Nach Sturz von Machthaber Assad:Wenige Syrer verlassen Deutschland
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Auch nach dem Sturz von Syriens Langzeit-Herrscher Assad verlassen nur wenige Syrer Deutschland. Viele Flüchtlinge erfüllen mittlerweile die Bedingungen für eine Einbürgerung.
Die Zahl der in Deutschland lebenden Syrer ist leicht gefallen.
Quelle: dpa
Ein knappes halbes Jahr nach dem Sturz von Syriens früheren Machthaber Baschar al-Assad ist die Zahl der in Deutschland lebenden Syrer zuletzt leicht gesunken. Das hat aber nur zum Teil mit Ausreisen zu tun. Denn viele Flüchtlinge, die in den Jahren 2015 und 2016 eingereist waren, erfüllen jetzt die Voraussetzungen für eine Einbürgerung.
Wer deutscher Staatsbürger wird, zählt auch dann nicht mehr als Ausländer, wenn er neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit hat.
Zahl der Syrer in Deutschland um mehr als 3.500 gesunken
Wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage mitteilte, lebten laut Ausländerzentralregister Ende März 968.899 syrische Staatsangehörige in Deutschland. Unter ihnen waren demnach 10.729 Ausreisepflichtige, von denen allerdings die meisten - 9.649 syrische Staatsbürger - eine Duldung hatten.
Einen Monat zuvor, zum Stichtag 28. Februar, lebten noch 972.470 Syrerinnen und Syrer in Deutschland, 3.571 mehr als Ende März.
Interesse an Rückkehrförderung begrenzt
Abschiebungen nach Syrien gibt es seit 2012 nicht. In den Fällen, in denen Asylbewerber aus Syrien dennoch Deutschland unter Zwang verlassen müssen, werden sie in ein anderes europäisches Land gebracht, das nach den sogenannten Dublin-Regeln für ihr Asylverfahren zuständig ist.
Mehr als 600 Menschen sind laut Bundesinnenministerium seit Anfang 2024 mit finanzieller Förderung staatlicher deutscher Stellen nach Syrien zurückgekehrt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) unterstützt seit dem 13. Januar freiwillige Ausreisen nach Syrien im Rahmen eines Bund-Länder-Programms.
Immer mehr Syrer lassen sich Einbürgern
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 75.485 syrische Staatsangehörige eingebürgert, nach rund 48.000 Einbürgerungen im Jahr zuvor. Die Daten für 2024 und die ersten Monate dieses Jahres liegen bis jetzt nicht vor.
Das seit Juni 2024 geltende neue Staatsangehörigkeitsgesetz sieht verkürzte Wartezeiten für die Einbürgerung vor. Allerdings muss, wer Deutscher werden will, weiterhin für seinen Lebensunterhalt sorgen und ausreichende Deutschkenntnisse vorweisen. Auch schwerwiegende Straftaten oder verfassungsfeindliche Aktivitäten stehen einer Einbürgerung entgegen.
Unübersichtliche Lage in Syrien
Eine Rebellenallianz unter Führung der islamistischen Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatte am 8. Dezember die Kontrolle in der syrischen Hauptstadt Damaskus übernommen. Al-Assad floh nach Russland. Inzwischen wird das Land von einem Ex-Rebellenführer, Interimspräsident Ahmed al-Scharaa, und einer Übergangsregierung geführt.
Seit dem 9. Dezember 2024 sind die Entscheidungen über Asylanträge syrischer Staatsangehöriger in Deutschland aufgrund der unübersichtlichen Lage zunächst für sechs Monate ausgesetzt. Nach Ablauf dieser Frist muss das Bamf prüfen, ob die Aussetzung verlängert oder aufgehoben wird.
Mehr als 50.000 Asylanträge noch ohne Entscheidung
Syrien ist nach wie vor Hauptherkunftsland der Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen. Im ersten Quartal dieses Jahres stellten 9.861 Menschen aus Syrien erstmals in Deutschland einen Antrag auf Schutz.
Zum Stichtag 31. März standen beim Bamf noch 52.344 syrische Asylverfahren zur Entscheidung an. Nicht von dem Entscheidungsstopp betroffen sind sogenannte Dublin-Fälle.
