Reaktion auf Trumps Zollchaos:Was die Zinssenkung der EZB bewirken soll
von Felix Krauser und Richard Luttke
|
Trump hält die europäischen Märkte mit seiner Zollpolitik in Atem. Die EZB reagiert und sendet ein wichtiges Signal: Sie senkt den Leitzins. Was sie sich davon erhofft.
"In einem dunklen Raum bewegt man sich mit kleinen Schritten. Du rennst nicht, aber du bewegst dich", sagte einst der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi. Gemeint war das richtige Handeln in unsicheren Zeiten. In diesem Bild scheint der Raum zurzeit geradezu finster und der einzige "Lichtschalter" befindet sich im Weißen Haus.
Entsprechend besonnen handelt heute die EZB. Zum siebten Mal seit Juni letzten Jahres senkten die Notenbanker die Leitzinsen. Nach der heutigen Senkung um 25 Basispunkte liegt der Einlagezins, der maßgeblich für die Höhe von Spar- und Kreditzinsen ist, nur noch bei 2,25 Prozent. Einen solchen Schritt hatten die Märkte bereits erwartet.
EZB - Wachstum unter Druck
Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, betont, vieles deute darauf hin, dass sich die Inflation im Bereich des Ziels von zwei Prozent einpendele. Gleichwohl stellt sie fest:
Die Wachstumsaussichten haben sich jedoch aufgrund der zunehmenden Handelsspannungen eingetrübt.
Christine Lagarde, EZB-Präsidentin
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht die EZB nach der Zinssenkung gut gerüstet, "darauf zu reagieren, was noch kommt".
Noch vor einem Monat rechneten die wenigsten Beobachter mit einer weiteren Senkung, eine Pause schien wahrscheinlich. Doch dann kam mit Donald Trumps wechselhafter Zollpolitik Unsicherheit in die Märkte. Das temporäre Aussetzen der Zölle hilft da wenig. Dafür hat Trump zu viel Vertrauen in bestehende Handelsbeziehungen verspielt.
Gesunkene Inflation schafft Spielraum
Dies hat zur Folge, dass die ohnehin magere Wachstumsprognose für 2025 von 0,9 Prozent weiter unter Druck geraten könnte. Die allgemeine Unsicherheit lässt zudem Unternehmen und Verbraucher Investitionen und Ausgaben verschieben. Mit der weiteren Zinssenkung möchte die EZB diesen Trends entgegenwirken und Stabilität signalisieren.
Möglich machen das Faktoren wie niedrigere Ölpreise, die die Inflation auf absehbare Zeit weiter dämpfen. Zuletzt war die Inflation im Euroraum bereits auf 2,2 Prozent gesunken.
Zinssenkung erwartet
Ökonomen unterstützen die EZB-Entscheidung. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, bezeichnet den Schritt als "wenig überraschend". Auch Jörg Krämer von der Commerzbank kann die Entscheidung "nachvollziehen".
Lagarde selbst stellt klar, dass die erneute Zinssenkung ein Zeichen der Sicherheit für die Finanzmärkte sei. Man müsse auf alles vorbereitet sein, so die EZB-Chefin. Mit der Zinssenkung erhofft man sich, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Geringe Zinsen, beispielweise bei Krediten, sind immer auch Anreize für Investitionen.
Effekt unklar
Dennoch bleibt fraglich, welche Wirkung vom Signal der EZB ausgeht. Schließlich sind die angekündigten 0,25 Prozent von den Märkten bereits eingepreist. Bei Sparkassen und genossenschaftlichen Banken lag der Zinssatz meist bereits schon darunter. Die EZB könne nur indirekt und eingeschränkt Einfluss nehmen, analysiert auch Carsten Brzeski.
Dabei sind die Folgen von Trumps Zöllen noch gar nicht genau zu berechnen. Nach der Aussetzung stehen nun Verhandlungen an. Doch niemand weiß genau, ob und wann Trump das nächste Mal den "Lichtschalter" im Weißen Haus betätigen wird. Zumindest hat die EZB mit ihrer Zinssenkung erst einmal die Weichen gestellt.
Quelle: dpa
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Mehr Nachrichten der EZB
mit Video
Erwartete Zinssenkung der EZB:Kurzfristig "Effekte relativ überschaubar"
FAQ
EZB, Fed und Co.:Was Unabhängigkeit der Notenbanken bedeutet
von Frank Bethmann
Analyse
Erneute Zinssenkung im Euroraum:Wie die EZB auf die Wirtschaftslage reagiert
von Valerie Haller