Pläne für Netzentgelt-Reform:Wie Stromrechnungen fairer werden könnten
Betrieb und Ausbau der Stromnetze werden mit unseren Abgaben bezahlt. Damit die Rechnungen nicht explodieren, sucht die Bundesnetzagentur nach Lösungen. Die werden einigen weh tun.
Solarstrom boomt - auch auf Kosten von privaten Stromkunden?
Quelle: ImagoFür viele Verbraucherinnen und Verbraucher werden die ständig steigenden Stromkosten zur Belastung. Grund für die steigenden Strompreise ist der Netzausbau, der seit einiger Zeit auf Hochtouren läuft.
Denn immer mehr Erneuerbare Energien müssen ans Netz angeschlossen werden. Und: Immer mehr Haushalte versorgen sich über ihr eigenes Solardach. Diese beteiligen sich aber abgesehen von einem geringen Grundpreis nur dann an den Netzentgelten, wenn sie mal Netzstrom brauchen - obwohl das Netz für den Bedarfsfall dauerhaft bereitstehen muss.
Der verstärkte Ausbau muss jedoch irgendwie fair finanziert werden, sagt Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur.
ZDFheute Infografik
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Da stellt sich durchaus die Frage, ob das eigentlich ein gerechtes Modell ist, wenn jemand, der die Chance auf ein eigenes Solardach nicht hat, das ganze Jahr über Netzkosten bezahlt.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur
Netzentgelte sind vielen Verbrauchern unbekannt, dennoch hat jeder sie auf der Stromrechnung: Es handelt sich um Gebühren, mit denen die Netzbetreiber den Ausbau des Stromnetzes finanzieren. Die Netzentgelte machen im Moment durchschnittlich rund 28 Prozent des Strompreises aus, den der Endverbraucher zahlt - Tendenz steigend.
Einspeisung von Strom ins Netz für lau?
Ein Knackpunkt in der Reform: Fürs Einspeisen von Strom ins Netz zahlen sowohl Erzeuger wie Wind- und Solarparks als auch private Solaranlagen-Besitzer bisher nichts. Lediglich wird ein Aufschlag für besondere Netznutzung außerhalb der Netzentgelte für Erzeuger erhoben - dieser könnte mit der Reform angepasst werden oder sogar wegfallen.
- Netzentgelt-Reform: Solar schützt nicht vor Gebühr
Quelle: Statistisches Bundesamt
Gesucht: Faire Lösung für alle Netznutzer
Die als überaltert geltende Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) läuft bis 2028 aus und muss erneuert werden - das hat der Europäische Gerichtshof bereits 2021 so angeordnet. Die Reform der Netzentgelte soll bereits ab 2026 greifen. Die Bundesnetzagentur hat als Grundlage ein Diskussionspapier erarbeitet, welches die verschiedenen Probleme darlegt, die bei der Reform angegangen werden müssen. Konkrete Lösungen gibt es noch nicht, doch verschiedene Modelle werden zumindest im Ansatz durchgespielt:
- Denkbar wäre, dass Stromerzeuger wie Wind und Solarparks für die Einspeisung von Strom ins Netz verstärkt zur Kasse gebeten werden. Im Bereich der Netzentgelte für Gas sind Einspeiseentgelte auf der Fernleitungsebene seit Jahren geübte Praxis.
- Einführung eines Baukostenzuschusses als Ergänzung oder Alternative zum Einspeiseentgelt. Dieser könnte im Zuge der Anschlusserstellung und -erweiterung einmalig vom Anschlussnehmer entrichtet werden.
- Einführung eines verpflichtenden Grundpreises, beispielsweise würden dann auch private Solaranlagenbesitzer für den ganzjährigen möglichen Zugriff aufs Netz eine erhöhte Grundgebühr zahlen.
- Ersatz des Leistungspreises durch einen Kapazitätspreis. Dann bestellen Anschlussnehmer im Voraus (ggf. mehrere Jahre) die gewünschte Kapazität. Netzbetreiber könnten dadurch nicht genutzte Kapazitäten gezielter neu vergeben und so die Effizienz erhöhen. Auch hier zieht man den Vergleich zur Nutzung der Gasfernleitungsnetze - hier sind Kapazitätspreise bereits der Standard.
- Dynamische Netzentgelte könnten dazu führen, dass sich die Netznutzung nach dem aktuellen Auslastungsgrad des Netzes bemessen würde. Doch hierfür müssten auch die Netze digitalisiert werden - dies ist bisher kaum der Fall.
Durch Dynamisierung Anreize bei Netznutzern schaffen
Hört man Experten aus der Solarbranche zu, wird schnell deutlich: Das Problem ist nicht allein der schleppend verlaufende Netzausbau, sondern auch, wie die Netzkapazitäten ausgelastet werden - nämlich nicht effizient. Alle erneuerbaren Anlagen einfach flächendeckend mit hohen Kosten zu belegen, ergebe daher wenig Sinn, sagt Solaranlagen-Experte Tobias Schwarz:
Durch Batteriespeicher, Wärmepumpe, Elektroauto & Co. können wir uns mit einer gesteuerten Anlage netzdienlich verhalten. Mit gesteuerten Systemen können wir auch beispielsweise nachts überschüssigen Strom aus dem Netz nehmen und zwischenspeichern. Dadurch können wir die Netze entlasten.
Tobias Schwarz, Energiekonzepte Deutschland GmbH
Laut einem EU-Bericht könnte Deutschland jährlich bis zu 300 Millionen Euro Stromkosten einsparen, würde der einheitliche Großhandelspreis durch Strompreiszonen ersetzt.
29.05.2025 | 1:27 minWürden sich die Strompreise nach Auslastung bemessen, dann würde auch ein netzdienliches Verhalten bei Nutzern gefördert. Smarte Energiesysteme könnten die Stromnutzung dann sinnvoll steuern und Leistungsspitzen umgehen. Hierüber könnte eine ausgewogenere Nutzung des Netzes erreicht werden, was auch wiederum den Netzausbau entlasten könnte.
Smarte Netze könnten Stromnutzern signalisieren, wie die Netzauslastung gerade aussieht. Bei viel Strom im Netz könnten sie mit günstigen Konditionen den Verbrauch anregen, bei Engpässen die Nutzung unattraktiv machen. Das könnte die Netze und deren Ausbaubedarf entlasten. Allerdings müssten dafür die Netze digitalisiert und automatisiert werden, was bisher noch kaum der Fall ist.
Dynamische Netzentgelte und smarte Netze: Vorteilhaft, aber schwer umsetzbar?
Um digitale Netze dann auch sinnvoll zu nutzen, müssten Haushalte zudem flächendeckend mit sogenannten Smart Metern ausgestattet werden. Das sind intelligente Stromzähler, die in Deutschland noch Mangelware sind.
Die strenge Regulatorik hat viele Jahre de facto verhindert, dass Smart Meter verbaut werden konnten. Sie waren nicht zertifiziert. Und die Preisobergrenze war so gesetzt, dass viele Netzbetreiber im Rollout ein Minusgeschäft gesehen haben.
Rouben Bathke, Redaktionsleiter beim Fachmagazin Energate
Diskussion über Reform noch bis Ende Juni
Die Lösung für eine gerechte Verteilung der Netzkosten ist noch nicht in Sicht - aber zumindest gibt es Ansätze und Ideen, wie steigende Netzkosten auf alle Netznutzer - ob Einspeiser oder Verbraucher, umgelegt werden können.
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