112. Tour de France: Pogacar fährt im Verwaltungsmodus zum Sieg

112. Frankreich-Rundfahrt:Pogacar: Im Verwaltungsmodus zum Tour-Sieg

von Stephan Klemm
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Tadej Pogacar hat die 112. Tour de France letztlich souverän gewonnen. Doch in der dritten Woche quälte er sich, krank und ausgelaugt, dem Ziel in Paris entgegen.

Tadej Pogacar radelt über die Ziellinie der Tour de France bei der Champs-Élysees.
Tadej Pogacar zeigte während der Tour eine für ihn eher ungewöhnlich defensive Fahrweise.
Quelle: afp

Zuletzt in den Alpen war Tadej Pogacar, ein ansonsten hyperaktiver Radprofi und ehrgeiziger Seriensieger, seltsam passiv. Obwohl er auf dem Rad einen klassischen Pogacar-Eindruck hinterließ - souverän, scheinbar schwerelos, kraftvoll -, verzichtete er bei beiden Passagen durch Frankreichs östliches Hochgebirge auf Attacken und damit auf zwei durchaus mögliche Tagessiege.
Die Begründung dafür klang einleuchtend und verständlich:

Mein Ziel war es, das Gelbe Trikot zu verteidigen und auf das aufzupassen, was mein Konkurrent Jonas Vingegaard macht.

Tadej Pogacar über seine Zurückhaltung in den Alpen

Doch diese Erklärung ist ungewöhnlich für Pogacar, sie passt nicht zu ihm. Und sie passt auch nicht zu dem Pogacar, der in den ersten beiden Wochen der Tour zu sehen war.

Pogacar fährt zunächst mutig und unaufhaltsam

Da raste er, wie er immer raste: wild, mutig, unaufhaltsam und getrieben von einem erstaunlichen Siegtrieb, Radsport schien wie immer ein Spiel für ihn zu sein. Eine Einstellung, die ihn zu vier Etappensiegen nach 13 Tour-Tagen führte, 21 sind es schon insgesamt.
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Pogacar, immer noch erst 26 Jahre alt, schien wieder mit seinem üblichen Erfolgshunger, der sich fast zu einem Erfolgszwang gesteigert hat, zur Tour angereist zu sein. Letztlich gewann er das Rennen mit 4:24 Minuten vor seinem dänischen Herausforderer Jonas Vingegaard. Es war sein vierter Tour-Triumph seit 2020.

Schnupfen, Halsschmerzen und ein Sturz

Doch mit Beginn der dritten Woche war alles anders. Der Slowene fuhr so defensiv wie noch nie bei der Tour. Schnupfen, Halsschmerzen, dazu ein Sturz. Auf der Suche nach Erklärungen für diese Passivität spielt auch die Rotfärbung von Pogacars Nase eine Rolle. Die erklärte er vor einer Woche mit einer Erkältung.
Zuvor war er in Toulouse zum Auftakt der zweiten Tour-Woche unweit des Ziels gestürzt und auf die linke Seite gekracht. Prellungen und Hautabschürfungen waren die Folge. In den Alpen zeigte sich Pogacar, ansonsten ein stets scherzender junger Mann, zurückhaltend, kaum lächelnd, dazu nörgelnd und schlecht gelaunt.

Pogacar holt sich trotz Müdigkeit das Bergtrikot

Er sei erschöpft und zähle die Kilometer bis Paris herunter, sagte er. Die Erkältung, der Sturz von Toulouse, mieses Wetter am Donnerstag und Freitag in den Alpen, dazu "ständige Attacken von allen Seiten" - Pogacar wirkte ausgelaugt und auf Reserve fahrend.
Ein Zustand, der ansonsten selbst nach seinen verblüffendsten Siegen nicht bei ihm zu beobachten ist.
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Am Freitag nach der letzten großen Kletter-Aufgabe dieser Tour sagte Pogacar schließlich: "Ich bin offensichtlich müde." Wobei: En passant sammelte Pogacar noch einen Triumph bei dieser Tour ein: den Sieg in der Bergwertung, zum dritten Mal in Folge.

Zweifel an seinen Leistungen bleiben

Obwohl sich Pogacar so menschlich zeigte wie noch nie bei der Tour, gibt es weiterhin viele Zweifel und Zweifler an seinen Leistungen. Zumal der Teamchef seines UAE-Teams Emirates der Schweizer Mauro Gianetti ist, der bei der Tour 2008 als Boss des Teams Saunier-Duval im Zentrum eines großen Tour-Skandals stand.
Die Mannschaft wurde damals von der Frankreich-Rundfahrt ausgeschlossen, weil sich die Dopingfälle während des Rennens häuften.
Vor einem Jahr sagte Pogacar in Richtung seiner Skeptiker: "Du solltest nichts einnehmen, was deiner Gesundheit und deinem Herzen schadet, das ist es nicht wert, das wäre sehr dumm. Es wäre Wahnsinn, die Gesundheit wegzuwerfen und dein Leben zu riskieren."
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Van Aert lässt Pogacar an Sacré Coeur stehen

Am Sonntag wiederum begeisterte ein wieder erwachter Pogacar seine Fans bei der Abschlussetappe, die drei Mal über den Montmartre führte. Pogacar attackierte bei der zweiten Passage, setzte sich schließlich mit fünf Fahrern ab und wurde doch noch gestellt.
Wout Van Aert ließ Pogacar im dritten Anstieg hinauf zu Sacré Coeur stehen und sicherte sich den finalen Etappensieg. Pogacar, der Tagesvierte, aber gewann die Tour und zeigte sich erneut wie Pogacar: als Angreifer, der noch einmal seine Müdigkeit abgelegt hatte.










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