Streit um Sondierungsreisen nach Syrien
Im Bundesinnenministerium arbeitet man bereits seit Januar an einer Ausnahmeregelung, um syrischen Flüchtlingen Erkundungsreisen in ihr Herkunftsland zu ermöglichen, ohne dass sie dadurch ihren Schutzstatus in Deutschland verlieren. Erlaubt wäre demnach entweder eine einmalige Reise für die Dauer von maximal vier Wochen oder zwei Reisen von jeweils maximal zwei Wochen, jeweils mit dem Ziel, auszuloten, ob eine Rückkehr möglich wäre.
Mehrere Unionspolitiker haben sich allerdings kritisch zu dem Vorschlag geäußert - unter anderem der Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU. Er sagte diese Woche, das geplante Verfahren wecke Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten. Denn über den Widerruf der Schutzberechtigung entscheide alleine das Bamf, und zwar "unabhängig von der subjektiv wahrgenommenen Situation vor Ort".
Krieg in Syrien - eine Chronologie:
Quelle: reuters
Alles beginnt damit, dass viele Menschen auf die Straße gehen, um für mehr Freiheit zu protestieren. Die Proteste richten sich gegen die syrische Regierung und den Regierungschef Baschar al-Assad.
Die syrische Regierung geht gewaltsam gegen die Demonstrationen vor.
Dann beginnen verschiedene Gruppen, sogenannte Rebellen, gegen Assad und seine Anhänger zu kämpfen. Viele Menschen müssen vor den Kämpfen aus Syrien fliehen. Tausende sterben.
Die syrische Regierung geht gewaltsam gegen die Demonstrationen vor.
Dann beginnen verschiedene Gruppen, sogenannte Rebellen, gegen Assad und seine Anhänger zu kämpfen. Viele Menschen müssen vor den Kämpfen aus Syrien fliehen. Tausende sterben.
Quelle: reuters
Die Kämpfe gehen weiter. Die syrische Regierung greift Aleppo an, die zweitgrößte Stadt in Syrien. Große Teile der Stadt werden zerstört.
Es werden immer wieder grausame Angriffe auf die Bevölkerung ausgeübt, also auf Menschen, die gar nicht an den Konflikten beteiligt sind.
500.000 Menschen sind mittlerweile auf der Flucht.
Es werden immer wieder grausame Angriffe auf die Bevölkerung ausgeübt, also auf Menschen, die gar nicht an den Konflikten beteiligt sind.
500.000 Menschen sind mittlerweile auf der Flucht.
Die Anhänger Assads und die Rebellengruppen kämpfen weiter um die Stadt Aleppo. Inzwischen mischen sich immer mehr andere Länder in den Krieg ein.
Ende des Jahres haben 2,3 Millionen Menschen Syrien verlassen.
Ende des Jahres haben 2,3 Millionen Menschen Syrien verlassen.
Die Terrororganisation IS wird immer mächtiger in Syrien und besetzt sehr viele Gebiete. Sie verbreitet dort Angst und Schrecken und verübt Anschläge. Die USA ruft deswegen zum Kampf gegen den IS auf.
Quelle: imago
Weil sich immer mehr Nationen an dem Krieg beteiligen, ist inzwischen von einem "Stellvertreter-Krieg" die Rede. Das bedeutet, dass zwei Länder, statt ihren Streit miteinander offen anzugehen, diesen in einem anderen Land austragen. Zum Beispiel unterstützt Russland den Herrscher Assad, und die türkische Regierung unterstützt einige Rebellengruppen.
Mittlerweile haben vier Millionen Menschen Syrien verlassen. Immer mehr syrische Flüchtlinge kommen jetzt auch nach Europa.
Mittlerweile haben vier Millionen Menschen Syrien verlassen. Immer mehr syrische Flüchtlinge kommen jetzt auch nach Europa.
Ende des Jahres wird die Stadt Aleppo von Assads Regierung zurückerobert. Viele kehren in die völlig zerstörte Stadt zurück und beginnen damit, sie wieder aufzubauen.
Die Kämpfe gehen in anderen Landesteilen aber weiter.
Die Kämpfe gehen in anderen Landesteilen aber weiter.
