Gremium verkleinert: Kontrolle der Nachrichtendienste ausgehöhlt?
Gremium verkleinert:Kontrolle der Nachrichtendienste ausgehöhlt?
von Julia Klaus
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Es kontrolliert die Nachrichtendienste und damit die Regierung - doch das Parlamentarische Kontrollgremium wurde verkleinert, nun sitzt dort ein einziger Oppositionspolitiker.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages überwacht die deutschen Geheimdienste. Heidi Reichinnek von der Linken wurde nicht in das PKG gewählt.26.06.2025 | 1:43 min
Es ist ein zentrales Gremium im Bundestag, tagt streng geheim und seine Mitglieder sind bestens über die Arbeit deutscher Nachrichtendienste informiert: Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) wacht über den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz und den für die Bundeswehr zuständigen Militärischen Abschirmdienst (MAD). Die Dienste sind der Bundesregierung unterstellt - das PKGr kontrolliert somit die Arbeit der Regierung.
Doch Schwarz-Rot hat das Gremium verkleinert, von 13 auf 9 Abgeordnete. Das bilde das neue Kräfteverhältnis im Bundestag ab. Doch weil die zwei AfD-Kandidaten und die Kandidatin der Linken am heutigen Donnerstag im Bundestag keine Mehrheit bekamen, sind nun lediglich sechs Abgeordnete die neuen Kontrolleure - und davon ist nur ein einziger Politiker aus der Opposition: Der Grüne Konstantin von Notz.
Der Nachrichtendienst-Experte Luca Manns von der Uni Köln kritisiert das gegenüber ZDF Frontal: "Ein einziges Mitglied der Opposition wird nun die mehr als 10.000 Beschäftigten der Nachrichtendienste des Bundes kontrollieren. Zumindest staatspolitisch scheint dies erklärungsbedürftig, um in der Bevölkerung keine Zweifel an der Effektivität der nachrichtendienstlichen Kontrolle zu säen."
Noch weiter geht der ehemalige Dienste-Kontrolleur Konstantin Kuhle (FDP), der aus dem Bundestag ausgeschieden ist.
Mit dem Grünen Konstantin von Notz ist nur ein einziger Abgeordneter der Opposition im Gremium vertreten. Damit wird die parlamentarische Kontrolle ausgehöhlt.
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Konstantin Kuhle (FDP), ehemaliges PKGr-Mitglied
Nach dem Fall der Mauer und dem Ende der Sowjetunion stellt sich die Frage nach der Rolle des BND. Die Terroranschläge des 11. September 2001 scheinen eine eindeutige Antwort zu geben.27.12.2021 | 44:09 min
Wie funktioniert das geheime PKGr?
Über die Treffen des Gremiums ist naturgemäß wenig bekannt, sie dauern oft mehrere Stunden, finden in einem abhörsicheren Raum im Bundestag statt, Handys müssen draußen bleiben. Die Dienste informieren dort etwa über Spionage-Fälle, Cyber-Angriffe oder terroristische und extremistische Bedrohungen.
Das Gremium kann auch eigenständig Berichte anfordern, Akten einsehen und Dienste-Mitarbeiter befragen. Was besprochen wird, darüber müssen die Mitglieder schweigen. Dennoch sollte man nicht unterschätzen, was eine kritische Begleitung - insbesondere durch die Opposition - bewirken kann.
Ein geheimer Ausschuss im Bundestag wacht über Nachrichtendienste. Wie das Parlamentarische Kontrollgremium funktioniert, wer darin sitzt - und warum die aktuelle Wahl brisant ist.
von Oliver Klein
FAQ
CDU: Kleineres Gremium für mehr Vertraulichkeit
Neuer Vorsitzender wird der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann, er saß bereits im vorigen PKGr Er wolle sich dafür einsetzen, dass der "Kontrollauftrag die Dienste nicht lähmt, sondern besser macht", sagt er ZDF Frontal. Die Arbeit der Nachrichtendienste hält er für immer wichtiger: "Nur wer die Gefahr erkennt, kann gezielte Desinformationskampagnen und Manipulationsversuche – etwa aus Russland – durchschauen und abwehren."
Neuer Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr): der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann.
Quelle: Imago
Durch Russlands hybriden Krieg dürften etwa Spionage und Sabotage weiter zunehmen und die Aufgaben der Dienste wachsen. Wie passt das zum geschrupften Gremium? Höhlt die Bundesregierung die Kontrolle geziehlt aus? Keineswegs, findet Henrichmann - im Gegenteil:
Ein kleineres Gremium erhöht die Vertraulichkeit und ist zugleich ein Signal an befreundete Nachrichtendienste: Wir nehmen ihre Sicherheitsbedenken sehr ernst.
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Marc Henrichmann, PKGr-Mitglied
Doch eine kleinere Zahl an Mitgliedern ist kein Garant für Geheimhaltung - wichtiger ist, wer im Gremium sitzt. Die Kandidaten der vom Verfassungsschutz beobachteten AfD hatten bereits in der vergangenen Legislatur keine Mehrheit erhalten. Auch Kandidaten der Linken und der Grünen waren in der Vergangenheit durchgefallen.
Ins Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) gewählt:
Marc Henrichmann (CDU)
Heiko Hain (CSU)
Alexander Throm (CDU)
Daniel Baldy (SPD)
Sonja Eichwede (SPD)
Konstantin von Notz (Grüne)
Linken-Vorsitzende Reichinnek fällt durch
Dass die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek nicht die nötige Mehrheit erhielt, kritisiert sie nach der Wahl gegenüber ZDF Frontal scharf:
Ich bin wirklich sehr irritiert darüber, dass die Union aus der Wahl zu einem Arbeitsgremium ein parteipolitisches Spielchen gemacht hat.
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Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek
Reichinnek weiter: "Sie schaden damit aber vor allem sich selbst. Die Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage. Gerade weil mir die Demokratie das höchste Gut ist, habe ich Friedrich Merz hart dafür kritisiert, dass er Mehrheiten mit der AfD gesucht hat. Das muss eine Regierungspartei aushalten. Demokratie lebt von Auseinandersetzung und die Regierung darf sich nicht der Kontrolle durch die Opposition nicht entziehen."
Linken- und AfD-Fraktion können in den kommenden Wochen weitere Kandidaten vorschlagen. Im Fall der AfD scheint es eher unwahrscheinlich, dass ein Kandidat gewählt wird, zu groß dürfte die Sorge sein, dass Informationen - etwa nach Russland - abfließen. Die Linke könnte hingegen einen neuen Kandidaten durchbekommen, schon allein, weil die Union bei Grundgesetzänderungen auf sie angewiesen ist. Nachrichtenexperte Manns von der Uni Köln gibt für einen kommenden Linken-Kandidaten zu Bedenken:
Lehnt das Plenum auch diesen ab, dürfte das öffentliche Vertrauen in die parteiübergreifende Kontrolle darunter leiden. Nicht zuletzt liegt es auch im Interesse der Dienste selbst, durch ein möglichst plural besetztes Gremium kritisch begleitet zu werden – denn das sichert ihre demokratische Verankerung.
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Luca Manns, Geschäftsführer der Forschungsstelle Nachrichtendienste Universität Köln