Haftbefehl-Doku auf Netflix: Wie kommt man aus Kokain-Sucht raus?

Haftbefehl-Doku auf Netflix:Kokain-Sucht: Wie kommt man da wieder raus?

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Die Netflix-Doku über Rapper Haftbefehl zeigt schonungslos seinen fast tödlichen Kokain-Konsum. Wie groß das Sucht-Problem hierzulande ist - und was hilft.

Toxikologe Fabian Steinmetz zum Interview bei ZDFheute Live per Video-Anruf zugeschaltet.

Jahrzehntelang dauert die Kokain-Sucht des Rappers Haftbefehl an. Die perfide Wirkung der Droge und Auswege erklären ein Toxikologe und eine Suchttherapeutin bei ZDFheute live.

31.10.2025 | 17:39 min

In der Netflix-Doku "Die Haftbefehl-Story" spricht der Offenbacher Rapper Haftbefehl offen über seine Kokain-Sucht - die ihn fast das Leben gekostet hätte. "Ein Gramm links, ein Gramm rechts, alle 20 Minuten", erzählt Haftbefehl, der mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan heißt. "Ich war praktisch tot."

Nur eine Zwangseinweisung in eine Istanbuler Klinik habe ihn gerettet, sagt Anhan. "Ich wäre gestorben, wenn ich da nicht hingegangen wäre", berichtet er in der Dokumentation.

Wie gefährlich ist die Droge Kokain? Was macht eine Suchtkrankheit mit Menschen? Und welche Wege führen aus der Suchtspirale raus? ZDFheute live hat mit der Suchttherapeutin Stefanie Bötsch und dem Toxikologen Fabian Pitter Steinmetz gesprochen. Das ganze Gespräch sehen Sie oben im Video - wichtige Aspekte lesen Sie zusammengefasst hier.

Wie wirkt Kokain-Konsum im Körper?

Toxikologe Fabian Pitter Steinmetz schreibt Kokain drei Wirkungsbereiche zu, wo insbesondere bei intensivem Konsum Schäden aufkommen können:

  1. Psyche
  2. Herz-Kreislauf-Probleme
  3. Lokale Toxizität

So steige etwa das Risiko für Herzinfarkte oder Herz-Rhythmus-Störungen deutlich, erklärt Steinmetz. Bei den lokalen Auswirkungen weist Steinmetz unter anderem auf die Folgen des Schnupfens durch die Nase hin. Kokain "beengt die Blutgefäße", erklärt der Toxikologe, wodurch "Zellen nicht mehr richtig durchblutet werden und absterben". Streckmittel wie Levamisol - ein Medikament gegen Darmparasiten bei Paarhufern wie Pferden -, das vor allem früher häufig in Kokain zu finden war, hätten zusätzliche gefäßschädigende Eigenschaften - wodurch das Nasen-Gewebe gerade bei "langfristigem und hochfrequentem Konsum" geschädigt werde.

Suchttherapeutin Stefanie Bötsch ist zu sehen.

Die neu erschienene Dokumentation über den Rapper Haftbefehl handelt von seiner Drogensucht. Suchttherapeutin Stefanie Bötsch erklärt mögliche Hintergründe.

31.10.2025 | 1:13 min

In der Netflix-Doku wird deutlich, dass der Drogen-Konsum Haftbefehl auch körperlich verändert hat - etwa an der Nase. Bei der Premiere erschien er mit Sturmmaske und verdeckte sein Gesicht.

Rapper Haftbefehl (l, bürgerlich Aykut Anhan) und Elyas M'Barek kommen zu einer Sonderaufführung der Dokumentation "Babo - Die Haftbefehl-Story" am 24.10.2025 in der Astor Film Lounge, Berlin.

Vermummt bei der Doku-Premiere: Rapper Haftbefehl ( bürgerlich Aykut Anhan) und Schauspieler Elyas M'Barek, Produzent der Doku.

Quelle: dpa

Haftbefehl hat jahrelang konsumiert - wie kann ein Körper das durchhalten?

