Interview
Konzern in der Krise:Warum Bahnchef Lutz gehen muss
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Bahnchef Richard Lutz galt schon länger als angezählt - jetzt muss er seinen Posten vorzeitig räumen. Das sind die Gründe.
Acht Jahre amtierte Richard Lutz auf dem Posten, jetzt muss der Bahnchef ihn vorzeitig räumen: Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder kündigte am Donnerstag eine Neubesetzung an. Lutz habe der Bahn viele Impulse gegeben, lobt zwar Aufsichtsratschef Werner Gatzer. Zuletzt wuchs allerdings auch die Kritik an dem Manager.
Völlig überraschend komme das Aus für Lutz nicht, erklärt ZDF-Korrespondentin Christiane Hübscher. So vereinbarten Union und SPD schon im Koalitionsvertrag eine personelle Neuaufstellung in DB-Aufsichtsrat und Vorstand, "mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen".
"Mehr Fachkompetenz" - ein Zusatz, den Beobachter als Affront gegenüber Lutz werteten. "Dass der Minister dem Bahnchef heute vor den Kameras nur recht schmal 'für seinen langjährigen Einsatz' dankt, lässt durchblicken, wie sehr sich Patrick Schnieder einen Neuanfang an der Spitze der Bahn gewünscht hat", so Hübscher.
Bahn: Unpünktlich und hoch verschuldet
Denn die Bahn ist in den acht Jahren unter Lutz noch unpünktlicher geworden, die Verschuldung des Konzerns mit knapp 22 Milliarden Euro immer noch fast so hoch wie bei dessen Amtsantritt. Sie sank zuletzt vor allem durch den politisch beschlossenen Verkauf der DB-Logistik-Tochter Schenker.
Randnotiz: Der Ausbau des Auslandsgeschäfts der Bahn mitsamt Schenker und weiteren Tochterunternehmen wie der ebenfalls inzwischen verkauften Arriva, geht maßgeblich auf Lutz in seiner Zeit als Finanzvorstand zurück. Er habe im Ausland das große Geld gewittert und dabei das Kerngeschäft aus dem Blick verloren, lautete die Kritik.
Auch ein massiver Ausbau des Verwaltungsapparats der Deutschen Bahn fällt in die Amtszeit des scheidenden Bahnchefs. Hier soll nun drastisch gespart werden, Stellen werden nicht nachbesetzt, tausende fallen weg. Andere Sparmaßnahmen bei der Bahn wie die Abschaffung der Familienreservierung im Fernverkehr sorgten zuletzt für scharfe Kritik.
Sanierung dauert länger
Aber "vor allem die marode und kaputtgefahrene Infrastruktur bekam er nicht in den Griff", erklärt ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann. "Sein Sanierungskonzept gilt als gescheitert." Lutz wollte die 40 meistbefahrenen Strecken bis 2030 sanieren, "plötzlich aber hieß es, das sei nicht zu schaffen". Jetzt soll es bis 2035 dauern.
Die Lokführergewerkschaft GdL hielt Bahnchef Lutz schon länger nicht mehr für tragbar. GdL-Chef Reiß sagte bereits Ende Juli: "Dr. Lutz ist derjenige, der seit Jahren der Bevölkerung erklärt, dass es jedes Jahr besser wird. Und wir betrachten das wirkliche Ergebnis und stellen wieder fest, jedes Jahr neu, dass es schlechter wird."
Der Bahn-Eigentümer - der Bund - zog nun die Reißleine. Schnieder dankte Lutz für sein "großes Engagement in schwierigen Zeiten bei der Bahn", befand aber:
Die Lage bei der Bahn ist dramatisch.
Patrick Schnieder, Bundesverkehrsminister
Bund investierte über Jahrzehnte zu wenig
Für die Misere ist Lutz nicht allein verantwortlich. Auch seine Vorgänger agierten im Zusammenspiel mit den jeweiligen Verkehrsministern nur wenig erfolgreich. Die Probleme mit der Infrastruktur liegen auch daran, dass über Jahrzehnte zu wenig in Sanierung und Instandhaltung investiert wurde - vom Neu- und Ausbau ganz zu schweigen. Es gebe allerdings eine Reihe von Problemen, die auch mit Management und der inneren Organisation zu tun hätten, sagt Bahnexperte Christian Böttger dem Sender Phoenix. Dort müsse dringend gehandelt werden.
Auch Minister Schnieder machte klar, so Korrespondentin Hübscher, dass es mit der Ablösung von Lutz nicht getan sei. Seine neue Strategie für eine Bahnreform habe er "in groben Zügen fertig", sagte er heute, vorstellen will er sie am 22. September.
Auch der Koalitionspartner SPD sieht in Personalwechsel und neuen Strukturen eine Chance, die "Trendwende" der Bahn voranzutreiben und Vertrauen zurückzugewinnen, erklärte der Fraktionsvize Armand Zorn. "Die Weichen bei der Bahn werden neu gestellt und dafür ist es sinnvoll, einen neuen Zugführer zu bestellen."
Quelle: ZDF, AFP, Reuters, dpa, td
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