Jens Spahn: Maskendeals und versenkte Steuermilliarden

Bericht unter Verschluss:Jens Spahn und die ungeklärten Masken-Fragen

von Eleni Klotsikas
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Ein unter Verschluss gehaltener Bericht belastet Ex-Gesundheitsminister Spahn. Er soll 2020 eine Firma aus seiner Heimatregion bei der Vergabe von Masken-Aufträgen bevorzugt haben.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Archivbild
Während der Coronapandemie hatte das Bundesgesundheitsministerium knapp sechs Milliarden Schutzmasken beschafft – nur ein Drittel davon wurde verteilt, ein Großteil ist inzwischen vernichtet. 03.06.2025 | 10:50 min
5,7 Milliarden Masken für 5,9 Milliarden Euro beschaffte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter der Führung von Jens Spahn (CDU) während der Corona-Pandemie. Viele Masken wurden nicht verwendet und verursachten hohe Lagerkosten. Ein Großteil wurde inzwischen vernichtet. Die Maskenbeschaffung wurde zum Milliarden-Euro-Grab für den Steuerzahler.
Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) versprach den "Schlamassel" aufzuklären und setzte Margaretha Sudhof als Sonderermittlerin ein. Die ehemalige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium sollte dem Haushaltsausschuss bis zum 15. Januar 2025 einen Aufklärungsbericht vorlegen. Doch das ist bis heute nicht geschehen, obwohl der Bericht längst fertig ist.

Masken-Bericht bisher unter Verschluss

Im Interview mit ZDF frontal rechtfertigt sich Lauterbach: "Wenn das Haus die Gelegenheit haben muss, sich zu den vorgetragenen Vorwürfen im Bericht auch zu verhalten, dann ist das angemessen und das kann man nicht einfach übergehen."
Sudhof sollte untersuchen, wie es zu dieser massiven Überbeschaffung kam und auch, warum einzelne Unternehmen großzügige Verträge mit dem BMG erhielten, wie etwa die Logistik-Firma Fiege aus dem Münsterland.
Bisher wird der Bericht vom Bundesgesundheitsministerium unter Verschluss gehalten. Die Ermittlungsergebnisse wurden nun in Teilen öffentlich und setzen den heutigen Unions-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn unter Druck. Laut dem Rechercheverbund aus WDR, NDR und SZ soll die Beauftragung von Fiege durch Jens Spahn persönlich erfolgt sein gegen alle Widerstände in seinem Ministerium und dem eigentlich zuständigen Beschaffungsamt des Innenministeriums.
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Spahn: Ausschreibung hätte zu lange gedauert

Die Firma Fiege sei, so soll es im Sudhof-Bericht stehen, damit überfordert gewesen, die Flut der gelieferten Masken zu bewältigen. Die Logistik der Maskenbeschaffung "kollabierte", so das Urteil der Sonderermittlerin Sudhof. Die Frage, warum er 2020 Fiege ohne öffentliche Ausschreibung mit der Logistik und Beschaffung der Masken beauftragt hatte, wollte Jens Spahn gegenüber ZDF frontal nicht beantworten. Im Podcast "Table Today" wies er jetzt den Vorwurf der Vetternwirtschaft zurück:

Ja, klar habe ich in der Notlage zuerst mit Leuten geredet, die ich kannte, um zu fragen, wer helfen kann.

Jens Spahn, Ex-Bundesgesundheitsminister

Eine öffentliche Ausschreibung hätte in der Notlage aber zu lange gedauert, so Spahn. Unklar bleibt aber weiterhin, warum die Firma Fiege selbst Millionen von Masken für den Bund einkaufte - und zwar weit über den errechneten Bedarf hinaus.
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Firma kaufte deutlich mehr Masken ein