Das Bild vom extrem schnellen körperlichen Verfall entspreche nicht der Realität, klärt die Suchttherapeutin Stefanie Bötsch auf. Natürlich wirke Kokain-Konsum extrem auf den Körper und mache ihm zu schaffen. "Trotzdem kann man auch sehr lange Zeit mit der Substanz und auch mit der Sucht leben", sagt Bötsch. Dazu trage beim Kokain auch der in der Regel "ziemlich hohe Reinheitsgehalt" in Deutschland bei.

Wie gelingt der Weg aus der Sucht?

Laut Barmer Suchtatlas steigt der Kokain-Konsum in Deutschland seit Jahren. Wurden 2013 noch 19.700 Menschen wegen Kokain-Missbrauchs behandelt, waren es 2023 bereits etwa 65.000 - ein Plus von etwa 330 Prozent binnen zehn Jahren.

hendrick-streeck

Der Drogenbeauftragte des Bundes, Hendrik Streeck, warnt vor einer neuen Drogenkrise in Deutschland. "Wir sehen deutschlandweit, dass immer mehr hochpotente Drogen auf den Markt kommen", so Streeck.

24.10.2025 | 4:38 min

Um dem Trend entgegenzuwirken und Betroffenen zu helfen, brauche es einen ganzheitlichen Ansatz, sagt Suchttherapeutin Bötsch. Dazu gehörten:

  • Präventionsangebote - etwa Aufklärung über Drogen und Konsum, aber auch Investitionen in die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, um das Suchtpotenzial möglichst gering zu halten.
  • Angebote der Suchthilfe - etwa Drogenberatungsstellen, Betreutes Einzelwohnen oder individuelle Angebote für verschiedene Lebenswelten.

Bötsch mahnt:

Das darf auf keinen Fall kaputtgespart werden, sondern muss eher weiter ausgebaut werden.

Suchttherapeutin Stefanie Bötsch

Auch die Haftbefehl-Doku leiste einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Sucht, sagt Bötsch. "Wir wissen, dass die Stigmatisierung von Suchterkrankungen Menschen hemmt, sich überhaupt Hilfe zu suchen", sagt sie. Viele Betroffene hätten das Gefühl, an einer "schmutzigen Erkrankung" zu leiden - und würden sich erst "sehr, sehr spät" Hilfe suchen. Dass Haftbefehl und sein Bruder Cem in der Doku nicht nur über den Konsum, sondern auch offen über Depressionen und die Begleiterscheinungen sprechen, trage zur Enttabuisierung bei - und sei "extrem wichtig", so Bötsch.

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24.10.2025 | 34:28 min

Wie können Angehörige bei einer Sucht helfen - auch sich selbst?

Bötsch rät Angehörigen unter anderem, sich auch um sich selbst zu kümmern. Bei Suchterkrankungen drehe sich immer sehr viel um die Sucht. "Aber man darf sich selbst nicht verlieren", sagt Bötsch. Gerade bei Angehörigen, die mit der betroffenen Person zusammenlebten, bestehe die Gefahr, dass sie selbst von der Stigmatisierung betroffen seien oder sich isolierten. Die Suchttherapeutin verweist hier auf Beratungsstellen, "die zum Beispiel auch Hilfe für Angehörige bereitstellen".

Darüber hinaus können "Angehörige auch ganz viel unterstützend wirken", sagt die Therapeutin, "indem sie mit dem Menschen in Kontakt bleiben, ihm aber auch Grenzen aufweisen (...) und ihm Hilfe anbieten, wenn er sie eben annehmen kann." Die Motivation und der Schritt, wirklich Hilfe anzunehmen, müsse dann aber vom Betroffenen selbst kommen.

Hier finden Sie Hilfsangebote

Wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld Unterstützung braucht, finden Sie in der Infobox Anlaufstellen. Auf der Seite der Drogen- und Suchtbeauftragten der Bundesregierung finden Sie weitere Hilfsangebote.



Das Interview führte ZDFheute-live-Moderator Christian Hoch. Ausgewertet hat es ZDFheute-Redakteur Kevin Schubert.

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