Tennis in der DDR: Endlich frei - aber Karriereträume platzen

Tennis in der DDR:Endlich frei - aber Karriereträume platzen

von Petra Philippsen
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1989 erleben auch die Tennis-Spieler der DDR erstmals Freiheit. Sie machen sich Hoffnung auf eine internationale Profi-Laufbahn. Doch die Ernüchterung folgt schnell.

Ein Stück der Berliner Mauer, auf die die Gesichter von zwei Tennis-Spielern projiziert sind.

Die Mauer fällt, alles scheint möglich: Geld, Ruhm, ein Leben als Profi. Thomas Emmrich, Grit Schneider und Co. stehen vor dem Spiel ihres Lebens: Wird der Traum vom Großen Tennis endlich wahr?

19.09.2025 | 31:04 min

Mit dem Mauerfall im November 1989 waren die Grenzen der DDR offen und auf einmal schien alles möglich. Freiheit, Chancen, ein ganz neues Leben. Die Euphorie dieser ersten Phase erfasste auch die Tennisspieler, die jahrelang nur von einer Profi-Karriere träumen konnten. Jetzt sollte der Traum wahr werden.

Als die Mauer fiel, hatte man natürlich sofort den Wunsch zu reisen, Tennis professionell zu machen, damit Geld zu verdienen. Aber das ist extremst schwer.

Juliana Gorka, letzte Tennismeisterin der DDR

Von Steffi Graf eingeladen

Wie schwer, merkte Juliana Gorka sehr schnell. Sie war 1990 die letzte DDR-Meisterin geworden und damit in dieser Umbruchzeit das Gesicht des Ost-Tennis. Steffi Graf versuchte damals, DDR-Spielerinnen auf die internationale Bühne zu bringen und lud die 19-jährige Gorka zu einem Vorbereitungsturnier auf die US Open in die USA ein.

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Überwältigt vom gewaltigen Stadion, dem Rummel und der riesengroßen Top-Gegnerin Helena Sukova, ging bei Gorka dann gar nichts. 1990 und 1991 spielte sie noch beim von Graf initiierten WTA-Turnier in Leipzig, verlor aber direkt.

DDR-Spielerinnen im Nachteil

Ich habe dann relativ schnell begriffen, dass der Profi-Sport für mich keine Option sein wird.

Juliana Gorka, Tennisspielerin

Den Vorteil, den die Konkurrentinnen durch das ständige Kräftemessen bei Turnieren in aller Welt hatten, konnten die DDR-Spielerinnen, die nur zu einer Handvoll Turnieren in Osteuropa reisen durften, nicht so schnell kompensieren.

Und da war der Traum vom Profidasein schon geplatzt, denn auch das Leben in Freiheit musste finanziert werden.

Lucke: "Hätte irre große Sponsoren gebraucht"

Gabriele Lucke hoffte mit ihren 19 Jahren und als DDR-Meisterin ebenso vergeblich auf ihre Tenniskarriere. Zunächst gab es auch bei ihr noch renommierte Trainer, die sich für diese Tennis-Exoten aus dem Osten interessierten.

Aber die Konkurrenz war enorm, der Sport boomte. Und schnell waren die Ost-Spielerinnen abgemeldet.

Ich hätte irre große Sponsoren gebraucht. Ich musste für meinen Lebensunterhalt sorgen. Und wenn man gleichzeitig Training gibt, kann man eine Profilaufbahn vergessen.

Gabriele Lucke, DDR-Meisterin 1989

"Es ging bissiger zu als im Osten"

Später brach sich Lucke im Training einen Rückenwirbel, mit Tennis war es über Jahre für sie vorbei. Dass im Westen niemand auf weitere Konkurrentinnen aus dem Osten gewartet hatte, bekamen sie alle zu spüren. "Es ging bissiger zu als im Osten", erinnert sich Gorka, "nicht alle sind uns wohlwollend begegnet".

Ernüchterung stellte sich schnell ein. Auch bei Grit Schneider. Dabei hatte die 15-malige DDR-Meisterin im Sommer 1989 noch die Flucht aus der DDR riskiert, um endlich Profi-Tennis spielen zu können. Über Jahre war sie die beste Spielerin der DDR.

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Grit Schneider, mehrfache DDR-Meisterin im Tennis

Aber wie gut sie tatsächlich war, wusste Grit Schneider selbst nicht. Sie bekam beim Masters in Essen, dem damals größten Turnier in Deutschland, die Chance, sich mit der Weltklassespielerin Arantxa Sanchez-Vicario einzuspielen. Vor den Augen von Ion Tiriac.

Der Rumäne war der große Macher im Tennis, managte auch Boris Becker. "Tiriac fragte mich hinterher, wie alt ich bin", erinnert sich Schneider: "Ich sagte 22. Und er sagte: 'Ganz schön alt.’ Er wünscht mir viel Glück, aber er kann nichts für mich tun."

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Vereinsliga statt Profi-Welt

Mindestens fünf Jahre rechnete Tiriac, würde es dauern, bis Spieler aus der DDR internationale Spitze erreichen könnten. Zu viel Zeit für zu viel Geld, das wollte niemand in Spielerinnen von Anfang 20 investieren.

Und schon gar nicht in einen 36-Jährigen. Thomas Emmrich war fast zwei Jahrzehnte lang der beste Spieler der DDR, 48 Mal Meister. "Für mich kam die Wende 20 Jahre zu spät", bedauert Emmrich, der als Boris Becker des Ostens bekannt war.

Ihm blieben nach der Wende nur Erfolge in der Senioren-Liga. Auch für Gorka, Schneider und Lucke hieß es Vereinsliga statt Profi-Welt. Sie alle hatten ihr Leben lang gegen alle Widerstände in der DDR für ihren Tennis-Traum gekämpft, der sich nie erfüllte. Verbittert ist keiner, doch weh tut es bis heute.

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Er war zwei Jahrzehnte lang der beste Tennisspieler der DDR. Doch eine internationale Karriere wurde Thomas Emmrich vom Staat verwehrt. Inzwischen hat er seinen Frieden gemacht.
von Petra Philippsen
Tennisspieler Thomas Emmrich lächelnd, mit ein paar Tennisschlägern in der Hand.
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Quelle: Reuters

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