Corona-Aufarbeitung: Ausschuss bekommt geschwärzten Maskenbericht

Exklusiv

Wie eigenmächtig handelte Spahn?:Team "Ich" und die Masken-Milliarden

von Eleni Klotsikas und Britta Spiekermann
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Hat Jens Spahn überteuerte Corona-Masken gekauft und Bekannte bevorzugt? Das Gesundheitsministerium hat dem Bundestag einen internen Prüfbericht vorgelegt - in Teilen geschwärzt.

Jens Spahn in der 10. Sitzung des 21. Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude.
Während der Corona-Pandemie hatte das Bundesgesundheitsministerium knapp sechs Milliarden Schutzmasken beschafft. Nur ein Drittel davon wurde verteilt, ein Großteil ist inzwischen vernichtet. 03.06.2025 | 10:50 min
In einer geschwärzten Fassung liegt der 168-seitige Bericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof (SPD) ZDF frontal vor. Sudhof sollte die umstrittene Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie aufklären. Bislang waren nur Bruchstücke bekannt.
Während der Corona-Pandemie hatte das Bundesgesundheitsministerium knapp sechs Milliarden Schutzmasken beschafft. Nur ein Drittel davon wurde verteilt, ein Großteil ist inzwischen vernichtet. Aktuell laufen rund 100 Klagen von Maskenlieferanten gegen das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Streitwert: 2,3 Milliarden Euro. Dazu kommen enorm hohe Zinsen und Anwaltskosten.
Der Bericht geht hart mit dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ins Gericht. Er habe trotz aller Warnungen die Beschaffung von Masken "allein meistern" wollen. Sudhof schreibt: 

So begann das Drama in Milliarden-Höhe (...) nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen (...), sich fachfremd (…) mit Milliardensummen auf dem Gebiet der Beschaffung betätigen zu wollen.

Margaretha Sudhof (SPD), Sonderbeauftragte

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Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn steht wegen umstrittener Maskenkäufe während der Corona-Pandemie erneut in der Kritik. Es geht um Transparenz und Wirtschaftlichkeit.18.06.2025 | 1:36 min

Sudhof: Viele Masken "im Ergebnis ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung"

Sudhof diagnostiziert in ihrem Bericht, dass es keine bedarfsorientierte Steuerung aus dem Bundesgesundheitsministerium gegeben habe, und dass über den "im Krisenstab festgelegten Bedarf" hinaus beschafft wurde. Der überwiegende Teil der Schutzausrüstung "war im Ergebnis ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung".
Ein wesentlicher Grund für die erfolgreichen Klagen von Maskenhändlern gegen den Bund liege laut Sudhof in der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen des öffentlichen Ausschreibungsverfahrens, auch "Open-House-Verfahren" genannt. Warnungen anderer Ressorts "vor allem mit Blick auf die fehlende Mengen- und Qualitätssteuerung der zu erwartenden Anlieferungen" seien nicht gehört worden.
Das "Open-House-Verfahren" habe auch wegen zu hoher Preise laut Sudhof zu einer "Angebotsschwemme" geführt. Obwohl das Verfahren außer Kontrolle geraten sei, habe das Bundesgesundheitsministerium keinen kompletten Abbruch erwogen, "die Chance einer Korrektur oder wenigstens Teilkorrektur der getroffenen Entscheidungen blieb ungenutzt".
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Logistikunternehmen "kollabierte" unter Liefermenge

Auch die Auswahl des Logistikunternehmens habe zu Problemen geführt, die bis heute andauerten, schreibt Sudhof. Das BMG sei nicht imstande gewesen, die eingekauften Masken entgegenzunehmen und zu verteilen. Der Bund habe bereits entsprechende Lagerflächen zum Teil bei der Bundeswehr bereitgestellt.
Doch anstatt um Amtshilfe zu bitten, habe Spahn laut Sudhof auf "sein eigenes Umfeld" gesetzt und "höchstpersönlich" ein ihm bekanntes Logistikunternehmen beauftragt, "zunächst auf mündlicher Basis". Dieses, so Sudhof, "kollabierte" jedoch unter der enormen Liefermenge.
Sudhof bescheinigt Spahn in ihrem Bericht, "Unvorstellbares" geleistet zu haben. "Fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz können aber, wie in diesem Fall, dazu führen, dass nicht als Team 'Staat', sondern als Team 'Ich' gehandelt wird." Die Entscheidung Spahns, die Beschaffung allein meistern zu wollen, ziehe bis heute "erhebliche Kosten und Risiken" nach sich.
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Kritik an Sudhof-Bericht: "Lückenhaft"

In einer 16-seitigen Stellungnahme an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Klaus-Peter Willsch bewertet das jetzt CDU-besetzte Bundesgesundheitsministerium den Bericht in Teilen als "lückenhaft" und "falsch".
Welche Methodik und Quellen Sudhof für ihr Papier genutzt habe, ergebe sich "überwiegend nicht aus dem Papier der 'Sachverständigen Beraterin'".
Es würden teilweise Tatsachen vorgetragen, die durch Quellen nicht untermauert seien. Damit stellt sich die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) offenbar hinter ihren Parteikollegen Jens Spahn.
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Spahn: "Habe ein reines Gewissen"

Morgen wird der frühere Gesundheitsminister Spahn im Haushaltsausschuss Rede und Antwort stehen, wie er betont, freiwillig. Zuletzt war der jetzige Fraktionsvorsitzende der Union wegen der Maskenbeschaffung während der Pandemie unter Druck geraten. In einem Interview mit dem ZDF heute-journal hatte Jens Spahn erklärt: "Ich habe ein reines Gewissen."
Der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, hatte Jens Spahn gestern die "volle Rückendeckung des Bundesvorstandes der CDU Deutschland" zugesichert. Spahn habe in der Vorstandssitzung deutlich gemacht, dass auch er die Einsetzung einer Enquetekommission im Bundestag anstrebe, in der es darum gehen solle, so Linnemann, "grundsätzlich Transparenz zu schaffen, was man bei kommenden Krisen besser machen kann".

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