Den Bedarf bezifferte das Bundesgesundheitsministerium, das eigentlich nur eine kurzfristige Versorgungslücke an Schutzmasken decken sollte, nach einer Abfrage bei den Ländern auf insgesamt 275 Millionen Masken. Nach eigener Aussage beschaffte allein die Firma Fiege ein Vielfaches davon: für insgesamt 564 Millionen FFP2- und OP-Masken stellte Fiege dem Bund 859 Millionen Euro in Rechnung.
Die geheimen Verträge mit der Firma konnte ZDF frontal einsehen. Demnach sollte der Bund Vorkasse leisten und alle Risiken tragen, selbst wenn die Ware mangelhaft sein oder nicht geliefert werden sollte. Eine "ungewöhnliche" Risikokonstellation, lautet die Einschätzung des Vergaberechtlers Mark von Wietersheim: "Das ist ein Blankozugriff auf die Bundeskonten." Auf Nachfrage erklärt Fiege gegenüber ZDF frontal, es habe damals einen harten internationalen Wettbewerb gegeben. "Das BMG hat uns deshalb dafür den notwendigen Rahmen geschaffen, sodass wir als der verlängerte Arm des BMG handlungsfähig waren."
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Fragwürdige Verträge des Bundesgesundheitsministeriums

ZDF frontal wurde eine interne Vertragsliste des Bundesgesundheitsministeriums zugespielt. Daraus geht hervor: Das Ministerium kaufte von Fiege und anderen Unternehmen, mit denen es "Direktverträge" geschlossen hatte, noch im Juni und Juli 2020 Millionen von Masken, obwohl das BMG laut Bundesrechnungshof intern zum 5. Mai 2020 ein Ende der Beschaffungen erklärt hatte und es dafür keine Bedarfsermittlung gab. Das Ministerium begründet diesen Schritt mit möglichen Schadenersatzforderungen: "Dabei handelt es sich um solche Verträge, über die bereits seit längerer Zeit verhandelt wurde."
Fragwürdig erscheinen diese Verträge auch, weil bereits ein erstes öffentliches Ausschreibungsverfahren, auch Open-House-Verfahren genannt, komplett aus dem Ruder gelaufen war. Der Bund musste deshalb Verträge über den Kauf von Masken in Höhe von 6,4 Milliarden Euro abschließen. Das vorgesehene Budget betrug aber nur 500 Millionen Euro. Gegenüber ZDF frontal rechtfertigt das BMG die vielen Beschaffungsverträge damit, dass es beim Open-House-Verfahren "angesichts der strikten zeitlichen Anforderungen" von einer "hohen Nichterfüllungsquote" ausging. Vor diesem Hintergrund sei es geboten gewesen, "parallel weitere Beschaffungsanstrengungen zu unternehmen".
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Bund zahlt Millionen an Zinsen für Masken-Deals

Aus vielen dieser Open-House-Verträge versuchte das Ministerium auszusteigen. Lieferanten streiten sich mit dem Bund seit mehr als vier Jahren deshalb vor Gericht. Fünf Kläger haben bereits höchstinstanzlich Recht bekommen. Der Streitwert liegt bei insgesamt 2,3 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen.

Die Zinskosten sind inzwischen so hoch, dass wir pro Tag allein eine Million Zinskosten dadurch verlieren, dass diese Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen sind. Dadurch entsteht dem deutschen Steuerzahler nochmal Schaden.

Paula Piechotta, Grünen-Abgeordnete

Kritik an Spahn von den Grünen

Als Mitglied im Haushaltsausschuss hat sie den Sudhof-Bericht immer wieder eingefordert, doch als Mitglied der Ampel-Regierung zögerten auch die Grünen, mehr Druck auf Lauterbach auszuüben. Jetzt bleibt ihr nur noch ein Appell: "Jens Spahns politische Karriere zu beschützen, ist nicht wichtiger als das Vertrauen der Bevölkerung in eine funktionierende Demokratie. Sollte die Union nichts zu verheimlichen haben, sollten sie auch kein Problem damit haben. Ist die SPD tatsächlich an Aufklärung interessiert, dann muss sie einer Einsetzung zustimmen."
Doch das Bundesgesundheitsministerium, nun unter der Führung von Jens Spahns Parteifreundin Nina Warken, teilte ZDF frontal auf Anfrage mit: "Der Haushaltsausschuss wird zu gegebener Zeit in geeigneter Form (...) unterrichtet." Nach Aufklärung klingt das nicht.

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