CSU-Politiker bei "Lanz": Guttenberg vermisst große Debatten

CSU-Politiker bei "Lanz":Guttenberg vermisst große Debatten

von Felix Rappsilber
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Karl-Theodor zu Guttenberg betrachtet den "neuen Stil des Politikschaffens" als "weniger substanziell". Er fordert bei "Lanz" eine Debatte über die "Stabilität der Demokratie".

Markus Lanz vom 22. Mai 2025: Theodor zu Guttenberg, Markus Lanz, Sonja Álvarez, Jochem Marotzke, Florian Flade
Sehen Sie hier die Sendung Markus Lanz vom 22. Mai 2025. 22.05.2025 | 76:01 min
"Wir haben einen wirklich sehr engen Zeitraum, wo es jetzt darauf ankommt, Europa davor zu bewahren, in eine Richtung zu driften, wie wir es in den USA in den letzten Jahren betrachten konnten." Mahnende Worte von Karl-Theodor zu Guttenberg, der von 2011 bis 2021 in den USA gelebt hatte.
Der ehemalige Bundesverteidigungsminister sagte am Donnerstagabend bei "Markus Lanz":

Dieser Zeitrahmen ist eng - es sind zwei Jahre.

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Politiker

Friedrich Merz (l) und Lars Klingbeil nehmen an einer Pressekonferenz nach den Sondierungsgesprächen von Union und SPD im Bundestag teil.
Schwarz-Rot ist keine "Liebeshochzeit", sondern ein Zweckbündnis - darin sind sich die Koalitionäre einig. Trotzdem haben sie sich vorgenommen, konstruktiv zu arbeiten und weniger zu streiten.18.05.2025 | 3:55 min

Ist Politik heute ungnädiger, weniger besonnen, weniger vorbereitet?

Politik habe sich fundamental verändert. Sie sei "gehetzter" geworden. Im Wechselspiel mit den Medien gebe es eine Neigung, dass Politik "weniger substanziell ist, weil die Zeiträume, um zu reagieren und zu agieren, teilweise so kurz geworden sind". Guttenberg sagte:

[Die Welle der sozialen Medien] hat in der Tonalität etwas verändert, hat in den Umgangsformen - oder in den nicht mehr vorhandenen Umgangsformen - miteinander etwas verändert.

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Politiker

Wir hätten es mit einem "neuen Stil des Politikschaffens" zu tun: "Er sieht ungnädiger aus. Er sieht manchmal weniger besonnen aus. Er sieht manchmal weniger vorbereitet aus."
Bundespressekonferenz Fallzahlen für die Politisch Motivierte Kriminalität
2024 ist die Zahl politisch motivierter Straftaten in Deutschland stark gestiegen. Die größte Gefährdung für die Demokratie gehe vom Rechtsextremismus aus, so der Innenminister.20.05.2025 | 2:45 min

Demokratie am Abgrund

Guttenberg kritisierte diesen Politikstil:

Die großen Debatten finden kaum mehr statt. Wir jubeln alle von einer Sternstunde des Parlaments, wenn mal ein Fraktionszwang gelöst wird (...), aber das sind die großen Ausnahmen.

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Politiker

Er habe das Gefühl, dass man sich dafür nicht mehr die Zeit nehme: "Es ist schon eine Frage, ob eine Parteiführung solche Debatten, Diskurse und Diskussionen tatsächlich noch zulässt."
Dringend müsse eine Debatte darüber geführt werden, "wie man wieder Stabilität in eine Demokratie bringen kann, weil wir sie in der westlichen Welt nicht nur gefährdet, sondern teilweise wirklich bereits am Abgrund befindlich sehen".
Alice Weidel und Tino Chrupalla, aufgenommen am 24.02.2025 in Berlin
Mit den Zuwächsen der AfD wachsen auch die Probleme der anderen Parteien. Stabile Mehrheitsverhältnisse abseits der AfD zu schaffen, wird immer schwieriger. 20.05.2025 | 6:30 min

Zangengriff von innen

Neben Bedrohungen aus Russland, China und den USA warnte Guttenberg vor einer Gefahr aus Deutschland:
"Der Zangengriff ist mittlerweile auch von innen gegeben, dadurch, dass wir eine politische Bewegung in diesem Land haben, die sich durch eine Partei manifestiert, die offensichtlich Freude daran empfindet, die Stabilität dieses Landes zu unterhöhlen". Konkret: die AfD.
Angesichts innen- und außenpolitischer Schwierigkeiten könnten Politiker nicht auf alles Antworten geben:

Aber man kann auch nicht das Grübeln zum Konzept erheben. Ich glaube schon, dass die Bevölkerung draußen erwartet, dass Antworten geliefert werden.

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Politiker

Maybrit Illner, Bundeskanzler Friedrich Merz
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will schnell Planungssicherheit für die deutsche Wirtschaft herstellen.15.05.2025 | 1:30 min

Álvarez: Rezession droht zum dritten Mal

Von den Antworten des schwarz-roten Koalitionsvertrags schien Journalistin Sonja Álvarez nicht überzeugt:

Wir sehen einen Koalitionsvertrag, in dem es von wirtschaftspolitischen Sünden durchaus wimmelt.

Sonja Álvarez, Journalistin

Sie monierte einen Tariftreuevertrag, "der zu mehr Bürokratie führen wird", E-Auto-Prämien, "die nur neue Strohfeuer erzeugen", die Überlegung, den Mindestlohn politisch festzusetzen, die Rückkehr zur Agrardiesel-Subvention, die Pendlerpauschale, die Mütterrente sowie die Senkung der Gastronomie-Steuer:

Wenn man diese [acht Milliarden Euro] schon ausgeben will, in Zeiten, in denen die Kassen so knapp sind, dann doch wirklich für Ausgaben, die den Standort nach vorne bringen.

Sonja Álvarez, Journalistin

Pro Woche, so Álvarez, würden zwei Milliarden Euro Direktinvestitionen aus Deutschland abfließen: "Das dritte Mal hintereinander droht eine Rezession. Das heißt, dass wir einen historischen Kraftakt in diesem Land hinbekommen müssen."
Symbolfoto Wirtschaftswachstum 0%
Die Wirtschaftsweisen sehen die deutsche Wirtschaft in einer ausgeprägten Schwächephase. Ihre Prognose für dieses Jahr sagt ein Nullwachstum voraus.21.05.2025 | 1:39 min

Guttenberg: Bereitschaft zu Investitionen wächst

Auch Guttenberg hatte "romantische Lieblingskinder" der Koalitionäre kritisiert, als er das letzte Mal bei "Lanz" zu Gast gewesen war.
Nun gab er sich vorsichtig optimistisch. Die Bereitschaft, mehr zu investieren, sei am Wachsen - "immer gekoppelt daran, dass die anderen Dinge umgesetzt werden, die im Koalitionsvertrag stehen". Er betonte:

Es ist ein exponentiell steigendes Interesse von Großinvestoren aus dem Ausland in Deutschland gegeben, mit Blick auf das Infrastruktur-Paket. (...) Die wollen dabei sein.

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Politiker

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