Nationaler Veteranentag: Wenn Soldaten an Traumafolgen leiden

Interview

Psychologin behandelt Soldaten:"Machen Sie schnell etwas, damit das aufhört"

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Nationaler Veteranentag - dabei soll es auch um die Folgen von Einsätzen gehen. Häufig kämen Soldaten mit Traumafolgestörungen zurück, sagt Psychotherapeutin Böttcher im Interview.

Eine Soldaten zeichnet sich ab zwischen Soldaten, aufgenommen im Rahmen der Militaeruebung Wettiner Schwert mit deutschen und tschechischen Soldaten bei Tangermuende, 26.03.2024.
Soldatinnen und Soldaten machen prägende Erfahrungen bei ihren Einsätzen. Das kann zu Traumafolgestörungen führen. (Symbolbild)
Quelle: Imago

ZDFheute: Was haben die Soldaten und Soldatinnen erlebt, die zu Ihnen kommen?
Kristina Böttcher: Die Einsatzveteranen kommen meistens mit Traumafolgen wie Angststörungen oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Auslöser sind dabei ganz unterschiedlich, je nachdem, in welchem Einsatzfeld und Einsatzgebiet sie waren.
Viele kämpfen vor allem mit der Dauerbelastung vor Ort und mit Situationen, in denen sie Schlimmes beobachten mussten, ohne eingreifen zu dürfen.

Diese Ohnmacht auszuhalten, ist ein ganz wesentlicher Teil des Problems.

Kristina Böttcher, Psychotherapeutin

Kristina Böttcher
Quelle: ZDF

... arbeitet als psychologische Psychotherapeutin. Sie ist spezialisiert auf Einsatzkräfte der Polizei, Bundeswehr und Feuerwehr. Zu ihren Schwerpunkten gehören Traumafolgestörungen. Sie war an der Klinik am Waldschlößchen in Dresden tätig mit dem Fokus auf Traumatherapie.

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ZDFheute: Mit welchem Ziel kommen die Soldaten und Soldatinnen bei Ihnen zur Behandlung?
Böttcher: Wenn sie kommen, sagen viele: 'Machen Sie schnell etwas, damit das aufhört und ich wieder so werde wie früher.' Sie spüren, dass sie sich verändert haben. Diesen Zahn müssen wir ihnen aber leider ziehen - genau wie früher werden sie nicht mehr. Denn, was sie erleben mussten, hat sie geprägt. Aber die Symptome lassen sich deutlich reduzieren und bearbeiten.

Ziel ist, dass die Lebensqualität wieder steigt, dass sie keine Einschränkungen mehr haben.

Kristina Böttcher

Dass sie im Alltag wieder zurechtkommen, Dinge genießen können, weniger Konflikte erleben - und sich einfach wieder wohlfühlen. Und natürlich geht es auch um die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit. Die allermeisten machen ihren Job ja wirklich gern.
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ZDFheute: Wie viele Veteranen sind aus Ihrer Erfahrung davon betroffen?
Böttcher: Das ist schwierig zu sagen. Es gibt natürlich Studien dazu, vor drei Wochen habe ich eine Fortbildung besucht, da hieß es 2,9 Prozent, die im Einsatz waren, kommen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zurück. Das halte ich persönlich für sehr wenig.
Ich denke, die Dunkelziffer ist deutlich höher. Viele melden sich gar nicht, tragen das mit sich selbst aus oder fallen durchs Raster, weil sie gar nicht mehr bei der Bundeswehr sind.
ZDFheute: Wie kann eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) festgestellt werden?
Böttcher: Es gibt sehr klare Kriterien dafür, was eine Posttraumatische Belastungsstörung ausmacht. Zum einen sind da die Flashbacks - also das Erinnern, die Albträume oder Ähnliches. Dann gibt es die Übererregung, dazu zählen Schlafstörungen, innere Unruhe, Zittern, Gereiztheit oder auch Aggressivität.
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Und schließlich das Vermeidungsverhalten: Die Betroffenen gehen nicht mehr raus, meiden Orte, Situationen oder Personen. Wenn aus allen drei Bereichen Symptome vorliegen, dann ist das die Diagnose.
ZDFheute: Wie gefährlich können solche Traumafolgestörungen sein?
Böttcher: Das ist leider das, was man öfter Mal in den Medien hört: Wenn Betroffene keine Hilfe bekommen, kann das mit einem Suizid enden. Damit, dass sie sich das Leben nehmen, weil sie sich so hilflos fühlen und einfach nicht mehr können. Das ist natürlich das, was wir gerne verhindern wollen.
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ZDFheute: Wie gut funktioniert denn die Versorgung, wenn man mit einem Kriegsdienstschaden aus dem Einsatz zurückkommt?
Böttcher: Es ist schon wirklich viel passiert in der Bundeswehr. Also eigentlich ist da ein wirklich großes Netz aufgebaut über Seelsorge, Sozialarbeit, die ganze Truppenpsychologie. Ich denke, dass es noch große Probleme gibt, wenn jemand einsatzgeschädigt zurückkommt und versucht eine Wehrdienstbeschädigung anerkennen zu lassen.
Das ist ein wichtiger Weg, um Unterstützung oder finanzielle Ausgleiche zu bekommen - aber den müssen sie sich oft hart erkämpfen.

Das ganze Verfahren ist sehr undurchsichtig, manche müssen sich das sogar vor Gericht erstreiten.

Für Soldatinnen und Soldaten, die ohnehin psychisch stark belastet sind, ist das ein enormer Kraftakt. Ich erlebe oft, dass genau das zu einem großen Vertrauensverlust gegenüber dem Dienstherrn führt - viele fühlen sich fallengelassen.
Das Interview führte Luisa Holzkamp, sie arbeitet im ZDF-Studio in Sachsen.

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