Deutsche Bahn: Wurde die Pünktlichkeitsstatistik manipuliert?

Vorwurf geschönter Statistik:Trickst die Deutsche Bahn bei der Pünktlichkeit?

von Anne Sophie Feil
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Interne Chats der Deutschen Bahn sollen nahelegen, dass Züge gezielt annulliert werden, um die Statistik zu schönen. Der Konzern dementiert das. Was steckt dahinter?

Der Schriftzug "Zug fällt aus" ist am 18.01.2018 auf dem Hauptbahnhof in Hamburg auf einer Anzeigetafel der Deutschen Bahn zu sehen.

Die Halbjahresbilanzen für Güter und Personenverkehr lassen bei der Deutschen Bahn aufhorchen: Millionenverluste verdrängen Schlagzeilen über Verspätungen und Preissteigerungen.

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Die Deutsche Bahn (DB) versucht offenbar, ihre schlechte Pünktlichkeitsbilanz durch Ausfälle zu kaschieren - dies berichtet das Magazin "Der Spiegel" auf Basis von Mitarbeiterchats.

In einer bahninternen Kommunikation vom 16. September, die dem Magazin vorliegt, hieß es zum stark verspäteten ICE 616 von München nach Hamburg, der in Köln vorzeitig endete: "Zug fällt zur Verbesserung der Statistik ab Köln aus". Eine ähnliche Begründung werde darin für einen Zugausfall am 11. September angegeben.

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Deutsche Bahn verweist auf falsche Formulierung

Die Bahn wies die Vorwürfe, Zahlen zu manipulieren, entschieden zurück. Die interne Formulierung eines Mitarbeiters sei "falsch". Mit ihm sei bereits Rücksprache gehalten worden. Wenn ein Zug im Fall starker Verspätungen ausfällt, sei das "betrieblich sinnvoll", wenn dadurch Auswirkungen auf andere Züge begrenzt und bei hochverspäteten Fahrten die arbeitsrechtlichen Vorgaben für das Zugpersonal eingehalten werden.

Zudem belaste ein stark verspäteter Zug das überfüllte Netz, weshalb es sinnvoll sein könne, Teilstrecken ausfallen zu lassen. Voraussetzung ist nach Angaben der Bahn, dass es für die Fahrgäste Alternativen gibt.

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Viele Züge der Deutschen Bahn verspätet

Dass die Bahn ein Problem mit Verspätungen hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Im August erreichten nur 59,6 Prozent der Fernzüge ihr Ziel mit unter 6 Minuten Verspätung. Bei Ankunft mit weniger als 15 Minuten Verspätung waren es 66,7 Prozent.

Laut "Spiegel" haben diese Kennzahlen großes Gewicht für das Management, weil sie bei der konzerninternen Bewertung ganzer Bereiche berücksichtigt werden. Dirk Flege, Geschäftsführer der Interessenvertretung "Allianz pro Schiene", kritisiert:

Aus Sicht der Reisenden ist es völlig unverständlich, wenn ausgefallene Züge nicht in die Pünktlichkeitsstatistik eingehen.

Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene

Er warnt vor falschen Anreizen für den DB-Vorstand und fordert: "Die Kennzahlen für die Boni müssen auf den Prüfstand - und sie sollten wesentliches Steuerungselement der Bahnstrategie des Bundes sein."

So (un)pünktlich ist die Deutsche Bahn

ZDFheute Infografik

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Bahn zwischen Finanzdruck und Versorgungsauftrag

Die finanzielle Lage der Bahn ist angespannt. Das erschwert den Spagat zwischen Servicequalität und wirtschaftlicher Performance. Die DB ist mit rund 22 Milliarden Euro hoch verschuldet und verbuchte im ersten Halbjahr 2025 einen Verlust von 760 Millionen Euro. Sie steht zwischen dem Auftrag, öffentliche Daseinsvorsorge zu leisten, und der Pflicht, wie ein gewinnorientiertes Unternehmen zu agieren.

Gemäß Artikel 87e des Grundgesetzes gewährleistet der Bund, dass "dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere bei den Verkehrsbedürfnissen, dem Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangebot auf diesem Schienennetz (…) Rechnung getragen wird." Gleichzeitig aber soll die Deutsche Bahn AG als Wirtschaftsunternehmen Gewinne erzielen. Dadurch entsteht ein Konflikt: Mehr Züge bringen Ticketeinnahmen, belasten aber das Netz und verschlechtern die Pünktlichkeit. Weniger Verkehr wäre zwar pünktlicher, aber weniger lukrativ.


Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (r, CDU) und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Richard Lutz, unterhalten sich be einem Pressetermin

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Seit 2024 bündelt die bundeseigene DB-Tochter InfraGO Schienennetz und Bahnhöfe. Mit Bundesmitteln finanziert sie Betrieb und Modernisierung der Schienen. Sie arbeitet nicht betriebswirtschaftlich, sondern gemeinwohlorientiert. Ihre Mittel sind an Qualitätsziele wie die Pünktlichkeit der Züge gekoppelt. Ein Versuch, das Netz trotz hoher Auslastung stabil und zuverlässig zu halten.

Ob die Vorwürfe zu den Pünktlichkeitsstatistiken stimmen oder nicht: Sie zeigen den Konflikt zwischen Gemeinwohl und Wirtschaftlichkeit auf. Wenn Bund und Bahn die internen Anreize überprüfen, Investitionen verlässlich sichern und die konzerneigenen Prozesse optimieren, könnte das am Ende auch den Fahrgästen zugutekommen.

Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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