Wirtschaft im Osten: Was Unternehmen von Schwarz-Rot fordern

Erwartungen an neue Regierung:Was die ostdeutsche Wirtschaft braucht

Redakteur Hagen Mikulas, ZDF-Landesstudio Sachsen-Anhalt.
von Hagen Mikulas
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Bürokratie, hohe Energiekosten und Fachkräftemangel belasten die deutsche Wirtschaft insgesamt. Warum das Unternehmen in Ostdeutschland auf besondere Weise trifft.

Stahlträger
Ostdeutsche Unternehmen haben klare Erwartungen an die neue Regierung, denn durch steigende Energiepreise und Importen aus China ist der Wettbewerbsdruck hoch. 03.04.2025 | 1:57 min
Schrauben, Gewinde und Bolzen sind das Geschäft von Eckhard Schmidt. Seine Firma fertigt mit 300 Mitarbeitern Befestigungen für Windräder und Eisenbahnschwellen. 40 Prozent der Produkte gehen aus Sachsen-Anhalt in den Export. Anfang der 1990er Jahre von der Treuhand übernommen, macht das Schraubenwerk Zerbst heute 100 Millionen Euro Jahresumsatz, hat Kunden, aber auch Konkurrenten in aller Welt.

Schmerzpunkt Bürokratie: Fünf Mitarbeiter für Berichte und Protokolle

Den größten Wettbewerbsnachteil sieht Geschäftsführer Schmidt in der deutschen und europäischen Bürokratie. Allein fünf Mitarbeiter seien mit Berichten, Protokollen und Bewertungen beschäftigt, die im Vertrieb, im Einkauf, im Arbeitsschutz und Umweltschutz nötig sind.
"Insgesamt schätze ich, dass wir circa 750.000 Euro Mehrkosten haben durch Bürokratie. Aber nicht nur durch die Mitarbeiter, sondern auch für die ganzen Berichtspflichten, die kontrolliert werden von Abnahmegesellschaften und Beratungsgesellschaften", sagt Geschäftsführer Schmidt.
Ein Mann mit weißem Bart und Brille steht vor einer Aktenwand. Er hält einen geöffneten Aktenordner in der Hand und blickt ernst in die Kamera.
Paragrafendschungel und Papierberge: Die Verwaltungslast in Deutschland nimmt immer weiter zu. Ehrenamtliche und kleine Unternehmen stoßen zunehmend an ihre Grenzen.20.10.2024 | 29:47 min
Bei Ausschreibungen brächten diese nicht einmal Vorteile. "Denn die Kunden entscheiden allein anhand des Preises."
Eine jüngste Analyse des Ostdeutschen Wirtschaftsforums (OWF) stützt diese Einschätzung. Unter 1.500 befragten ostdeutschen Unternehmen sehen 70 Prozent den Bürokratieabbau als wichtigste Aufgabe der Politik.

Hohe Energiekosten nach russischem Gasstopp

50 Kilometer südöstlich von Zerbst steht das Stickstoffwerk Piesteritz in Wittenberg. Aus Erdgas werden hier etwa Harnstoff und Agrar-Dünger hergestellt. Das Aus von günstigem russischen Gas belastet die Produktion schon seit drei Jahren.
Das Kernkraftwerk Emsland. Vor 62 Jahren nahm das erste Atomkraftwerk in Deutschland seinen kommerziellen Betrieb auf. Am 15. April soll aber endgültig Schluss sein mit der nuklearen Stromerzeugung, auch beim Kernkraftwerk Emsland.
Die Energieversorgung in Deutschland war Thema im Wahlkampf: Wäre eine Rückkehr zur Atomkraft sinnvoll? Hat Deutschland die höchsten Energiepreise? Könnte ein Blackout drohen? 16.01.2025 | 2:19 min
Erdgas dient dem Stickstoffwerk Piesteritz (SKW) als Rohstoff für die Produktion. Mit über einer Milliarde Kubikmeter pro Jahr ist es einer der größten Erdgasverbraucher der deutschen Industrie. Allein die von der Bundesregierung eingeführte Gasspeicherumlage kostet das Unternehmen über 40 Millionen Euro pro Jahr.

Ökonom: Andere Bedingungen für Unternehmen im Osten

Hohe Gaskosten einerseits. Andererseits kommt aus Russland und Weißrussland billiger Dünger auf den Markt. Die EU müsste darauf endlich Zölle verhängen, fordert SKW-Geschäftsführer Carsten Franzke. Von der neuen Bundesregierung fordert Franzke, die Energiepreise in Deutschland und deren Nebenkosten zu verringern.
"Uns steht in der Chemie - nicht nur in Piesteritz - das Wasser bis zur Nase. Wenn man die Gasspeicherumlage abschafft, kommt genau die Situation, dass wir wieder atmen können", sagt Geschäftsführer Franzke.
PK bei der Europäischen Kommission in Brüssel zum Aktionsplan für erschwingliche EnergiePC
Mit weniger Bürokratie und billigerer Energie will die EU-Kommission die Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen. So soll der "Clean Industrial Deal" grüne Technologien fördern. 26.02.2025 | 2:35 min
Bürokratie, hohe Energiepreise und der Fachkräftemangel belasten die ostdeutsche Wirtschaft besonders, sagt Professor Andreas Knabe, Wirtschaftswissenschaftler an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Das liegt daran, dass die Unternehmensstruktur im Osten kleinteiliger ist, dass wir andere Branchen in den neuen Bundesländern sehen, die weniger wertschöpfungsintensiv sind und dass die Erwerbsbevölkerung älter ist.

Andreas Knabe, Wirtschaftswissenschaftler

Bildung und Fachkräfte

Zusätzlich sollte die kommende Bundesregierung das Thema Fachkräftesicherung in den neuen Bundesländern beachten. "Die Bevölkerung schrumpft schneller und altert schneller als in den alten Bundesländern", so der Wirtschaftswissenschaftler.
Laut des Ostdeutschen Wirtschaftsforums (OWF) hat bereits über die Hälfte der ostdeutschen Unternehmen Probleme, Mitarbeiter zu finden und zu halten.
 Leipzig: Ein angehender Dachdecker zeichnet einen Dachziegel auf der Messe «Handwerk live». Am gleichen Tag findet hier das Handwerksforum Ost zum Thema «Nachwuchs- und Fachkräftemangel im Handwerk - Was ist zu tun?» statt.
Der Fachkräftemangel belastet die deutsche Wirtschaft zunehmend. Besonders betroffen sind Pflege, Handwerk und Elektronik. Ein großer Arbeitgeber fordert nun politische Lösungen.20.02.2025 | 1:35 min
Junge Leute müssten künftig so gut ausgebildet wie möglich in den Arbeitsmarkt gehen, sagt der Magdeburger Wirtschaftswissenschaftler Knabe. Zudem braucht es "qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland und gleichzeitig eine kulturelle Offenheit der einheimischen Bevölkerung gegenüber solcher Zuwanderung".
Im Schraubenwerk Zerbst übrigens längst Realität - hier arbeiten Mitarbeitende aus über 20 Nationen.
Hagen Mikulas ist Reporter im ZDF-Landesstudio in Sachsen-Anhalt.

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Quelle: dpa

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