Prominente wie Kurt Krömer und Nora Tschirner sprechen offen über ihre Depressionen und die Einnahme von Antidepressiva. Was diese Medikamente leisten - und wo ihre Grenzen liegen.
Seit vielen Jahren nimmt Thomas Schalski Antidepressiva. Gerne würde er sie absetzen. Doch bei jedem Versuch spielt sein Körper verrückt. Woran das liegt.22.05.2025 | 5:15 min
Gedrückte Stimmung, häufiges Grübeln, ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit und ein verminderter Antrieb: Rund 9,5 Millionen Menschen in Deutschland kennen das, weil sie mit einer Depression leben. Etwa fünf Millionen von ihnen nehmen Antidepressiva, oft über lange Zeit. Sie helfen in akuten Krisen und im Alltag. Doch es kann schwer sein, davon wieder loszukommen.
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Depression: Seelisches Gleichgewicht wieder herstellen
Antidepressiva werden zur Behandlung von Depressionen, aber auch bei Angst- und Zwangsstörungen verschrieben. Sie greifen im Gehirn in den Stoffwechsel von Botenstoffen wie Serotonin oder Noradrenalin ein, was die Stimmung stabilisieren soll.
"Die Wirkstoffe können Menschen in einer schweren depressiven Episode helfen überhaupt wieder Zugang zu ihrer Umwelt zu finden", erklärt Jonathan Henssler von der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Als Psychiater leitet er eine Spezialsprechstunde zum Absetzen von Antidepressiva am St. Hedwig-Krankenhaus.
Antidepressiva sind keine Glückspillen. Oft machen sie positive Lernerfahrungen und eine Psychotherapie überhaupt erst möglich.
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Priv.-Doz. Dr. Jonathan Henssler, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Die übliche Einnahmedauer von Antidepressiva liegt bei mindestens vier bis sechs Monaten. Sie kann je nach Schwere der Erkrankung aber auch mehrere Jahre betragen.
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Welcher Wirkstoff ist der richtige?
Das passende Präparat zu finden, ist ein individueller Prozess. Antidepressiva unterscheiden sich zum Beispiel in der Wirkstoffklasse, im Nebenwirkungsprofil oder in den möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Faktoren wie Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen oder Lebensstil spielen bei der Wirksamkeit ebenfalls eine Rolle.
Nicht jedes Stimmungstief braucht Medikamente
Bei leichten Depressionen empfehlen Fachgesellschaften in ihren Leitlinien Gesprächstherapie, Bewegung und weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen. Anders ist das bei mittelschweren bis schweren Depressionen.
Hier gelten Antidepressiva als effektiver Bestandteil einer umfassenden Behandlung. Voraussetzung dafür ist die sorgfältige Diagnose und individuelle Abwägung von Nutzen und Risiken durch einen Facharzt.
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Nebenwirkungen von Antidepressiva
Vor allem in den ersten Wochen der Behandlung treten bei ungefähr der Hälfte der Patienten Nebenwirkungen auf. Häufig kommt es zu Übelkeit, Gewichtszunahme, sexuellen Funktionsstörungen, Mundtrockenheit und Müdigkeit.
Viele dieser unerwünschten Wirkungen sind vorübergehend und klingen nach zwei bis vier Wochen wieder ab. Manche Betroffene erleben sie jedoch auch länger.
Jeder Mensch reagiert auf Antidepressiva anders. Deshalb ist es wichtig, mögliche Nebenwirkungen zu kennen und aufmerksam zu beobachten. Sollte ein Antidepressivum schlecht vertragen werden, kann ein Wechsel auf ein anderes Medikament helfen. Regelmäßige Rücksprachen und Kontrollen durch den behandelnden Arzt sind deshalb während der Therapie wichtig.
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Keine klassische Suchtgefahr durch Antidepressiva
Laut der Weltgesundheitsorganisation macht die Einnahme von Antidepressiva nicht süchtig. Es entsteht weder ein "High"-Gefühl noch ein Verlangen nach einer Dosissteigerung. Anders ist das beispielsweise bei Alkohol oder Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen.
Beim Absetzen eines Antidepressivums kann es jedoch zu unspezifischen Symptomen kommen. "Wir haben festgestellt, dass diese Symptome zum Teil auch erlebt werden, wenn kein echtes Medikament, sondern nur ein Placebo, also ein Scheinpräparat abgesetzt wird", erklärt Henssler.
Bei diesem sogenannten Nocebo-Effekt kann auch die negative Erwartungshaltung, also die Angst vor den Folgen des Absetzens, eine Rolle spielen.
Manche Menschen verwechseln die Symptome beim Absetzen von Antidepressiva fälschlicherweise mit einer echten Sucht.
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Priv.-Doz. Dr. Jonathan Henssler, St. Hedwig Krankenhaus, Charité Berlin
In einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse kommen Jonathan Henssler von der Charité-Universitätsmedizin Berlin und Kollegen zu folgendem Ergebnis: Rund ein Sechstel der Menschen, die Antidepressiva absetzten, erlebte Beschwerden, die auf die Medikamente zurückzuführen sind. Nur ein kleiner Anteil entwickelte laut der Auswertung von 79 Studien schwerere Absetzsymptome - darunter Schwindel, Reizbarkeit oder Schlafstörungen.
Laut der Studie treten die Symptome meist innerhalb weniger Tage auf und klingen nach einigen Wochen wieder ab. Die Ergebnisse wurden in der Fachwelt auch kritisch aufgenommen. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) etwa wirft den Autoren methodische Mängel vor. In einem Punkt sind sich die Fachleute einig: Statt einem abrupten Absetzen sollte die Dosis von Antidepressiva langsam reduziert und ausgeschlichen werden.
Antidepressiva machen etwa 15 Prozent aller Psychopharmaka-Verordnungen aus. Über 30 Antidepressiva sind in Deutschland derzeit zugelassen. Die Wahl des individuell passenden Präparats erfordert Fachkenntnis und viel Erfahrung.
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Nutzen und Nebenwirkungen müssen mit ärztlicher Unterstützung sorgfältig abgewogen werden. Wenn es um das Absetzen von Antidepressiva geht, brauche es laut Jonathan Henssler jedoch mehr unabhängige Forschung, um Betroffenen noch gezielter dabei helfen zu können.
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Quelle: dpa
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