Rezeptpflichtige Medikamente sollen in deutschen Apotheken überall das Gleiche kosten.
Quelle: dpa
Wer mit einem Rezept vom Arzt bei einer Apotheke aufschlägt, kann sich eigentlich sicher sein, dass das Medikament überall in Deutschland gleich viel kostet. Dafür sorgt die gesetzliche Arzneimittelpreisbindung. Der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat nun entschieden, dass eine im EU-Ausland ansässige Versandapotheke Kunden in Deutschland vor mehr als zehn Jahren Bonusprämien auf rezeptpflichtige Medikamente gewähren durfte. Ein Überblick darüber, wie Medikamentenpreise entstehen und was Urteil des BGH bedeutet.
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Wann gilt die gesetzliche Preisbindung?
Für Medikamente, die man ohne Rezept vom Arzt in der Apotheke kaufen kann, gibt es keine gesetzliche Preisbindung. Jede Apotheke entscheidet also selbst, wie teuer sie diese verkauft.
Für verschreibungspflichtige Medikamente sind die Preise hingegen gesetzlich geregelt - über die Arzneimittelpreisverordnung. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Medikamente in jeder Apotheke zum gleichen Preis angeboten werden sollen. Das soll die Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und die vulnerablen Patienten vor einer Übervorteilung schützen.
Wie wird der Preis für rezeptpflichtige Medikamente gebildet?
Zunächst legt das Pharmaunternehmen den Verkaufspreis für sein Arzneimittel selbst fest. Der Großhandel und die Apotheken erheben darauf Zuschläge - die wiederum gesetzlich geregelt sind. Der Großhandel darf zunächst maximal 3,15 Prozent plus einen Festzuschlag von 73 Cent je Packung, höchstens aber 37,80 Euro draufschlagen.
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Die Apotheken dürfen darauf wiederum einen Zuschlag von drei Prozent plus einen Fixbetrag von 8,35 Euro je Packung erheben. Dazu kommen 21 Cent für die Sicherstellung des Notdienstes sowie 20 Cent für die Förderung zusätzlicher pharmazeutischer Leistungen.
Welche Regeln gibt es für Geschenke und Gutscheine?
Zu der Arzneimittelpreisbindung gehört grundsätzlich auch, dass die Apotheken beim Verkauf von rezeptpflichtigen Medikamenten keine Werbegeschenke oder Gutscheine für den nächsten Einkauf dazugeben dürfen.
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Im Juni 2019 urteilte der BGH, dass selbst Mini-Geschenke wie Taschentücher oder Traubenzucker von der Apotheke nicht erlaubt sind. Zuvor waren in der Rechtsprechung noch Kleinigkeiten bis zu einem Wert von einem Euro zulässig gewesen.
Gilt die Preisbindung auch für Online-Apotheken im Ausland?
Seit Jahren wird darüber gestritten, ob die Preisbindung auch für Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland gilt. Die Frage beschäftigte nun den BGH. Der Bayerische Apothekerverband hatte in Karlsruhe gegen die Versandapotheke Tanimis Pharma aus den Niederlanden geklagt, die vor mehr als zehn Jahren auch deutschen Kundinnen und Kunden Bonusprämien beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente versprach. Dabei handelt es sich um eine Tochter von DocMorris, die inzwischen im Unternehmen integriert ist.
Wie urteilen Gerichte zur Preisbindung?
Der
Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied 2016 in einem wegweisenden Urteil, dass die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) nicht für Apotheken mit Sitz in anderen EU-Mitgliedsstaaten gelten. Denn das würde den freien Warenverkehr einschränken und damit gegen EU-Recht verstoßen. Zwar könne eine Beschränkung des freien Warenverkehrs grundsätzlich mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden - doch die Preisbindung sei für diesen Zweck nicht geeignet.
Die Münchner Vorinstanzen hatten im konkreten Fall der Klage des Apothekerverbands trotzdem stattgegeben. In Karlsruhe hatte nun jedoch die Versandapotheke Erfolg: Gemäß EuGH müssten "harte Fakten" für eine Rechtfertigung der Preisbindung vorliegen, urteilte der erste Zivilsenat. Das Urteil bezieht sich allerdings explizit nur auf frühere Regelungen nach dem AMG in der bis zum 14. Dezember 2020 geltenden Fassung.
Zur Umsetzung der EuGH-Entscheidung wurde der Passus im AMG aufgehoben, demzufolge die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel galt, die im Wege des Versandhandels nach Deutschland kamen. Änderungen erfolgten über das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken im Sozialgesetzbuch. Für gesetzlich Versicherte soll demnach der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten - unabhängig davon, ob diese über eine Apotheke vor Ort oder eine EU-Versandapotheke bezogen werden.
Welche Folgen könnte das BGH-Urteil haben?
Hier unterscheiden sich die Interpretationen deutlich: DocMorris teilte mit, auf Basis des Urteils Kunden bei Online-Bestellungen für alle Medikamente auf Rezept "ab sofort" wieder einen finanziellen Bonus zu gewähren.Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hingegen betonte, die Preisbindung sei im Fünften Sozialgesetzbuch gesetzlich festgelegt. Vorbehaltlich der Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe gingen die Verbände davon aus, dass es dabei bleibe. "Arzneimittel sind keine schlichte Handelsware, sie sind höchst beratungsbedürftige Produkte mit umfangreichen Risikoprofilen - Rabatte und Boni gehören nicht in die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung", erklärte ABDA-Präsident Thomas Preis.
In einem früheren Bericht war die Rede davon, dass Versandapotheken mit Prämien locken dürfen. Das wurde korrigiert, weil sich das Urteil konkret nur auf eine frühere Regelung bezieht. Es muss deshalb heißen, dass eine Versandapotheke mit Prämien locken durfte.
Quelle: dpa