Sozialunternehmen Heyho:Wenn der Job zur zweiten Chance wird
Timm Duffner hat eine Firma gegründet, um Menschen einzustellen, die sonst niemand nehmen würde. Mitarbeitende mit Brüchen in ihrem Lebenslauf finden so wieder Halt.
Sie machen sich für Schwächere stark, kämpfen gegen Ausgrenzung und bewirken eine Menge: Vorreiter und Pionierinnen mit guten Ideen und großem Engagement. Darunter auch Heyho.
23.08.2025 | 29:45 minNoch vor ein paar Jahren schlief Daniel im Lüneburger Stadtpark, abhängig von Crystal Meth. "Das war der größte Tiefpunkt in meinem Leben - wenn man so eine Kälte hat, dass man vor Schmerzen und Traurigkeit nicht schlafen kann. Da hab ich gesagt, 'du musst irgendwas tun'", erinnert er sich.
Heute hat er eine eigene Wohnung und sein erstes Bankkonto - mit 44 Jahren. Das verdankt er Timm Duffner, der ihm eine Stelle in seiner Müsli-Rösterei gab, ein Sozialunternehmen namens Heyho. Daniel staunt über sich selbst und sagt:
Eigentlich dachte ich, ich bleibe hier nur einen Tag. Jetzt sind es vier Jahre.
Daniel, Mitarbeiter bei Heyho
Das Team von Heyho: Hier wird Hafer geröstet, "um Menschen einzustellen".
Quelle: Samuel KaufmannVom Gefängnis in die Festanstellung
Auch Romano kennt das Gefühl, ausgegrenzt zu sein. Sieben Jahre saß er wegen Drogendelikten und Beschaffungskriminalität im Gefängnis. Danach: dutzende Bewerbungen, alle erfolglos.
Bei Heyho bekam er sofort eine Chance - und nach nur einem Monat Probezeit einen festen Vertrag. "Wenn man im Leben einen Fehler gemacht hat und dafür im Knast gesessen hat, darf man nicht das ganze Leben dafür bestraft werden", sagt er.
Das eigene Geld zu verdienen tut gut.
Romano, Mitarbeiter bei Heyho
Fachkräfte fehlen inzwischen fast überall – und der Mangel wird immer größer. Ein Betrieb in Rheinland-Pfalz nutz die Chance, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.
05.08.2025 | 1:35 minArbeit mit Sinn
Der Mann, der den beiden diese Chancen ermöglichte, Timm Duffner, kletterte früher die Karriereleiter in der freien Wirtschaft hinauf, arbeitete bei Unilever und brachte die Eismarke "Ben & Jerry’s" in Deutschland groß heraus. Doch seine Marketingkarriere reichte ihm nicht.
"Ich wollte schon immer ein Unternehmen im Lebensmittelbereich gründen - aber mit Sinn." Gemeinsam mit zwei Freunden gründete er 2016 in Lüneburg eine kleine Rösterei. Inspiration fanden sie bei "Homeboy Industries" in Los Angeles, eine Non-Profit-Organisation, die Ex-Gangmitgliedern Ausbildung, Arbeit und Perspektive gibt. Duffners Firmenphilosophie:
Wir stellen keine Menschen ein, um Hafer zu rösten, sondern wir rösten Hafer, um Menschen einzustellen.
Timm Duffner, Gründer von Heyho
Heyho schreibt grüne Zahlen: Gemeinwohl und Profit sind keine Gegensätze.
Bei der Digitalisierung schneidet Deutschland in der EU eher mittelmäßig ab. Wie wichtig die Digitalisierung ist, zeigt sich besonders in der Wirtschaft.
18.08.2025 | 1:34 minDuffner: "Menschen sollen gesehen werden"
Was Duffner antreibt, klingt einfach - ist aber radikal: "Wir unterstellen einander Gutes. Wir sprechen miteinander, nicht übereinander." Und: "People should not be watched, they should be seen". Menschen sollen nicht beobachtet, sondern wahrgenommen werden. Das schafft Vertrauen - und eine Kultur, in der auch Brüche im Lebenslauf keine Rolle spielen."
Bei Heyho sitzen Studierende, Ex-Häftlinge, Alleinerziehende und ehemalige Drogenabhängige mittags gemeinsam am Tisch. Es wird gelacht, gestritten, diskutiert. Probleme werden offen angesprochen, Rückfälle nicht verschwiegen, sondern aufgefangen. Für Daniel und Romano bedeutet das: Teilhabe statt Stigmatisierung. Für Duffner ist es die Erfüllung seines Lebenstraums - eine Mischung aus Wirtschaft, Gemeinschaft und Menschlichkeit.
In den letzten zehn Jahren mussten immer mehr Einzelhändler wegen fehlender Nachfolge schließen. So geht es auch Rainer Hammes, der nach 129 Jahren Firmengeschichte gezwungen ist, sein Schuhgeschäft zu schließen.
19.08.2025 | 1:53 minSolidarität bei Heyho macht Schule
Die Müsli-Rösterei ist längst ein Vorbild. 20 andere Firmen lassen sich von Heyho inspirieren. In Zeiten des Fachkräftemangels ein Modell mit Zukunft - und für Daniel ein neuer Lebensentwurf.
Ich habe meine erste Wohnung, ein Bankkonto und wünsche mir wieder eine Beziehung. Statt unter der Brücke zu schlafen, endlich eine Klingel mit meinem Namen.
Daniel, Mitarbeiter bei Heyho
Daniel, Romano und Timm - drei Lebenswege, die in einer Lüneburger Rösterei zusammenfinden. Mit Mut, Menschlichkeit und Vertrauen entsteht ein Modell für die Zukunft.
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