Ab dem 28. Juni 2025 müssen digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein. Für Millionen Menschen mit Beeinträchtigung ein großer Schritt. Doch Kritik am Gesetz bleibt.
Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) soll dafür sorgen, dass sämtliche digitale Angebote auch für Menschen mit Seh-, Hör- oder motorischen Einschränkungen nutzbar sind. Welche Änderungen treten in Kraft?27.06.2025 | 3:20 min
Ob Online-Banking, Einkaufen mit Apps oder Lesen im E-Book: Diese Dinge stellen für Menschen mit Behinderung häufig eine unüberwindbare Hürde dar - wenn sie nicht barrierefrei sind. Etwa 13 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer Beeinträchtigung, knapp acht Millionen von ihnen sind schwerbehindert.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) soll die digitale Inklusion stärken. Bestimmte online angebotene Dienstleistungen, aber auch digitale Produkte, müssen ab dem 28. Juni 2025 für alle nutzbar sein.
Es soll die digitale Barrierefreiheit verbessern und gilt für Produkte sowie für Dienstleistungen.
Mit dem BFSG wird der 2019 verabschiedete European Accessibility Act in deutsches Recht übersetzt.
Das BFSG wurde bereits 2021 verabschiedet. Mit Inkrafttreten am 28. Juni 2025 müssen alle Maßnahmen zur digitalen Barrierefreiheit umgesetzt sein.
Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und unter zwei Millionen Euro Jahresumsatz sind von dem Gesetz ausgenommen.
Auf der Seite des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung findet sich eine Liste mit Produkten und Dienstleistungen, die unter das neue Gesetz fallen, unter anderem: Computer, Geld- und Fahrkartenautomaten, Selbstbedienungsterminals, Bankdienstleistungen oder E-Books.
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Schritt in die richtige Richtung
Bislang galten Gesetze zur Barrierefreiheit nur für öffentliche Stellen und Behörden. Mit dem BFSG wird erstmals die Privatwirtschaft in die Pflicht genommen. Die Regelung sei daher zunächst ein echter Meilenstein, erklärt die Sprecherin des Vereins Aktion Mensch, Christina Marx.
Auch der Sozialverband VdK erkennt das Gesetz als wichtigen Schritt an, da über 13 Millionen Menschen in Deutschland somit als Kundinnen und Kunden besser geschützt werden.
Das Gesetz schafft eine Basis für die Weiterentwicklung der Barrierefreiheit in Deutschland.
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Verena Bentele, Präsidentin Sozialverband VdK
In entscheidenden Punkten bleibe das BFSG dennoch hinter den Erwartungen und Möglichkeiten für mehr Inklusion zurück, kritisieren sowohl der VdK als auch Aktion Mensch.
Welche konkreten Maßnahmen sollen die Barrierefreiheit unterstützen? Christina Marx, Sprecherin des Vereins "Aktion Mensch", beantwortet Fragen rund um das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz.27.06.2025 | 4:36 min
Kritik der Verbände
Als Kritikpunkt nennt Bentele, dass das Gesetz nur digitale, aber nicht physische Barrierefreiheit umfasst. Es sei bedauerlich, dass diese Gelegenheit nicht genutzt werde. Das gelte vor allem bei Verkehrsdienstleistungen für Fahrgäste sowie bei Bankdienstleistungen, Servicecentern und Geschäften im Rahmen von Telefondienstleistungen, so Bentele.
Das sei eine bedeutende Schwäche des Gesetzes, findet auch Marx: "Wenn ein Selbstbedienungsterminal zwar als barrierefrei ausgewiesen ist, aber für Rollstuhlnutzer*innen nicht erreichbar oder bedienbar ist, zeigt das: Barrierefreiheit wird hier - trotz Barrierefreiheitsstärkungsgesetz - nicht ganzheitlich umgesetzt."
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Ein weiterer Schwachpunkt sind laut VdK die Ausnahmeregelungen. Denn Kleinstunternehmen mit unter zehn Mitarbeitenden und einem Umsatz bis zwei Millionen Euro müssen die Maßnahmen nicht umsetzen.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge gelten in Deutschland 82 Prozent der Unternehmen als Kleinstunternehmen. Damit bleibe ein erheblicher Teil der Angebote weiterhin außerhalb der gesetzlichen Pflicht zur Barrierefreiheit, erklärt der Sozialverband VdK.
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Digitale Hürden prägen Alltag
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung von Aktion Mensch: Demnach erfüllt etwa nur ein Drittel der meistbesuchten deutschen Websites grundlegende Kriterien der Barrierefreiheit, wie Tastaturbedienung oder ausreichende Kontraste.
Dabei ist gerade der digitale Alltag für viele Menschen mit Behinderung essenziell: Über 60 Prozent von ihnen shoppen regelmäßig online.
Nur ein Fünftel der meistbesuchten Webshops in Deutschland ist teilweise barrierefrei. Welche technischen Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung gibt es?19.07.2024 | 2:55 min
Verstöße können gemeldet werden
Mit Eintreten des Gesetzes müssen die betroffenen Produkte barrierefrei sein. Unternehmen, die dies unterlassen, riskieren Bußgelder.
Wer trotz des Gesetzes auf digitale Hürden stößt, kann aktiv werden. Zuständig für die Einhaltung des Gesetzes wird eine neue, bundesweit tätige Marktüberwachungsstelle mit Sitz in Magdeburg sein. Beschwerden können dort eingereicht werden.
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Eine weitere Möglichkeit ist, sich direkt an die Anbieter*innen der Produkte zu wenden und auf die Mängel hinzuweisen. Auch an die bundesweiten Verbraucherschutzzentralen könne man sich wenden, erklärt Christina Marx.
Was bedeutet Barrierefreiheit?
Produkte sind laut dem Behindertengleichstellungsgesetz barrierefrei, wenn sie in der "allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar" sind. Eine Gebrauchsanleitung muss beispielsweise über mehr als einen sensorischen Kanal zugänglich sein, etwa schriftlich und per Sprachausgabe.
Bedienbarkeit per Tastatur (ohne Maus)
Kompatibilität mit Screenreadern
Alternativtexte für Bilder
Untertitel für Videos oder Gebärdensprachübersetzung
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