Trump und Co.: Zivilgesellschaft im Würgegriff von Autokraten

Repression statt Rechte:Zivilgesellschaft im Würgegriff von Autokraten

von Marcel Burkhardt
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85 Prozent der Menschen leben in Ländern mit stark eingeschränkten demokratischen Rechten. Der "Atlas der Zivilgesellschaft" zeigt, wie autoritäre Mächte global durchgreifen.

22.02.2025, Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: Teilnehmer einer Demonstration und Kundgebung unter dem Motto "Solidarität statt Ausgrenzung" zeigen in der Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift "Demokratie lebt vom Mitmachen!".
Die Zivilgesellschaft ist laut einem aktuellen Report vielerorts auf der Welt bedroht. (Symbolbild)
Quelle: dpa

"Es sind bedrohliche Zeiten für die Zivilgesellschaft weltweit": Dagmar Pruin, Präsidentin der Hilfsorganisation "Brot für die Welt", kommt direkt zum wunden Punkt.

Demokratie und Menschenrechte werden weltweit in einer Weise angegriffen, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben.

Dagmar Pruin, Präsidentin von "Brot für die Welt"

Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Schutz vor staatlicher Willkür seien in immer mehr Ländern bedroht oder gar nicht mehr vorhanden - das ist eines der zentralen Ergebnisse des achten "Atlas der Zivilgesellschaft", den "Brot für die Welt" am heutigen Montag in Berlin veröffentlicht hat.
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Die Hilfsorganisation stützt sich dabei auf eigene Recherchen und Bewertungen von Civicus, eines weltweiten Netzwerkes für bürgerschaftliches Engagement.

Atlas: Stark eingeschränkte Zivilgesellschaft weltweit

Dem Report zufolge leben aktuell mehr als 85 Prozent der Weltbevölkerung, also rund sieben Milliarden Menschen, in Ländern, in denen staatliche Akteure und andere Einflussnehmer den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft stark einschränken oder sogar vollständig unterdrücken.

Ohne Rede-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit fehlt das Lebenselixier zivilgesellschaftlichen Engagements.

Dagmar Pruin, Präsidentin von "Brot für die Welt"

Hinter den Einschränkungen zivilgesellschaftlichen Handelns beobachten "Brot für die Welt" und seine Partnerorganisationen in vielen Ländern Asiens, Afrikas, des Nahen Ostens und Amerikas ein besorgniserregendes Muster: Rechtsstaatliche Mechanismen werden zunehmend ausgehöhlt und unterwandert.
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"Wenn geltendes Recht missachtet oder missbraucht wird, wenn neues Recht geschaffen wird, um Andersdenkende auszuschalten, wenn die Institutionen, die Rechte verteidigen sollen, angegriffen werden, dann gilt irgendwann nur noch das Recht des Stärkeren", so Dagmar Pruin.

Angriffe auf demokratische Gewaltenteilung in den USA

Beispiel USA: Dort habe es ein "noch nie dagewesenes Ausmaß" an Drohungen von Anhängern der "Make America Great Again"-Bewegung gegen Richterinnen und Richter in Verfahren gegeben, die mit Donald Trump zu tun hatten, so das Brennan Center for Law mit Hauptsitz in New York.
Die Zahl der Bedrohungen von Bundesrichterinnen und -richtern verdoppelte sich demnach zwischen 2021 und 2024. Seit Trumps zweitem Amtsantritt haben die Angriffe auf die demokratische Gewaltenteilung zugenommen und auf großer Bühne hat sich der Ton weiter verschärft. So erklärte US-Vizepräsident J.D. Vance, Richter hätten "kein Recht, die legitime Macht der Exekutive zu kontrollieren".
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Das Wirken von US-Präsident Trump

Die Angriffe auf Judikative, Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Aktivisten glichen einem Feldzug, bilanziert Dagmar Pruin auf ZDFheute-Nachfrage. Mit vielen Dekreten schränke US-Präsident Trump Freiheitsrechte ein. Hinzu komme:

Die Äußerungen des Präsidenten sind teils menschenverachtend und stellen fundamentale Menschenrechte infrage.

Dagmar Pruin, Präsidentin von "Brot für die Welt"

Durch derlei Verhalten verspürten autoritäre Regierungen weltweit Rückenwind.

Argentinischer "Kettensägen"-Präsident Milei mit Kahlschlag

Tatsächlich sind "die Männer mit den Kettensägen" derzeit weltweit aggressiv im Vormarsch. Ein Beispiel: Der argentinische Rechtspopulist Javier Milei versprach 2023, er werde die Verwaltung seines Landes zerschlagen und die aus seiner Sicht unnötigen Behörden kurz und klein sägen.
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Seit seinem Wahlsieg im November 2023 orchestriert Milei als Präsident jenen Kahlschlag bei der staatlichen Fürsorge, während er Polizei und Geheimdienste aufrüstet. "Mileis aggressiver Tonfall ist heute rund um die Welt zu hören", heißt es im "Atlas der Zivilgesellschaft". Global wachse der Einfluss rechtsextremer, rechtslibertärer und populistischer Akteure.

Pruin: Zivilgesellschaft auch in Deutschland nicht selbstverständlich

In einer Zeit großer Konflikte und "geopolitischer Umwälzungen" seien Demokratie, Rechtsstaat und eine starke Zivilgesellschaft nicht selbstverständlich - "auch nicht in Deutschland", sagt Dagmar Pruin.
Zur Erinnerung: Bis 2023 galt die Bundesrepublik als Staat mit einer "offenen" Zivilgesellschaft. Dann stufte der "Atlas der Zivilgesellschaft" Deutschland aus der höchsten Kategorie in "beeinträchtigt" ab. Ein Grund: Menschenrechtsorganisationen sehen größer werdende Einschränkungen der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit in Deutschland.
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Forderungen an die Bundesregierung

Vor diesem Hintergrund formuliert Pruin klare Forderungen: "Wir erwarten von der neuen Bundesregierung und den Bundesländern, dass demokratisches zivilgesellschaftliches Engagement geschützt und gestärkt wird." Zudem müsse sich die deutsche Außenpolitik "weltweit für eine handlungsfähige Zivilgesellschaft, unabhängige Gerichte und freie Medien einsetzen", so Pruin.

Ohne freie Zivilgesellschaft kann es keine lebendige Demokratie und keinen Einsatz für mehr Gerechtigkeit geben.

Dagmar Pruin, Präsidentin von "Brot für die Welt"





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