Maschinenbau unter Druck: "Herbst des Handelns" gefordert

Industrie unter Druck:Maschinenbau fordert "Herbst des Handelns"

von Anne Sophie Feil
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Zölle, globaler Wettbewerb und Bürokratie setzen dem Maschinenbau zu. Beim Gipfeltreffen pocht der Sektor auf dringende Reformen. Kanzler Merz verspricht "sehr konkrete Schritte".

sgs - zimmermann mainitz

Fehlende Investitionen, Reformstau und der Zollkonflikt machen dem Maschinenbau zu schaffen. Die Branche lebt vor allem vom Export - und gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

16.09.2025 | 1:27 min

"Wir wollen, dass dieses Land ein Land produzierender Industrie bleibt", erklärt Bundeskanzler Friedrich Merz an diesem Dienstag auf dem Maschinenbaugipfel in Berlin. Deutschland müsse beste Standortbedingungen bieten, damit die Industrie hierbleibe und nicht abwandere.

Industrie drängt auf Reformen

Damit greift er die Sorgen einer Schlüsselbranche auf: Der Branchenverband VDMA erwartet 2025 einen Produktionsrückgang von fünf Prozent und nur ein Prozent Wachstum im kommenden Jahr. Hauptgründe sind internationale Handelskonflikte, ausufernde Bürokratie und steigende Kosten. Nicht zum ersten Mal wendet sich die Branche an die Politik. VDMA-Chef Bertram Kawlath erklärt:

Die Unternehmen sind wütend über Reformen, die versprochen, aber nicht schnell genug umgesetzt werden.

Bertram Kawlath, VDMA-Chef

Aus dem angekündigten Herbst der Reformen müsse ein "Herbst des Handelns" werden, Kawlath weiter.

Baden-Württemberg, Bietigheim-Bissingen: Ein Arbeiter des Maschinenbauers Dürr montiert am Stammsitz einen Roboterarm für eine Lackieranlage für Fahrzeuge.

Die Branche klagt unter anderem über zu viele Regulierungen und Unsicherheiten mit der US-Zollpolitik. Beim Branchengipfel in Berlin versprach Bundeskanzler Merz Abhilfe.

16.09.2025 | 1:33 min

US-Zölle belasten massiv

Ein akutes Problem sind die US-Zölle auf Stahl und Aluminium, die Maschinenbauer zu deutlichen Preissteigerungen in den Vereinigten Staaten zwingen. Laut VDMA unterliegen rund 40 Prozent der europäischen Maschinenlieferungen in die USA einem Zoll von 50 Prozent auf den Metallanteil.

Zusätzlich könnten die US-Behörden die betroffenen Produkte alle vier Monate neu prüfen. "Eine tickende Zeitbombe für unsere Branche", warnt Kawlath. Firmen müssen den Metallanteil berechnen und belegen sowie die Herkunft des Materials nachverfolgen. Für viele, insbesondere mittelständische Betriebe, sei das schlicht nicht möglich.

Merz wirbt für offene Märkte

Kanzler Merz erklärt, das zwischen der EU und den USA ausgehandelte Zollabkommen sei "von allen denkbaren Lösungen (…) die am wenigsten schlechte". Er räumt ein, dass bei Aluminium und Stahl noch Lösungen erzielt werden müssten. Man sei aber "auf gutem Weg".

Merz will Deutschlands Handelsbeziehungen breiter aufstellen und Partner gewinnen, die auf offene Märkte und freien Handel setzen. "Deswegen setze ich mich mit großem Nachdruck dafür ein, dass wir so schnell wie möglich das Mercosur-Abkommen mit den südamerikanischen Staaten zur Verabschiedung bringen", sagt Merz und mahnt:

Aber Sie haben Recht, es darf nicht mehr so lange dauern wie in der Vergangenheit.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

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Chance in Asien

Auch Michael Müller, Vorstandsmitglied des VDMA Baden-Württemberg und Geschäftsleiter des mittelständischen Anlagenbauers Wagner, spricht von einer "durchaus angespannten" Lage - wegen der unkalkulierbaren US-Zölle, "aber auch durch die jahrelang gesunkene Wettbewerbsfähigkeit des Standorts", so Müller.

Er sieht Möglichkeiten bei anderen Handelspartnern: "Auf der anderen Seite sehen wir Chancen, vor allem im asiatischen Bereich, wo sich ein starkes Wirtschaftswachstum zeigt, von dem natürlich auch der deutsche Maschinenbau profitieren kann."

Die Wagner-Gruppe etwa steigere ihren Umsatz im aktuellen Jahr in Asien um 28 Prozent. Der Mittelständler verlagert zunehmend Produktion dorthin, um näher am Wachstumsmarkt zu sein und weniger abhängig von den USA.

Merz verspricht schnellen Bürokratieabbau

Diese Internationalisierung ist jedoch aufwendig. Müller kritisiert, "dass die Regulatorik, die aktuell existiert, nicht deutsche und europäische Unternehmen schützt, sondern im globalen Wettbewerb eher schwächt und verlangsamt". Je kleiner die Firmen, desto größer sei die Belastung.

Brodtmann: "Neue Märkte erschließen"

US-Zölle verursachen bürokratisch einen "riesigen Aufwand, der die Mittelständler extrem belastet", sagt Tilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau.

16.09.2025 | 4:34 min

Merz verspricht, rasch zu handeln: "Wir werden sehr konkrete Schritte unternehmen." Er plane für Oktober eine Kabinettsitzung, "in der wir nicht ein einziges neues Gesetz beschließen, sondern eine ganze Reihe von bestehenden Gesetzen und Regulierungen abschaffen". Ziel sei es, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen in den nächsten eineinhalb Jahren um ein Viertel zu reduzieren und so etwa zehn Milliarden Euro einzusparen.

Der Maschinenbaugipfel zeigt, wie ernst die Lage einer der wichtigsten deutschen Industrien ist. Die Politik signalisiert Handlungsbereitschaft. Nun hofft die Branche, dass den Versprechen auch Taten folgen.

Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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