Steuer- und Betriebsprüfungen:"Milliarden, die uns fehlen": Kampf gegen Steuerbetrug
von Stefan Hanf
Der Bundeshaushalt 2026 sieht 180 Milliarden Euro neue Schulden vor. Was läge also näher, als bei Steuer- und Betriebsprüfungen genauer hinzuschauen und so mehr Geld reinzuholen?
Im Schnitt sorgt jeder Steuerprüfer pro Jahr für mehr als eine Million Euro an Steuernachzahlungen.
Quelle: dpaMalte Magold ist ein erfahrener Strafverteidiger, spezialisiert auf Wirtschaftsstrafsachen, insbesondere Fälle von Steuerhinterziehungen. Über mehrere Jahre verteidigte er in einem aufwendigen Prozess einen fränkischen Gastronomen, dem "strafbare Steuerverkürzung" in Millionenhöhe vorgeworfen wurde.
Aufgefallen ist mein Mandant bei einer steuerlichen Betriebsprüfung. Dabei kam der Verdacht auf, dass Einnahmen an den Büchern vorbeigelaufen sind. Diese Differenz, also das, was er nicht angegeben hat, ist natürlich dann nicht der Besteuerung unterworfen und so entsteht der Steuerschaden.
Dr. Malte Magold, Strafverteidiger
In Nordrhein-Westfalen hat die Steuerfahndung ein besonderes Augenmerk auf Social-Media-Influencer. Finanzermittler meldeten einen Steuerbetrug von 300 Millionen Euro durch nicht versteuerte Einnahmen.
18.07.2025 | 3:08 minMilliarden aus Steuernachzahlungen - aber weniger Prüfer im Einsatz
Betriebs- und Steuerprüfungen wirken also. Vor allem durch sie gehen Steuerhinterzieher ins Netz. Und die Erfolgsbilanz kann sich auch in nackten Zahlen sehen lassen: Bundesweit gab es Ende 2023 exakt 12.394 Betriebsprüfer und Betriebsprüferinnen in Deutschland.
Laut Bundesministerium der Finanzen erzielten sie mit ihrer Arbeit ein "Mehrergebnis" von 13,2 Milliarden Euro. Heißt im Klartext: Jeder Prüfer holte dem Staat durchschnittlich 1.065.031 Euro pro Jahr an Steuernachzahlungen herein.
Tatsache ist allerdings auch: Die Zahl von Betriebsprüferinnen und -prüfern sinkt seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich. Die Folge: Laut Bundesfinanzministerium wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 16 von 1.000 Betrieben einer Prüfung unterzogen, also nicht einmal jeder sechzigste.
Personalmangel, Geldmangel, überlastete Gerichte: Deutschlands Strafjustiz ist am Limit. Vor allem Wirtschaftskriminelle profitieren häufig davon.
20.01.2021 | 44:59 minKritik an mangelnder Ausstattung der Steuerbehörden
Dass die Zahl der Betriebsprüfer und der Kontrollen durch die Finanzbehörden sinken, kritisiert Anne Brorhilker scharf. Bekannt geworden ist Brorhilker als Oberstaatsanwältin in den großen Cum-Ex-Prozessen. Seit ihrem freiwilligen Ausscheiden aus dem Staatsdienst arbeitet sie bei Finanzwende - einer Initiative, die sich dem Kampf gegen Finanzkriminalität verschrieben hat.
Anne Brorhilker hat als Staatsanwältin zehn Jahre lang an der Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals gearbeitet. Im April legte sie den Dienst nieder, jetzt hat sie erstmals über ihre Erfahrungen gesprochen.
16.07.2024 | 1:59 min"Finanzkriminalität wird in Deutschland noch zu häufig als Kavaliersdelikt angesehen", sagt Brorhilker.
Es geht aber um Milliarden, die uns allen fehlen, und die wir endlich zurückholen müssen. Das ist eine bedenkliche Schräglage und einfach auch eine Ungerechtigkeit.
Anne Brorhilker, ehemalige Oberstaatsanwältin
Sie bemängelt insbesondere das erfolgreiche Lobbying der Finanzbranche. Allein die Betrügereien mit Dividendenzahlungen (Cum-Ex und Cum-Cum) haben die Steuerzahler wohl mehrere Dutzend Milliarden Euro gekostet - nur ein Bruchteil davon wurde bislang erfolgreich zurückgefordert.
Gut 100 Jahre gab es in Deutschland eine Vermögensteuer, die dem Staat damals Milliarden in die Haushaltskasse spülte. Doch 1997 wurde sie plötzlich "ausgesetzt". Wie kam es dazu?
14.10.2024 | 34:28 minMilliardenverluste durch fehlendes Personal bei Steuerfahndung
Warum aber gibt es immer weniger Betriebsprüfer und Steuerfahnder? Ein Grund ist - wie fast überall - der Fachkräftemangel. Ein weiterer, dass Betriebsprüfer und Steuerfahnder in der Regel Mitarbeiter der Bundesländer sind und von diesen bezahlt werden müssen.
Von den zusätzlichen Steuereinnahmen profitieren die Bundesländer aber nur zum Teil, denn viele Steuerarten werden zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt. Wenig attraktiv also für die Länder, viele neue Prüfer und Prüferinnen einzustellen - trotzdem sei das keine Entschuldigung, meint die Ex-Oberstaatsanwältin Brorhilker:
Wir als ehrliche Steuerzahler haben einen Anspruch darauf, dass sich der Staat kümmert und das Steuergeld wieder reinholt. Da müssen sich Bund und Länder eben einigen, wie man das so organisieren kann, dass man in der Lage ist, die Fälle auch zu bearbeiten, damit uns nicht Milliarden durch die Lappen gehen.
Anne Brorhilker, ehem. Oberstaatsanwältin
Dass die Strafverfolgungsbehörden im Zweifel hart durchgreifen können, musste dagegen der fränkische Gastwirt und Imbissbetreiber erfahren. Er wurde in einem jahrelangen Strafprozess schließlich zu zwei Jahren Haft auf Bewährung plus Schadenswiedergutmachung verurteilt.
Am Ende werden der Staatskasse allein durch dieses Verfahren weit mehr als eine halbe Million Euro zufließen.
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