Minijobs: Warum sie für Millionen zur Falle werden

Besonders Frauen betroffen:Warum Minijobs für Millionen zur Falle werden

von Richard Luttke

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Unionspolitiker wollen Minijobs abschaffen. Gewerkschaften applaudieren, Arbeitgeber warnen. Warum das Modell umstritten ist und was eine Abschaffung für Millionen bedeuten würde.

Archiv: Eine Frau, die Kaffee auf einem Tablett trägt, spiegelt sich am 13.07.2017 im einer verspiegelten Außendecke des Porsche-Museums in Stuttgart.

In Minijobs arbeiten hauptsächlich Frauen.

Quelle: dpa

Ob in der Gastronomie oder dem Handel - Millionen Menschen arbeiten in Minijobs. Das Modell klingt verlockend: ein paar Stunden arbeiten, kaum Papierkram, meist brutto gleich netto. Doch die vermeintliche Einfachheit hat ihren Preis. Statt in die reguläre Beschäftigung führen Minijobs viele Menschen in eine Sackgasse. Müssen die Minijobs also weg?

Mindestlohn und Minijobs

Der gesetzliche Mindestlohn und Minijobs waren jüngst Thema im Bundestag - sehen Sie die Debatte hier in voller Länge.

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Minijobs: Ein beliebtes Konzept

Wer aktuell weniger als 556 Euro im Monat verdient, zahlt keine Arbeitslosenversicherung und kann sich von der Rentenversicherung befreien lassen. Zudem sind Minijobber nicht kranken- und pflegeversicherungspflichtig. Arbeitgeber zahlen nur geringe pauschale Beiträge und Steuern. Immerhin sieben Millionen Menschen und damit ein erheblicher Teil aller Erwerbstätigen in Deutschland sind geringfügig beschäftigt - die meisten von ihnen im Handel oder Gastgewerbe, oft in kleinen Betrieben.

Die Minijobs wurden vor mehr als 20 Jahren im Rahmen der Hartz-Reformen eingeführt. Matthias Collischon, Arbeitsmarktforscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), erklärt:

Die Idee der Minijobs war ursprünglich, Menschen einen einfachen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen - etwa Arbeitslosen, Müttern oder Rentnern.

Matthias Collischon, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

Forschung zeigt: Minijobs setzen falsche Anreize

Mittlerweile zeige die Forschung jedoch, "dass die Leute zwar in Minijobs arbeiten, aber nicht den weiteren Sprung machen in reguläre Beschäftigung, sondern in den Minijobs verharren." Darüber hinaus habe sich der Arbeitsmarkt auf die Minijobs eingestellt, wodurch reguläre Stellen nicht geschaffen oder gar abgebaut wurden. Dadurch entgehen dem Sozialstaat Einnahmen und Beschäftigte sind schlechter abgesichert.

Es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn

In Deutschland arbeiten rund sieben Millionen Menschen in Minijobs. Vielen steht mehr Geld zu, als sie bekommen. Ob bewusst oder versehentlich, kann es gerade bei ihnen zu Mindestlohnbetrug kommen.

30.06.2025 | 6:07 min

Frauen besonders betroffen

Die Minijobs beförderten laut dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke, Altersarmut und führten insbesondere bei Frauen in eine berufliche Sackgasse. Der Grund liegt für Arbeitsmarktforscher Collischon vor allem beim Ehegattensplitting. Denn für verheiratete Frauen lohne es sich nicht, über die Minijob-Grenze hinaus zu arbeiten, weil dann der gemeinsame Steuersatz auf den Lohn anfalle.

Für die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt dürfen Minijobs daher nur "die Ausnahme bleiben, zum Beispiel für Schülerinnen und Schüler oder Studierende". Ihre Partei unterstütze den Vorstoß der Unionspolitiker und setze sich für eine "Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro" ein.

Eine weibliche Barista mit zwei Bechern Coffee to go.

Ob als Werkstudent, mit Minijob oder Semesterferienjob: Viele Studierende verdienen neben der Uni etwas Geld dazu. Was in Bezug auf Einkommen, Bafög, Versicherung und Steuern gilt.

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Arbeitgeber gegen die Abschaffung

Unterdessen stehen Branchenverbände einer Abschaffung kritisch gegenüber. Sandra Warden, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, betont auf Anfrage von ZDFheute, dass Minijobs aus dem Gastgewerbe nicht wegzudenken seien: "Nur so gelingt es uns, die Randzeiten von Veranstaltungen, Feiern und Festen sowie saisonale Nachfragespitzen zuverlässig abzudecken." Auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, betont:

Minijobber sind für den Einzelhandel unverzichtbar.

Stefan Genth, Handelsverband Deutschland

Viele Jahre nach ihrer Einführung zeigt sich: Minijobs sollten den Einstieg in eine geregelte Beschäftigung ebnen, doch tun oft das Gegenteil. Neben der geforderten Abschaffung könnte es für Arbeitsmarktforscher Collischon auch eine Lösung sein, Minijobs auf bestimmte Gruppen wie Studierende oder Rentner zu begrenzen.

Richard Luttke ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft & Finanzen.

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