SPD in Aufruhr: Wie Pistorius gegen die Union schießt
Analyse
SPD in Aufruhr:"Kein Gewissen": Pistorius schießt gegen Union
von Dominik Rzepka, Kevin Schubert
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In der SPD brodelt es. Kritik am Sondierungsergebnis mischt sich mit Ärger über CDU und CSU. In Richtung Union fliegen bereits Giftpfeile - und der Juso-Chef droht sein Veto an.
Abteilung Attacke gegen die Union: Arbeitsminister Heil und Verteidigungsminister Pistorius bei der SPD-Fraktionssitzung.
Quelle: action press
Der Ärger in der SPD muss groß sein, wenn ein Bundesverteidigungsminister solche Worte wählt. "Ich sag's euch, wie es ist: Diese Gesprächspartner waren die mit Abstand unangenehmsten. Humanität und Verantwortung für andere Menschen? Null komma null", soll Boris Pistorius während einer SPD-Fraktionssitzung am Montag über die Verhandler von CDU und CSU gesagt haben. So zitiert ihn zumindest der "Stern", dem ein Protokoll der Sitzung vorliegt.
Pistorius attackiert Dobrindt und Frei scharf
Anlass der scharfen Attacke: Der Unmut einiger Sozialdemokraten über die Sondierungsvereinbarungen beim Thema Migration. Die schlimmsten Sätze der Union habe man "rauskegeln" können, verteidigt Pistorius laut "Stern" die ausgehandelten Kompromisse - nur um kurz darauf zwei Spitzenleute der Union namentlich zu attackieren, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei.
Ich sage es Euch: Dobrindt und Frei, sie sind wirklich unangenehm. Sie haben kein Gewissen.
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Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) laut "Stern"
Auch Hubertus Heil soll in der SPD-Fraktionssitzung hart gegen einen Unions-Verhandler ausgeteilt haben. "Es war keine Selbstverständlichkeit, dass wir mit dieser radikalisierten, rechten CDU und den Spahns dieser Welt den Mindestlohn erhöhen werden und das Rentenniveau sichern", zitiert der "Stern" den Arbeitsminister.
Das Ringen zwischen Union, SPD und Grünen geht weiter. Union und SPD bräuchten die Grünen, um das Sondervermögen noch im alten Bundestag durchsetzen zu können.11.03.2025 | 1:46 min
In der Union sind viele irritiert über die Äußerungen des wahrscheinlichen Koalitionspartners. Der Artikel erscheint gestern zu einem Zeitpunkt, als alle Augen auf die Gespräche mit den Grünen gerichtet sind - und die Partei ohnehin nervös ist. Thorsten Frei sagt ZDFheute: "Ich habe die Verhandlungen mit Herrn Pistorius anders in Erinnerung: Hart in der Sache, aber fair im Umgang. So sollten wir es auch weiter halten."
Wer hat aus vertraulicher SPD-Sitzung geplaudert?
Die Frage steht im Raum, warum die Zitate von Pistorius überhaupt öffentlich geworden sind. Denn eigentlich finden SPD-Fraktionssitzungen in einem vertraulichen Rahmen statt, sagt Juso-Chef Philipp Türmer ZDFheute:
Da wurde offenbar einiges durchgestochen. Ich vermute, es wird niemand aus der CDU etwas aus einer SPD-Fraktionssitzung rausgestochen haben.
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Philipp Türmer, Juso-Chef
Im Klartext: Die Indiskretion muss aus der SPD selbst gekommen sein. Offenbar gibt es innerhalb der Fraktion Vorbehalte gegen eine Koalition mit der Union. Das Durchstechen dürfte auch ein interner Angriff auf den Kurs der eigenen Parteispitze sein.
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Juso-Chef: Union hintertreibt Verhandlungen
Türmer selbst will die Kritik an Dobrindt und Frei nicht bewerten. Dafür kritisiert er CDU-Vize Jens Spahn, der Zurückweisungen an den Grenzen ohne Einigung mit den europäischen Nachbarn fordere:
"Ich habe die Befürchtung, dass es manche in der Union gibt, die nicht konstruktiv Kritik üben wollen, die nicht konstruktiv verhandeln wollen, sondern die eigentlich diese Verhandlungen hintertreiben wollen, weil sie sich eigentlich eine schwarz-blaue Koalition wünschen. Und das macht mir schon gewaltige Sorgen."
Das Zwischenmenschliche müsse die Basis in einer Koalition sein. Aber das, was die Union im Wahlkampf veranstaltet habe, sei ein großes Problem, sagt Türmer.
Juso-Chef Philipp Türmer kritisiert, einige in der Union würden die Koalitionsverhandlungen mit der SPD hintertreiben, weil sie sich ein Bündnis mit der AfD wünschten.11.03.2025 | 0:23 min
Türmer droht mit Veto gegen Schwarz-Rot
Die Jusos üben auch inhaltliche Kritik an den bisherigen Sondierungsergebnissen. Die Abschaffung des Acht-Stunden-Tages sei ebenso falsch wie die massiven Verschärfungen im Bereich von Asyl und Migration. Türmer droht bereits mit einer Absage an Schwarz-Rot:
Im Moment, mit dem, was im Sondierungspapier drinsteht, könnte ich dem nicht zustimmen.
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Philipp Türmer, Juso-Chef
In einem Vier-Seiten-Papier kritisiert der CDU-Nachwuchs das Sondierungspapier von Union und SPD und fordert Korrekturen. Die kommende Regierung müsse "Zumutungen fair zwischen den Generationen verteilen, statt sie einseitig der jungen Generation aufzubürden", heißt es in dem Papier, das ZDFheute vorliegt.
Konkret fordert die Junge Union (JU) drei Punkte:
Großangelegte Rentenreform: Hier kritisiert die JU vor allem das CSU-Projekt "Mütterrente". Die sei zwar jeder Person gegönnt, "ist aber finanzpolitisch ein fatales Signal".
Verteidigung: Hier fordert die JU, höhere Ausgaben über eine "Verteidigungsumlage" zu finanzieren. So sollen Mehrkosten von allen Generationen getragen werden. Bis zu einer Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen die Ausgaben aus dem regulären Haushalt finanziert werden.
Infrastruktur: Das Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro "lehnen wir in dieser Pauschalität" ab, schreibt die JU. Infrastruktur sei staatliche Daseinsvorsorge, ein Sondervermögen setze aber einen Sonderfall voraus. Sollte es dennoch beschlossen werden, will die JU klare Definitionen von "Infrastruktur" und "Investition". Mindestens die Hälfte der Investitionen müssten "echte Zukunftsinvestitionen sein" in die Bereiche Bildung, Forschung und Digitalisierung.