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Staatsangehörigkeitsrecht:"Turbo-Einbürgerung" kaum relevant
von Jan Henrich
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Die Zahl der Einbürgerungen steigt, doch die viel diskutierte "Turbo-Einbürgerung" spielt dabei fast keine Rolle. Ausgerechnet die will die Bundesregierung abschaffen.
Die Bundesregierung plant massive Änderungen in der Migrationspolitik.
Quelle: dpa
Man wolle "Pull-Faktoren" beseitigen und illegale Migration reduzieren, so Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vergangene Woche bei der Vorstellung der geplanten Änderungen in der Migrationspolitik. Die Bundesregierung will die erst seit vergangenem Jahr bestehende Möglichkeit der Einbürgerung nach nur drei Jahren Aufenthalt in Deutschland wieder abschaffen.
Doch eine Abfrage bei den Bundesländern zeigt: Die Staatsbürgerschaft im Schnellverfahren kommt nur selten vor. Dass die Zahl der Einbürgerungen insgesamt stark steigt, hat andere Gründe.
Einbürgerung mit "besonderer Integrationsleistung"
Vergangenes Jahr hatte die Ampel-Koalition das Einbürgerungsrecht grundlegend reformiert, gegen die Stimmen und Einwände der Union. Die damalige Regierung hatte sich zum Ziel gesetzt, ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht mit Fokus auf Teilhabechancen zu schaffen.
Die Regel-Einbürgerung ist seitdem bereits nach fünf statt acht Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich. Auch die doppelte Staatsangehörigkeit ist nicht länger nur ausnahmsweise, sondern grundsätzlich erlaubt.
Die Staatsangehörigkeit richtet sich in Deutschland in erster Linie nach dem Abstammungsprinzip. Ein Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil deutsch ist. Bis zum 1. Januar 2000 galt dieses Prinzip fast ausschließlich. Seitdem sind weitere Möglichkeiten zur Einbürgerung hinzugekommen.
Nach § 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) kann die deutsche Staatsangehörigkeit u.a. erworben werden durch
Nach § 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) kann die deutsche Staatsangehörigkeit u.a. erworben werden durch
- Geburt
- Adoption
- Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft
- Einbürgerung
Hinzu kam mit der im Juni 2024 in Kraft getretenen Reform auch die Option für eine sogenannte "Turbo-Einbürgerung", also eine Verkürzung der Aufenthaltszeit auf nur drei Jahre. Voraussetzung dafür ist laut Gesetz eine "besondere Integrationsleistung". Also beispielsweise langjähriges ehrenamtliches Engagement oder besondere berufliche Leistungen. Zudem müssen Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau C1 nachgewiesen werden.
Diese Option zur Verkürzung der Aufenthaltsdauer soll nach den Plänen der Bundesregierung nun wieder abgeschafft werden.
Schnellverfahren absolute Ausnahme
Bundesweite Zahlen, wie viele solcher "Turbo-Einbürgerungen" es seit Start der Reform gegeben hat, liegen noch nicht vor. Doch eine Abfrage des ZDF bei den Innenministerien der Länder lässt erkennen: Die Schnellverfahren bilden eine absolute Ausnahme.
So gab es in Bremen seit Juni 2024 keine einzige "Turbo-Einbürgerung", Hessen zählt vier, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern jeweils fünf Fälle. In Bayern erhielten im selben Zeitraum 78 Personen eine Einbürgerung nach verkürzter Aufenthaltsdauer. Spitzenreiter ist Berlin mit 500 Fällen.
Noch keine Zahlen hatte unter anderem Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Doch auch dort geht man laut einer Ministeriumssprecherin von "sehr wenigen Fällen" aus.
Zahl der Einbürgerungen auf Rekordkurs
Die Zahlen stehen in einem starken Kontrast zur Entwicklung beim Thema Einbürgerung insgesamt. Bereits 2023 verzeichnete das Statistische Bundesamt die größte Zahl der Einbürgerungen seit der Jahrtausendwende. Für das Jahr 2024 sieht alles danach aus, als ob dieser Rekord erneut gebrochen werden könnte.
- 2019: 128.905
- 2020: 109.885
- 2021: 131.595
- 2022: 168.765
- 2023: 200.095
In Baden-Württemberg beispielsweise erhielten im vergangenen Jahr insgesamt 37.806 Ausländerinnen und Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft, eine Zunahme von 66 Prozent gegenüber 2023.
Mehr Menschen, die Voraussetzungen erfüllen
Dabei kommen aktuell mehrere Entwicklungen zusammen. Bereits im Vorjahr führte das Statistische Bundesamt die hohe Zahl der Einbürgerungen unter anderem auf die Zuwanderung von Menschen aus Syrien in den Jahren 2014 bis 2016 zurück, die mittlerweile vermehrt die Voraussetzungen für eine Einbürgerungen erfüllen.
Zugleich kommen nun durch die Herabsenkung der Aufenthaltsdauer für eine Regel-Einbürgerung faktisch mehrere Jahrgänge auf einmal zusammen.
Ob die sogenannte "Turbo-Einbürgerung", wie der Bundesminister andeutet, wirklich ein Pull-Faktor für illegale Migration ist, scheint mit Blick auf die geringe Anzahl fraglich.
Jan Henrich ist Mitarbeiter der ZDF-Redaktion Recht und Justiz
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