Nitrat im Wasser: Steigt der Wert nach Aus für Stromstoffbilanz?

Nach Aus für Stoffstrombilanz:Bald wieder mehr schädliches Nitrat?

von Dagmar Noll
|

Wie viel Dünger verlässt den Hof? Mit der Stoffstrombilanz konnte das genau zugeordnet werden. Jetzt wurde sie abgeschafft. Nehmen die Schadstoffe in Boden und Wasser wieder zu?

Gülle wird ausgebracht
Zu viel Dünger belastet Boden, Gewässer und das Grundwasser. Zuletzt hatten sich die Schadstoffwerte leicht verbessert.
Quelle: Ingo Wagner

Ende Juni, pünktlich zum Bauerntag, meldete Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU), dass die so genannte Stoffstrombilanzierungsverordnung gekippt wird. Sie verpflichtete größere Betriebe zur Dokumentation ein- und ausfließender Nährstoffe - zum Beispiel über Dünge- und Futtermittel.
Die Verordnung war bei vielen Landwirten in der Kritik, weil sie weitere Bürokratie mit sich brachte und nicht auf alle Betriebsformen angewandt werden konnte. Außerdem lag ihr Grenzwert für den Stickstoffüberschuss mit 175 Kilogramm pro Hektar weit über dem tatsächlichen Überschuss von 77 Kilogramm pro Hektar (Quelle: Umweltbundesamt, Stand 2020).
Ein Algenteppich aus Grünalgen schwimmt vor einem Strand an der Ostsee.
Auf Felder und Äcker wird immer noch zu viel Kunstdünger und Gülle ausgebracht. Dies ernährt zwar Menschen, führt aber anderswo zu Artensterben und Gesundheitsschäden.23.10.2024 | 28:44 min

Angst vor steigenden Nitratwerten

Doch die Verordnung war das einzige Werkzeug, mit dem eine Überdüngung auf die verursachenden Betriebe zurückzuführen war. Nun fürchten Experten, dass die Nitratwerte im Trinkwasser wieder steigen könnten, weil die Verursacher wieder anonym wären.
Wenn das passiert, könnte das auch für die Regierung Folgen haben.2018 wurde Deutschland von der EU für die Nichteinhaltung der Nitratgrenzwerte im Trinkwasser verklagt. Eine Klage, die 2023 zurückgezogen wurde, weil die EU-Kommission die von Deutschland ergriffenen Korrekturen als hinreichend ansah. Dazu gehörte auch die 2018 eingeführte Stoffstrombilanzierungsverordnung.

Stilles Wasser im Öko-Test
:Öko-Test findet Schadstoffe in Mineralwasser

Stilles Mineralwasser ist ein günstiger Durstlöscher. Aber wie rein ist es? Insgesamt hat Öko-Test 53 Produkte untersucht, in 21 Wässern fanden die Tester Schadstoffe.
von Florence-Anne Kälble
Eine Person schenkt stilles Wasser aus einem Krug in ein Glas ein, das auf einem Gartentisch steht.

Wenn mit dem Dünger zu viel Stickstoff in die Natur gelangt, schadet das den Ökosystemen und belastet Gewässer und auch das Grundwasser. Stickstoff wandelt sich im Boden in Nitrat. Im Trinkwasser gilt das als gesundheitsgefährdend. Es kann bei Säuglingen die Aufnahme von Sauerstoff über das Blut behindern. Laut Umweltbundesamt kommen fast 90 Prozent des Nitrateintrags in das Grundwasser aus der Landwirtschaft.

Belastung der Gewässer niedriger

Der Nitratbericht des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung zeigt: Die Belastung der Gewässer ist zwar immer noch hoch, hat sich aber in den vergangenen Jahren leicht verbessert. Lagen im Messzeitraum von 2016 bis 2019 noch 26,6 Prozent aller Messstellen über dem Grenzwert von 50 mg/l Nitrat, waren es im Zeitraum 2020 bis 2022 nur noch 25 Prozent. Auch die Belastung der Oberflächengewässer ist leicht zurückgegangen, Küsten- und Meeresgewässer sind jedoch weiterhin in einem schlechten Zustand.
Dr. Benjamin Leon Bodirsky vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) führt die positive Entwicklung auch auf die Stoffstrombilanzierungsverordnung zurück:

Seit ihrer Einführung ist die Menge an Stickstoff, die von landwirtschaftlichen Flächen in die Umwelt gelangt, um fast ein Drittel gefallen.

Dr. Benjamin Leon Bodirsky, PIK

Minister löst Wahlversprechen ein

Trotzdem hat das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) die Stoffstrombilanzverordnung abgeschafft. Bundesminister Rainer sagt, er löse ein Wahlversprechen zum Bürokratieabbau ein: "Damit befreien wir unsere Höfe von jährlich 18 Millionen Euro Bürokratieballast."
Professor Harald Lesch mit Wasserglas vor Bodensee mit Niedrigwasser
Sauberes Trinkwasser ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Noch. Denn unsere Wasserreserven schrumpfen. Mit jedem Grad Celsius, die sich unsere Erde erwärmt, spitzt sich das Wasserproblem zu.23.06.2025 | 28:30 min
Prof. Klaus Dittert, Leiter der Abteilung für Pflanzenernährung und Etragsphysiologie an der Georg-August-Universität in Göttingen, sieht das anders. Er hätte die Verordnung zwar gerne reformiert, aber grundsätzlich behalten. Ihr Wegfall ist für ihn alarmierend.

Die Aufhebung der Stoffstrombilanzierung kommt faktisch einem Rückfall in die Gesetzlosigkeit im Bereich der Düngung gleich.

Prof. Klaus Dittert, Georg-August-Universität Göttingen

Bestraft würden nun nämlich wieder die Landwirte, die sich an Regelungen gehalten und verantwortungsvoll gedüngt hätten. Umweltsünder, die überdüngen, hätten wieder freie Fahrt, so Dittert.
Junger Mann schüttet Erde von der einen in die andere Hand
Fair und sozial zu wirtschaften, bedeutet auch Verzicht auf Geld und Sicherheit. Im Film gehen junge Menschen der Frage nach: Macht Sinn glücklicher als Geld? 15.04.2025 | 28:37 min

Deutschland drohen EU-Strafen

Bundesminister Rainer stellt immerhin Änderungen in der Düngeverordnung in Aussicht, die dem entgegenwirken sollen. Möglicherweise erweist er Deutschland durch die Abschaffung der Verordnung aber einen Bärendienst. Denn das mit der EU vereinbarte Wirkungsmonitoring, welches Bestandteil der Nitrat-Richtlinie ist, wird nun nicht mehr durchgeführt.
Das könnte die EU-Kommission dazu veranlassen, das Vertragsverletzungsverfahren von 2018 wieder aufzunehmen. Es drohen Milliardenstrafen, die schlussendlich Verbraucherinnen und Verbraucher schultern - ebenso wie höhere Preise für Trinkwasser. Denn das Herausfiltern von Nitrat ist teuer.

ESA-Mission "Biomass"
:Satellit wacht über schrumpfende Wälder

Intakte Wälder liefern Sauerstoff und sind wichtig für das Klima. Wie groß genau aber das Volumen ihrer Biomasse ist, weiß niemand. Ein neuer ESA-Satellit soll das jetzt ändern.
von Mark Hugo
Der ESA-Satellit Biomass schwebt im All über der Erde.
mit Video

Mehr zum Thema Landwirtschaft