Heim-WM: Es geht um die Zukunft des deutschen Frauenhandballs

Handballerinnen wollen raus aus Nische:WM: Es geht um die Zukunft des deutschen Frauenhandballs

von Erik Eggers

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Für die deutschen Handballerinnen, seit jeher im Schatten der Männer spielend, geht es bei der Heim-WM nicht alleine um den Sport. Die WM soll Aufbruch in die Zukunft sein.

Handball-Nationalspielerin Nieke Kühne (Mitte) und ihre Teamkolleginnen wollen bei der Heim-WM weit kommen.

Handball-Nationalspielerin Nieke Kühne (Mitte) und ihre Teamkolleginnen wollen bei der Heim-WM weit kommen.

Quelle: action press

Etwas "Großes" steht an, spürt Nieke Kühne. Bei der Heim-WM im Frauenhandball, die am 26. November in Stuttgart mit der Partie Deutschland gegen Island eröffnet wird, geht es nicht allein um den Sport, weiß die 21-jährige Rückraumspielerin aus Blomberg: "Man versucht, den Frauenhandball mehr in den Vordergrund zu rücken, dass wir mehr Aufmerksamkeit bekommen."

Bei der nach 1965, 1997 und 2017 vierten WM in Deutschland steht demnach nicht weniger als die Zukunft des deutschen Frauenhandballs auf dem Spiel. Dieser hat - das ist die bittere Realität - selbst im Ranking des deutschen Frauensports zuletzt enorm eingebüßt, etwa gegenüber dem Fußball. Mit der WM wollen die Handballerinnen nun dem Dasein in der Nische entfliehen.

Xenia Smits und Antje Döll mit Sven Voss im aktuellen Sportstudio am 15.11.25

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15.11.2025 | 13:14 min

Handball wurde als Frauenspiel erfunden

Handball wurde zwar 1917 in Berlin als Frauenspiel erfunden. Aber schon in den 1920er Jahren, als der rasante Feldhandball populär wurde, entwickelten die männlichen Funktionäre eigene, weniger physische Regeln für die Frauen, weil sie Zweikämpfe als "unweiblich" empfanden.

Später ließ der Deutsche Handballbund die Nationalspielerinnen ein "Trainingsbuch" führen. Das sei notwendig, um "keine Blamage zu erleben", erklärte der einstige Bundestrainer Hans Geilenberg.

Frauenhandball wurde nicht ernst genommen

Auch Männer wie der damalige DHB-Bundesspielwart Siegfried Perrey nahmen den Frauenhandball nicht ernst. Die Nationalspielerinnen hätten sich "vorgenommen, nicht nur mit dem Ball zu spielen, sondern dabei auch taktisch tüchtig zu denken", sagte er vor der Frauen-WM 1957.

Was so klang, als würden sie sonst wie kleine Kinder dem Ball hinterherlaufen. Unterlegt wurden solche Frechheiten mit Fotos, welche die Nationalspielerinnen mit Strickzeug zeigten. "Wir Männer lieben an den Frauen Harmonie und Ästhetik", hieß es im offiziellen Programmheft zur Männer-WM 1961.

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Bundestrainer Markus Gaugisch hat den DHB-Kader für die Frauenhandball-WM bekannt gegeben. Im ZDF spricht er über eine neue Variante im Frauenhandball - dem Angriff mit vier Rückraumspielerinnen.

04.11.2025 | 3:17 min

DDR machte Frauenhandball zum Erfolgsmodell

Der Deutsche Handball-Verband (DHV) in der DDR hingegen stellte die Frauen auf die gleiche Stufe mit den Männern. Ergebnis dieser Gleichbehandlung waren drei gefeierte WM-Titel (1971, 1975, 1978). Spielerinnen wie Waltraud Kretzschmar, die Mutter von Stefan Kretzschmar, und Kristina Richter waren Stars in der DDR.

Der letzte große Titel des deutschen Frauenhandballs, der überraschende und erste gesamtdeutsche WM-Triumph 1993 in Oslo, wuchs noch auf diesem Humus. Spielerinnen wie Bianca Urbanke, Andrea Bölk oder Franziska Heinz waren in DDR-Klubs ausgebildet worden. Das dramatische Finale gegen Dänemark (22:21 nach Verlängerung) indes wurde im Fernsehen nicht übertragen. So verpufften die erhofften Effekte.

Die Frauen der DDR-Nationalmannschaft bei der Handball-WM 1975.

Die Spielerinnen der DDR-Nationalmannschaft rund um Kapitänin Kretzschmar gewannen bei der WM 1975 den Titel.

Quelle: dpa

Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern bis heute

Bis heute träumen die Handballerinnen von den Gehältern der männlichen Profis, die im Spitzenbereich bei 40.000 Euro netto monatlich liegen. Nachdem der Branchenführer Ludwigsburg im Sommer Insolvenz anmeldete, bieten in der Bundesliga nur noch der Thüringer HC und Borussia Dortmund annähernd den nötigen finanziellen Rahmen für Frauen-Profihandball.

Die Imagekampagne des DHB unter dem Motto "Hands up for more", die nach dem Willen des Verbandes den Frauenhandball nachhaltig entwickeln soll, ändert an diesen ökonomischen Tatsachen wenig. Auch wenn diese zu einer "Bewegung" geworden sei, wie der DHB-Marketingvorstand Thomas Zimmermann findet.

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Tagegelder angeglichen

Immerhin hat der DHB es inzwischen geschafft, die Tagegelder für die Nationalspielerinnen denen der Männer endlich anzugleichen. Im Alltag sind die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenhandball jedoch immer noch riesig.

Selbst wenn Nieke Kühne & Co. dem Druck standhalten und die erste Medaille seit 2007 (WM-Bronze) gewinnen sollten, dürften sie ihrer Nische nicht so schnell entkommen.

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Quelle: Reuters

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