Kritik an Stromsteuer-Plänen: "Bruch des Koalitionsvertrags"

Entlastung nicht für alle:Stromsteuer: "Bruch des Koalitionsvertrags"

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Weniger Stromsteuer nur für ausgewählte Branchen und nicht für alle - der Kabinettsbeschluss stößt auf breite Kritik. Auch Koalitionspolitiker fordern Nachbesserungen.

Eine Zeitschaltuhr für Steckdosen steckt an einer Leiste aus Steckdose und Lichtschaltern.
Statt einer allgemeinen Stromsteuersenkung setzt die Regierung auf gezielte Subventionen. Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft sollen stärker entlastet werden.25.06.2025 | 1:36 min
Entlastungen für Industrie und Landwirtschaft, nicht aber für Bürger und kleine Unternehmen: Nach dem Kabinettsbeschluss zur Stromsteuer hagelt es Kritik - auch innerhalb der Koalitionsparteien. Auslöser ist der Beschluss, die Stromsteuer ab dem 1. Januar 2026 nur für ausgewählte Branchen, nicht aber für die breite Masse der Verbraucher zu senken.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warnte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor einem Bruch des Koalitionsvertrags. Eine breite Senkung habe zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Versprechen der Union im Bundestagswahlkampf gehört und sei eindeutig beschlossen, sagte der CDU-Landeschef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Mit Blick auf die Erwartungshaltung der Menschen an die neue Bundesregierung kann ich Lars Klingbeil nur davor warnen, an dieser entscheidenden Stelle einen Bruch des Koalitionsvertrags zu verursachen.

Hendrik Wüst, Ministerpräsident in NRW

Befragung von Reiche und Rainer
Befragung der Bundesregierung im Bundestag mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU).25.06.2025 | 93:38 min

Streit in der Koalition

Indirekt richtet sich die Kritik an die gesamte Bundesregierung: Wie Klingbeil sprachen auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und ein Sprecher von Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) von Haushaltszwängen. Das Kabinett habe den Haushaltsentwurf einstimmig verabschiedet.
Die Regierung argumentiert, dass Verbraucher an anderer Stelle entlastet würden, etwa bei der Abschaffung der Gasspeicherumlage sowie der Absenkung der Netzentgelte. Zudem sei eine Absenkung der Stromsteuer auch für Verbraucher zu einem späteren Zeitpunkt der Legislaturperiode denkbar.
Unionspolitiker pochen gleichwohl auf eine breite Entlastung. "Wir gehen jetzt in die Haushaltsberatungen, das Parlament ist der Herr über das Verfahren", sagte Unionsfraktionsvize Sepp Müller (CDU) dem ZDF. "Deswegen schauen wir uns in beiden Regierungsfraktionen die Senkung der Stromsteuer für alle intensiv an."

Wir haben es versprochen.

Sepp Müller (CDU), Unionsfraktionsvize

SPD-Wirtschaftsexperte: Nachbesserung prüfen

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Tilman Kuban sprach im "Stern" von einem "Fehler des Finanzministeriums". Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, wies das zurück: Es sei "nicht für zielführend, dem Finanzminister Wortbruch zu unterstellen", sagte er dem ZDF: "Der Haushaltsentwurf ist eng mit allen Ministerien und dem Kanzleramt abgestimmt worden. Dementsprechend trägt auch die gesamte Regierung die Verantwortung dafür."
Aber auch Roloff sprach sich dafür aus, die Pläne noch einmal auf den Prüfstand zu stellen: "Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Stromsteuer für alle Verbraucher zu senken. Daher sollten wir im parlamentarischen Verfahren nun gründlich prüfen, ob die Stromsteuersenkung für private Haushalt und alle Unternehmen nicht doch umgesetzt werden kann."
Stromleitungen an Hochspannungsmasten leuchten im Gegenlicht der Sonne.
Laut einem EU-Bericht könnte Deutschland jährlich bis zu 300 Millionen Euro Stromkosten einsparen, würde der einheitliche Großhandelspreis durch Strompreiszonen ersetzt. 29.05.2025 | 1:27 min

Kritik aus der Wirtschaft und von Verbraucherzentralen

Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik daran, dass nur ausgewählte Branchen profitieren: "Mit einem solchen Bruch des Koalitionsvertrages verspielt die Regierung das Vertrauen des Handels und reißt den Unternehmen den Boden unter den Füßen weg", sagte der Präsident des Branchenverbands HDE, Alexander von Preen.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sprach von einem "Schlag ins Kontor für den Mittelstand". Auch energieintensive Handwerksbetriebe müssten endlich entlastet werden. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, berichtete von "vielen empörten Anrufen aus Betrieben, die fest mit einer sinkenden Stromsteuer gerechnet hatten".

Niemand versteht, warum trotz der geplanten Rekord-Verschuldung diese ohnehin recht kleine, aber sehr wichtige Entlastung nicht möglich sein soll.

Peter Adrian, DIHK-Präsident

Die Verbraucherzentralen betonten, Haushalte in Deutschland zahlten im europäischen Vergleich bereits die höchsten Strompreise. Da auch der Handel und andere Dienstleistungsbranchen von der Entlastung ausgenommen werden sollten, entstehe für die Verbraucher eine doppelte Belastung.

Die hohen Energiekosten der Unternehmen fließen unweigerlich in die Endpreise von Waren und Dienstleistungen ein.

Verbraucherzentrale Bundesverband

Quelle: dpa, AFP, Reuters

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