entsprechenden Wallbox).
Das Eauto mit Strom Tanken für umme und dabei Geld verdienen - das geht mit dem bidirektionalen Laden des Renault R5 electric
Geld verdienen, während das E-Auto parkt? Wie bidirektionales Laden Autofahrer zu Stromdealern macht – und dabei das Stromnetz stabilisiert. 07.07.2025 | 12:59 min
"Vehicle to Grid" geht jetzt einen entscheidenden Schritt weiter. Der Strom aus der Autobatterie wird nun nicht mehr für meine Waschmaschine genutzt, sondern dem Netz zur Verfügung gestellt.
Warum ist das wichtig? Ganz einfach weil wir immer mehr "grünen" Strom im Netz haben. Im vergangenen Jahr 60 Prozent.

Flexible Stromspeicher für stabile Stromnetzwerke

Aber Wind und Sonne liefern natürlich nicht so gleichmäßig wie ein Atomkraftwerk. Es gibt sogar Totalausfälle - die Dunkelflauten. Und heftige Stromspitzen - die Hellbrisen.
Um bei Dunkelflauten das Netz stabil bei 50 Hertz zu halten, gibt der Staat (also wir Steuerzahler) Milliarden aus. Dafür werden Gaskraftwerke und Speicheranlagen gebaut, um diese sogenannte Regelleistung zu erbringen.
Und was hat das mit dem E-Auto zu tun? Ganz einfach: E-Autos sind rollende Stromspeicher. Die größeren haben einen Speicher von über 70 Kilowattstunden. Ein Zwei-Personen-Haushalt kann damit seine Wohnung zehn Tage lang mit Strom versorgen. Und: Sie stehen im Schnitt 23 Stunden am Tag herum. Wenn man in dieser Zeit das Auto ans Netz hängt - "vehicle to grid" - dann kann es Regelleistung erbringen, also Stromschwankungen ausgleichen.
Ladne eines E-Autos
Der optimale Ladezeitpunkt fürs E-Auto ist, wenn viel grüner und günstiger Strom verfügbar ist. Ein Ladepark in Mainz berechnet dies automatisch - mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. 25.03.2024 | 6:17 min
Bei Strombedarf nimmt sich der virtuelle Kraftwerksbetreiber Strom aus der Batterie. Wenn viel Strom im Angebot ist, lädt er die Batterie auf.
Wer sein Auto im Schnitt 15 Stunden täglich an der Wallbox lässt, kann rechnerisch bis zu 10.000 Kilometer pro Jahr kostenlos fahren - denn der Stromservice wird vergütet. Auch die Gesellschaft profitiert: Laut Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme könnte Europa dank dieser Technologie knapp 10 Milliarden Euro pro Jahr sparen.

Warum Deutschland noch zögert

Und wenn ich dringend zum Arzt muss mit dem E-Auto? Man kann ein Minimum eingeben, unter das der Akkustand nie fallen darf. In Frankreich funktioniert das schon. Eine Voraussetzung: Es braucht einen einheitlichen Standard für die Wallboxen. Da es in Frankreich nur einen Stromnetzanbieter gibt, war das dort kein Problem. In Deutschland gibt es dagegen 900 Anbieter. Das kann dauern…
Und man muss der Vollständigkeit halber dazu sagen: Die Gaslobby findet die Idee nicht annähernd so prickelnd wie ich.
Unser Stromnetz wäre mit ein paar Millionen mobilen Speichern, also E-Autos, bestens gerüstet, um nahezu 100 Prozent erneuerbaren Strom flexibel zu speichern.
Harald Lesch steht vor Autobahnkreuz.
Es ist zu schön, um wahr zu sein: Eine Welt, in der verstopfte Straßen der Vergangenheit angehören und die Fahrt ins Büro oder in den Urlaub so reibungslos verläuft wie nie zuvor. 21.05.2024 | 29:47 min

Nachhaltige Wärmepumpen mit Meerwasser

Und wie sieht es beim Heizen aus? Auch hier begeistern mich neue Technologien, die unsere EU-Nachbarländer bereits realisieren: In Dänemark wurde die erste Großwärmepumpe gebaut, die mit Meerwasser "betrieben" wird.
Diese Wärmepumpe funktioniert vom Prinzip genauso wie eine Wärmepumpe für ein Wohnhaus. Nur dass die Wärmequelle nicht Luft ist, sondern Meerwasser. Durch die Wärmeenergie des Meerwassers verdampft ein Kältemittel (CO2), wird verdichtet und heizt das Fernwärmewasser. In Dänemark bereits jetzt und das unschlagbar günstig.
Gregor Steinbrenner zeigt für die NANO Dokureihe Energie für umme, wie Wärme ohne Gasheizung und energiesparend produziert werden kann.
Dänemark heizt günstig und klimafreundlich mit Meerwasser. Deutschland will die Fernwärme ausbauen – diskutiert aber noch. Warum eigentlich?08.07.2025 | 13:06 min

Heizen mit Meer- und Flusswasser auch in Deutschland geplant

Und bei uns? Wir haben ja auch Küste. Und tatsächlich ist bei Hamburg die erste Meerwasser-Wärmepumpe in Planung, auch in Neustadt in Holstein. Immerhin. Die Dänen sind uns hier einfach zehn Jahre voraus. Aber wir holen auf.
Und das Ganze geht natürlich auch mit Flusswasser (solange die Flüsse groß genug sind und ihre Fließgeschwindigkeit hoch). Auch hier ist einiges in Planung: in Mannheim, Stuttgart, Gießen, Ulm…
Leider liegen nicht alle Städte an Flüssen. Und nicht alle Städte haben ein Fernwärmenetz, um diese Wärme weiterzutransportieren. Muss man das erst noch unter die Erde legen, wird's teuer. Aber wo es vorhanden ist, sind Großwärmepumpen eine günstige Alternative - und natürlich allemal besser als Heizen mit Gas. Vielleicht sieht unsere Zukunft ja doch nicht so düster aus…

… ist Journalist und Moderator der Wissenschaftssendung NANO auf 3sat. Seit Jahren berichtet er über die Klimakonferenzen.

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