Radsport: Degenkolb über "schlimmste Zeit meiner Karriere"

Interview

Radsport - Deutschland-Tour:Degenkolb: "Schlimmste Zeit meiner Karriere"

von Stephan Klemm
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John Degenkolb spricht im Interview über seinen schweren Sturz im April, seine Leidenszeit in der Reha, die Deutschland Tour und die Pläne für die kommende Saison.

John Degenkolb vor der Flandern-Rundfahrt im April.

John Degenkolb im April vor der Flandern-Rundfahrt, bei der er später schwer stürzte.

Quelle: Imago

ZDFheute: Herr Degenkolb, Anfang April sind Sie bei der Flandern-Rundfahrt gestürzt und haben sich dabei sehr schwer verletzt. Was war alles gebrochen nach Ihrem Unfall?

John Degenkolb: Ich habe einen großen Schaden am rechten Handgelenk, am rechten Unterarm, am Ellenbogen und am Schlüsselbein davongetragen. Also im Grunde war alles vom Handgelenk bis hoch zur Schulter auf der rechten Seite betroffen. Da waren komplizierte Brüche dabei, die zum Teil mit vielen Schrauben und Platten fixiert werden mussten. Der aktuelle Stand ist, dass das alles auch erst einmal drin bleibt. Ende Oktober, nach der Saison, entscheiden wir, wie es weitergeht.

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ZDFheute: Hatten Sie im Moment des Sturzes schon geahnt, wie schlimm es ist?

Degenkolb: Nein, in dem Moment stand ich unter großem Stress, unter Adrenalin, unter Strom. Die Tragweite habe ich nicht realisiert. Der erste klare Gedanke, der mir auf dem Boden liegend kam, war: Oh Mann, deine rechte Schulter schmerzt, hoffentlich kannst du nächste Woche bei Paris-Roubaix starten.

ZDFheute: Die anschließende Diagnose war sehr niederschmetternd. Haben Sie daraufhin sofort den Gedanken gefasst, sich wieder zurück ins Peloton zu kämpfen, Ihr Alter von 36 Jahren dabei ignorierend?

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Degenkolb: Für mich war klar: Wenn es eine Möglichkeit gibt, weiterzumachen, dann würde ich sie auch unbedingt wahrnehmen wollen. Ich wollte meine Karriere nicht wegen eines Sturzes beenden müssen. Dass es gelungen ist, ist für mich unbeschreiblich, denn ich habe eine wahnsinnig heftige Leidenszeit hinter mir. Das war die schlimmste Zeit meiner Karriere.

Ich kann mich nur bei denen bedanken, die mir mit Zuspruch und Unterstützung beigestanden haben, das waren Freunde, Bekannte, Fans und die ganze Familie. Es war schlicht der Wahnsinn, was ich mit den Ärzten und den Reha-Abteilungen gemeinsam erarbeitet habe: fünfmal die Woche vier Stunden, das war ein Fulltime-Job. Das geht nur mit viel Willenskraft und Energie.

Es ist unglaublich, aber ich kann mir jetzt bei der Deutschland Tour wieder eine Startnummer auf den Rücken kleben, das allein ist schon ein Triumph für mich.

John Degenkolb

  • Prolog, Mittwoch: Essen (3,1 Kilometer / 64 Höhenmeter)
  • 1. Etappe, Donnerstag: Essen - Herford (203 km / 1.330 HM)
  • 2. Etappe, Freitag: Herford - Arnsberg (190 km / 2.400 HM)
  • 3. Etappe, Samstag: Arnsberg Kassel (176 km / 2.720 HM). Dort nach Zielankunft ein Transfer
  • 4. Etappe, Sonntag: Halle/S. - Magdeburg (164 km / 910 HM)


ZDFheute: Seit wann trainieren Sie wieder?

Degenkolb: Anfang, Mitte Mai war ich wieder in der Lage, mich auf die Rolle zu setzen und diverse Trainingseinheiten durchzuführen - ohne Stützlast auf dem Handgelenk. Draußen war ich Mitte Juli das erste Mal wieder. Da musste ich mich Stück für Stück wieder an das Radfahren herantasten. Ich musste lernen, Erschütterungen auszuhalten, am Lenker zu ziehen, über eine Bordsteinkante zu fahren, Schläge zu tolerieren.

ZDFheute: Sie haben es zur Deutschland Tour wieder zurück ins Peloton geschafft. Was bedeutet das für Sie?

Degenkolb: Viel und fast schon alles. Mir ist es wichtig, einen guten Start zu schaffen und gut ins Rennen reinzukommen. Ich habe keinerlei Leistungserwartungen in Bezug auf irgendeine Platzierung.

ZDFheute: Wie haben Sie den Prolog in Essen wahrgenommen?

Degenkolb: Kurz und schmerzhaft für meine Beine. Ich war wie im Tunnel. Die Stimmung war sensationell. Ich war lange nicht mehr so aufgeregt vor einem Rennstart. Aber zum Glück haben alle meine Knochen gehalten (er wurde mit 14,02 Sekunden Rückstand 77., die Red.).

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von Stephan Klemm
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FAQ

ZDFheute: Was nehmen Sie sich noch vor für den Rest der Saison?

Degenkolb: Mein Team Picnic-Post NL und ich haben noch ein schönes Programm für mich ausgearbeitet. Ich beginne mit der Deutschland Tour. Ich fahre dann noch die Tour of Britain, ein paar Eintagesrennen in Belgien, Frankreich, Italien, zudem den Münsterland-Giro am 3. Oktober und zum Abschluss die Tour of Holland.

ZDFheute: Auf was läuft das dann alles in der kommenden Saison hinaus für Sie?

Degenkolb: Ich möchte bei den Frühjahrsklassikern noch mal Akzente setzen, vor allem bei Paris-Roubaix. Das Rennen ist meine große Leidenschaft, dort konnte ich 2015 ja gewinnen.

Eine Grand-Tour nehme ich mir auch vor, warum nicht die Tour de France? Aber das müssen wir abwarten.

John Degenkolb

ZDFheute: Ihr Vertrag endet 2026. Anfang 2027 werden Sie 38 Jahre alt. Werden Sie Ihren Kontrakt verlängern?

Degenkolb: Mir ist jetzt erstmal mein Comeback wichtig. Ob ich nach Ablauf meines Vertrages weitermache, würde ich mir zum aktuellen Zeitpunkt gern offenhalten.

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Quelle: Reuters

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