Immer mehr Gebiete können von der IS-Herrschaft befreit werden. Im Dezember gilt der IS weitestgehend als besiegt.
Im Norden Syriens gibt es heftige Kämpfe zwischen Truppen der Türkei und kurdischen Kämpfern in Syrien. Zwischen der Volksgruppe der Kurden und der türkischen Regierung gibt es schon länger Konflikte.
Der syrischen Regierung erobert fast alle Gebiete des Landes zurück. Nur noch die Region um die Stadt Idlib im Nordosten von Syrien ist noch in der Hand der Rebellen.
Der syrischen Regierung erobert fast alle Gebiete des Landes zurück. Nur noch die Region um die Stadt Idlib im Nordosten von Syrien ist noch in der Hand der Rebellen.
Die syrische Regierung versucht mithilfe von Russland die Region um Idlib zurück zu erobern. Hunderttausende fliehen 2019 aus der Region Idlib. Viele Hilfsorganisationen können wegen der heftigen Angriffe dort keine Hilfe mehr leisten.
Quelle: reuters
Der Konflikt konzentriert sich weiterhin auf die Region Idlib. Im März wird eine Waffenruhe vereinbart. Diese gilt bis heute - doch immer wieder wird dagegen verstoßen.
Der Krieg dauert inzwischen zehn Jahre an. Die gewaltsamen Unruhen sind zwar weniger geworden, die Not der Menschen bleibt aber groß. Hilfsorganisationen weisen im März darauf hin, dass der Krieg Kinder besonders hart trifft.
Quelle: dpa
Über 90 Prozent der Syrer leben in Armut, die Hälfte der Bevölkerung hat ihre Heimat verloren. Wegen des Krieges in der Ukraine sind viele Lebensmitteltransporte ausgeblieben. Das hat 2022 zu der schlimmsten Hungerkrise in Syrien seit Beginn des Krieges geführt: Mehr als 60 Prozent der Menschen in Syrien leiden unter Hunger.
Eine halbe Million Menschen sind in diesem Krieg bisher gestorben. Es gibt sechs Millionen Vertriebene innerhalb Syriens, 5,7 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen. Über eine Million haben im benachbarten Libanon Zuflucht gefunden. Und das Leid der Menschen dauert an: In ausgebombten Städten wie Aleppo oder Homs sind mehr als die Hälfte der Gebäude nicht mehr bewohnbar, der Wiederaufbau des Landes bleibt bisher aus.
Eine halbe Million Menschen sind in diesem Krieg bisher gestorben. Es gibt sechs Millionen Vertriebene innerhalb Syriens, 5,7 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen. Über eine Million haben im benachbarten Libanon Zuflucht gefunden. Und das Leid der Menschen dauert an: In ausgebombten Städten wie Aleppo oder Homs sind mehr als die Hälfte der Gebäude nicht mehr bewohnbar, der Wiederaufbau des Landes bleibt bisher aus.
Im Februar richten schwere Erdbeben Verwüstungen in der südlichen Türkei und in Syrien an. Zehntausende Menschen sterben. Die von den Erdbeben betroffenen Gebieten in Syrien werden von Rebellen kontrolliert - Menschen, die gegen die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad kämpfen. Genau diese Gebiete sieht der Präsident als verfeindet an. In den ersten Tagen ließ er deshalb Hilfslieferungen in diese Gebiete nicht zu - erst vier Tage später gab er die Erlaubnis. Baschar al-Assad wird außerdem vorgeworfen, diese Gebiete trotz der Notlage weiter anzugreifen und zu bombardieren.
Bis Ende November war der größte Teil Syriens schon länger wieder unter der Kontrolle des Herrschers Assad und seiner Regierung. Dann aber begannen Rebellengruppen erneut gegen Assad zu kämpfen und konnten viele Gebiete zurückerobern. Assad hat Anfang Dezember das Land verlassen, und damit ist es seinen Gegnern gelungen, ihn aus dem Amt zu jagen.
Nach dem Machtwechsel in Syrien ist De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa zum Übergangspräsidenten ernannt worden. Er führte die sunnitisch-islamistische Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die den Sturz von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad maßgeblich herbeigeführt hatte.
Quelle: dpa
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