Thomas Emmrich: Wie die DDR seine Tennis-Karriere verhinderte

Tennis in der DDR:Thomas Emmrich, der ostdeutsche Boris Becker

von Petra Philippsen
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Er war zwei Jahrzehnte lang der beste Tennisspieler der DDR. Doch eine internationale Karriere wurde Thomas Emmrich vom Staat verwehrt. Inzwischen hat er seinen Frieden gemacht.

Großes Tennis - Made in East Germany

Thomas Emmrich ist der beste Tennisspieler der DDR. Er schlägt Weltklassespieler, aber in Wimbledon antreten darf er nicht. Der Staat erklärt seinen Sport für überflüssig und verbietet es ihm. Die Mauer trennt ihn von seinem Traum, aber er gibt nicht auf.

19.09.2025 | 25:44 min

Als Boris Becker am 7. Juli 1985 sensationell in Wimbledon triumphierte, saß Thomas Emmrich in Ost-Berlin gebannt und doch wehmütig vor dem Fernseher. Emmrich war damals fast 32 Jahre alt und von Wimbledon hatte er sein Leben lang geträumt.

Boris hat genau das gespielt, was ich am liebsten mochte: Harte Schläge von der Grundlinie, immer ans Netz, das war genau mein Tennis.

Thomas Emmrich

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Tennis ist in der DDR ein Sport ohne Zukunft: nicht erwünscht. Wer trotzdem von Wimbledon träumt, kämpft mit Mut und Schmuggelware gegen Schikane und Staat.
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Für Martina Navratilova ist Emmrich ein Champion

Seit 1970 war Emmrich unangefochten der beste Tennis-Spieler der DDR, gewann bis 1988 insgesamt 48 Mal die nationalen Meistertitel. Doch er durfte nie in den Westen reisen, nie auf dem Rasen von Wimbledon beweisen, wie gut er wirklich war.

Tennisspieler Thomas Emmrich lächelnd, mit ein paar Tennisschlägern in der Hand.

Thomas Emmrich (damals 19) bei den DDR-Tennismeisterschaften in Leipzig am 06.08.1972.

Quelle: picture alliance / dpa

Bis heute aber ist die 18-malige Grand-Slam-Siegerin Martina Navratilova davon überzeugt, dass auch Emmrich "ohne Zweifel" die größten Titel hätte gewinnen können, inklusive Wimbledon. Die gebürtige Tschechin war seit den 1970er Jahren mit Emmrich befreundet und erlebte sein sportliches Schicksal hautnah mit.

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Ein paar Kilometer zu weit östlich geboren

"Danke Gott, dass ich nicht in Ost-Deutschland geboren bin, denn dann würde ich hier nicht sitzen", betonte Navratilova, die 1981 die US-Staatsbürgerschaft annahm, einmal in einem Interview. Emmrich hatte weniger Glück, er wurde 1953 in Ost-Berlin geboren, keine zehn Kilometer von der Grenze zum westlichen Bezirk entfernt.

"Das war mein großes Pech", bedauert Emmrich. Doch, dass seine Familie unmittelbar neben einer Tennisanlage wohnte, war ein Glücksfall. Schon als Kind verbrachte er jede freie Minute dort, sein Vater sägte ihm den großen Holzschläger ab, damit er spielen konnte. Schnell zeigte sich das Talent des Jungen, der längst die Älteren bezwingen konnte.

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DDR streicht Tennis aus der Förderung

Sein Ehrgeiz war groß, die Sehnsucht ebenso, denn die besten DDR-Spieler durften für große Turniere sogar in den Westen reisen. Der Traum von Wimbledon, Paris, Melbourne lebte auch beim jungen Emmrich. Und 1968 hatte im Tennis mit der "Open Era" gerade ein neues Zeitalter für den einst elitären "Weißen Sport" begonnen, der nun von Profis statt Amateuren gespielt wurde.

Mehr Zuschauer, mehr Sponsoren, mehr Preisgelder, im Tennis brachen Goldene Zeiten an. Nur nicht in der DDR. Der sozialistische Staat teilte 1969 die Sportarten in zwei Kategorien auf: solche, die olympisches Gold und Ruhm versprachen, und den Rest. Tennis wurde nicht mehr gefördert und ein Sport zweiter Klasse.

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Sogar Ivan Lendl bezwungen

Ein Hammerschlag. Ich war in der besten Zeit abgeschnitten von der Welt.

Thomas Emmrich

Emmrich war 16 Jahre alt, machte weiter mit Tennis. Angetrieben von der Hoffnung, die Verhältnisse könnten sich irgendwann ändern. Doch es passierte nichts. Emmrich durfte nur zu Turnieren in Osteuropa reisen, feierte Erfolge. Den tschechischen Weltklassespieler Tomas Smid bezwang er mal, sogar den späteren Weltranglistenersten Ivan Lendl.

Emmrich: Aus Angst um die Familie "arrangiert"

Doch während diese und andere osteuropäische Spieler die Turniere auf der ganzen Welt spielen durften, blieb Emmrich außen vor. "Das war unglaublich schwer für mich, das zu ertragen." Auch der große Einfluss seines Vaters half nicht weiter, Tennis galt als kapitalistischer Sport der Reichen. Selbst eine Einladung des russischen Verbandes, Emmrich die Reise zu den Australian Open zu bezahlen, wurde abgelehnt.

Das war der Oberhammer. Aber der Gedanke an Flucht ist bei mir nie aufgekommen.

Thomas Emmrich

Seine Eltern und seine Geschwister hätten Repressalien fürchten müssen, das wollte er ihnen nicht antun. "Wenn es so ist in einem Staat, der das für dich festlegt, dann musst du dich arrangieren. Und ich habe mich arrangiert", sagt Emmrich heute.

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Emmrich hat seinen Frieden gemacht

Als die Mauer schließlich fiel, ist Emmrich 36 Jahre alt. Für ihn kam die Wende 20 Jahre zu spät. Ob er wirklich das Zeug für eine große, internationale Tennis-Karriere gehabt hätte, lässt sich nicht final beantworten. Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch. "Das klingt jetzt ganz irre. Ich wäre heute wahrscheinlich Multimillionär", sagt Emmrich. Im Leben nach dem Tennis sind viele seiner Projekte finanziell gescheitert.

Heute spielt der 72-Jährige aus gesundheitlichen Gründen lieber Golf. Verbittert ist Thomas Emmrich nicht. "Ich nehme mit, dass Tennis eine ganz tolle Sportart ist. Und ich bereue überhaupt nichts."

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Quelle: Reuters

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